IM BLICKFELD

Die Italiener entdecken das Sparen wieder

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 20.9.2017 Italien hat das Sparen wiederentdeckt. Die Sparquote ist im ersten Halbjahr dieses Jahres gegenüber 2016 von 9,6 % auf 11,8 % gestiegen. Damit hat sie das Niveau des Jahres 2001 erreicht....

Die Italiener entdecken das Sparen wieder

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandItalien hat das Sparen wiederentdeckt. Die Sparquote ist im ersten Halbjahr dieses Jahres gegenüber 2016 von 9,6 % auf 11,8 % gestiegen. Damit hat sie das Niveau des Jahres 2001 erreicht. Sparen liege neuerdings wieder im Trend, heißt es in einer von Banca Intesa Sanpaolo gemeinsam mit der Stiftung des Verlagskonzerns Einaudi veröffentlichten Analyse über das italienische Sparverhalten 2017.Aus dem Dokument geht aber auch hervor, dass trotz der positiven Entwicklung in den letzten Monaten die Sparquote noch weit von ihrem Allzeithoch entfernt liegt. In den neunziger Jahren hatten die Italiener bis zu 19 % ihres verfügbaren Einkommens auf die hohe Kante gelegt. Neuer WilleVom neu entdeckten Willen, Reserven zu legen, profitiert vor allem die Assetmanagement-Branche. Aber auch Anlagen in Immobilien nehmen zu. Und dies, obwohl bereits 77 % aller Italiener in ihren eigenen vier Wänden leben. “Den Italienern gefällt es nicht, monatlich Geld für die Miete auszugeben. Sie zahlen lieber ihre Hypothekarkredite zurück”, kommentiert der Chefvolkswirt von Banca Intesa Sanpaolo, Gregorio De Felice, den Trend zum Immobiliensparen. 2017 haben 5 % der Befragten, ein Prozentpunkt mehr als im Vorjahr, in Immobilien investiert. Immobiliensparen entspricht auch dem in Italien zunehmenden Trend, “in Sicherheit anzulegen”, wie De Felice meint. Bei den Anlagen handelt es sich großenteils um den Erwerb von Erstwohnungen. Nur 1 % erwarben Zweit- oder Drittwohnungen etwa für den Urlaub oder zum Vermieten. “Sicherlich haben exogene Faktoren, wie etwa die expansive Geldpolitik, zur wachsenden Sparneigung beigetragen. Aber auch die Wirtschaftsbelebung am Inlandsmarkt ist für den Wandel verantwortlich”, sagt der Ökonom. Einkommen steigenDer Anteil der privaten Haushalte, der einen Teil des Einkommens spart, hat sich binnen Jahresfrist von 40 % auf 43,4 % erhöht. 60,8 % der insgesamt 1600 Befragten bewerten ihr Einkommen als ausreichend, um einen Teil davon auf die Seite legen zu können. Vor einem Jahr waren es nur 47 %. Kein Zweifel, dass sich die Einkommensverhältnisse in Italien in den zurückliegenden drei Jahren verbessert haben. Denn 92 % der Befragten halten sich für wirtschaftlich unabhängig. 2015 waren es weniger als 80 % gewesen.Neuerdings punktet Aktiensparen. So investierten 6,9 % der Befragten in Aktien – vor einem Jahr waren es erst 5,4 %. In erster Linie profitiert von diesem Trend das Fondssparen. Hingegen hat das Anleihensparen drastisch abgenommen. Während nach der Jahrtausendwende Anlagen in Staatspapiere die beliebteste und am weitesten verbreitete Sparform waren, hat sich der Anteil der Bondsparer innerhalb eines Jahres von 21 % auf 17 % reduziert. Die Italiener, einst auch “Bot-People” (Sparer von Staatsbonds) genannt, haben der Niedrigzinspolitik Rechnung getragen. Dabeil liegt nicht die Sparrendite, sondern die Sicherheit an erster Stelle der Argumente des Sparverhaltens. An zweiter Stelle rangiert die Vorsorge.In diesem Sparszenario spielen die Banken eine wichtige