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Die Kapitalmarktunion setzt den Basel-III-Gedanken fort

Börsen-Zeitung, 28.8.2015 Basel III und andere regulatorische Initiativen, von denen einige noch in der Konsultationsphase sind, werden eine weitere Erosion in der Ertragsstärke diverser Geschäftsmodelle von Banken verursachen. Betrachten wir zum...

Die Kapitalmarktunion setzt den Basel-III-Gedanken fort

Basel III und andere regulatorische Initiativen, von denen einige noch in der Konsultationsphase sind, werden eine weitere Erosion in der Ertragsstärke diverser Geschäftsmodelle von Banken verursachen. Betrachten wir zum Beispiel das Zusammenwirken der quantitativen Anforderungen der Capital Requirement Regulation (CRR) und hier insbesondere der Leverage Ratio, Net Stable Funding Ratio und Liquidity Coverage Ratio, so folgt, dass die Kombination von höheren Kapital- und Refinanzierungskosten bei gleichzeitig größerem Anteil von liquideren, dafür aber im Nullzinsumfeld besonders niedrig rentierenden Aktiva sowohl auf die Profitabilität des Kreditgeschäfts in der traditionellen “Originate to Hold”-Version wie auch auf die des Depot-A-Geschäfts einen erheblichen Druck ausübt. Andererseits sind die aggregierten Bilanzsummen des europäischen Bankensektors im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, auch nach Eliminierung der verzerrenden Einflüsse aufgrund unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards, immer noch deutlich größer als in den USA. Bank eher FinanzintermediärGroße Bankbilanzen in Kombination mit niedrigen Gewinnen stellen einen Ausgangspunkt zu systemischen Risiken dar, weil Banken die ausbleibenden Erträge nicht zum Aufbau von Reserven zur Steigerung der Risikotragfähigkeit nutzen können. Somit ist eine Reallokation der von Banken gehaltenen Kreditrisiken innerhalb des Finanzsystems sinnvoll, welche letztendlich dazu führen sollte, dass Banken ihre Rolle mehr auf die eines Finanzintermediärs statt eines Buy-and-Hold-Investors reduzieren, während institutionelle Investoren ihr Anlageuniversum diversifizieren.Die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung wurde von vielen Marktteilnehmern in den vergangenen Jahren erkannt. So haben viele Banken und Versicherungen in Kooperation an Loan Funds gearbeitet, die es Banken ermöglichen sollten, Teile ihrer Kreditrisiken unter angemessenem Risikoselbstbehalt an Versicherungen auszulagern und diesen gleichzeitig den Zugang zu einer neuen Assetklasse zu öffnen. Dieser Trend wird sich mit der Novelle der Anlageverordnung für Versicherungen vom 3. März 2015 weiter beschleunigen, da das zulässige Anlagespektrum nun alle Fondstypen nach dem KAGB sind und der Zugang zu kollektiven Anlageformen erleichtert wird.Volkswirtschaftlich ist die Verteilung von Kreditrisiken auf unterschiedliche Typen von Investoren, neben günstigen Auswirkungen auf Fremdkapitalkosten, aus mehreren Gründen sinnvoll. Zum einen bedeutet eine Krise des Bankensystems dann nicht notwendigerweise erhebliche Einschnitte in der Kreditversorgung der Realwirtschaft, wie dies 2009 der Fall war, zum anderen sind Banken auch in vielen Fällen nicht die richtigen Finanzierungspartner, was unter anderem für innovative Start-up-Unternehmen gilt. Aus regulatorischer Sicht wäre eine solche Entwicklung ebenfalls zu begrüßen, schließlich ist es ein Kernziel von Basel III, Risikokonzentrationen in Bankbilanzen und in der Bankenindustrie auf ein Maß zu reduzieren, welches das vom Bankensektor ausgehende Systemrisiko beherrschbar macht.Genau dieses Ziel deckt sich mit den Zielen der Kapitalmarktunion: Kreditrisiken sollen fungibler und einem breiten Universum von Investoren zugänglich gemacht werden.Auch dies ist kein neuer Gedanke, schließlich ist der Markt für Unternehmensanleihen in Europa, auch katalysiert durch die Erfahrungen 2009, stark gewachsen, und die in der Folge der Krise heftig kritisierten Asset Backed Securities (ABS) wurden entwickelt, um illiquide Kreditrisiken handelbar zu machen. Unternehmensanleihen stehen nur Emittenten mit Zugang zu den Kapitalmärkten als Refinanzierungsinstrument zur Verfügung, und ABS müssen erst, auch mit Hilfe der jetzt strengeren Regulierung, das Vertrauen der europäischen Investoren wiedergewinnen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kapitalmarktinstrumente, die Unternehmen Zugang zu Fremd-, Mezzanine- und Eigenkapital geben, eine geeignete Mischung von Kredit- und Kapitalmarktfinanzierung sicherstellen sowie einer breiten Klasse von Investoren den Zugang ermöglichen sollten. Weitere StandardisierungJe größer ein Kapitalmarkt, desto effizienter werden – zum Beispiel durch Stimulierung grenzüberschreitender Investitionen – Finanzierungsquellen erschlossen und desto besser können europaweit aktive Investoren den Vorzug der Diversifikation in ihren Portfolien realisieren. Dazu hilfreiche und im Rahmen des Projektes geplante Initiativen sind die Schaffung eines europäischen Verbriefungsrahmenwerks für transparente und hochqualitative ABS-