Rolle. Denn Depotsparen liegt mit 40 Mrd. Anlagen im laufenden Jahr weiterhin im Spitzenfeld. Offensichtlich profitieren die Großbanken mehr als kleinere Banken vom neuen Trend. “Es ist kein Geheimnis, dass wir in den letzten zwei Jahren von der Bankenkrise, etwa den Problemen bei Monte dei Paschi di Siena, den Pleite-Volksbanken von Venetien oder den zu rettenden Sparkassen in Mittelitalien, profitierten. Die Krisenbanken mussten einen Exodus ihrer Sparer hinnehmen, wir haben einen kräftigen Zufluss verzeichnet”, bestätigt der Präsident von Intesa Sanpaolo, Gian Maria Gros-Pietro.Intesa Sanpaolo hat in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres mit 14 Mrd. Euro für Produkte des verwalteten Sparvermögens das Doppelte des Vorjahres eingesammelt. Der Intesa-Präsident verweist auf die staatlichen Interventionen bei den Pleitebanken, die zum großen Teil dazu dienten, das Sparvermögen zu schützen. Auf dem VormarschZweifellos ist das verwaltete Sparvermögen größter Gewinner des neuen Spartrends. Dieser hat sich nicht nur in Italien, sondern auch in anderen Ländern fortgesetzt. Großbritannien stand laut einer Studie von Broadridge Global Market Intelligence Ende Juli mit einem Bestand von umgerechnet 1 113 Mrd. Euro an verwalteten Sparvermögen an erster Stelle, gefolgt von Deutschland mit 609 Mrd. und Italien mit 459 Mrd. Erst an vierter und fünfter Stelle rangieren die Schweiz und Frankreich. Laut den Analysten der Beratungsgesellschaft wird Italien alsbald an die zweite Stelle vorrücken.Mit einem Anteil von 44 % der Assets in ausländischen Händen sei der Markt in Italien wesentlich offener als in anderen Ländern. Als Indiz für die erwartete Expansion im Assetmanagement gilt die Bewegung bei den Vermögensverwaltern. So hat Anima die Assetmanagement-Tochter von Banco BPM, Aletti Gestielle, erworben (700 Mill. Euro) und soll in naher Zukunft auch die Vermögensverwaltungssparte von Poste Italiane, Bancoposte Fondi, übernehmen.Der US-Fondsbetreiber Vanguard will in den nächsten Wochen in Mailand seinen neuen Sitz eröffnen; Fidelity International wird noch vor Weihnachten ein 1 000 qm großes Büro im Mailänder Zentrum eröffnen. Im Spitzenfeld der Assetmanagement-Gesellschaften liegt in Italien Banca Generali, vor Intesa Sanpaolo, Amundi (Pioneer) und Anima.Der Trend der Sparer, ihre private Vermögensverwaltung Fachexperten anzuvertrauen, setzt sich in Italien durch. Dieser Trend ist auch bedingt durch mangelndes Wissen über die verschiedensten Finanzprodukte. Die geringe Kenntnis hat denn auch in den letzten Jahren zu einem Fehlverhalten der Sparer geführt. So sind sie auf das Angebot von Derivaten oder Hybridanleihen von Pleitebanken (Monte dei Paschi di Siena, die mittelitalienische Volksbank von Etruria etc.) eingegangen. Die dadurch entstandenen Verluste verstärkten die Vorsicht der Sparer. Diese verlassen sich zunehmend auf Experten.Laut der jüngst veröffentlichten Analyse hat sich inzwischen das Basiswissen gleichwohl verbessert. Noch immer aber verfügten nur 30 % der Sparer über eine ausreichende Kenntnis des Angebots an Finanzprodukten.Dabei gibt es ein regionales Gefälle. In Nordwestitalien ist die Kenntnis über Sparprodukte wesentlich stärker verbreitet als im Nordosten, in Mittel- oder in Süditalien. “Ein Sparer mit ausreichenden Kenntnissen trägt zur Qualitätsverbesserung der Finanzindustrie bei”, meinte denn auch Prof. Beppe Russo von der Einaudi-Stiftung.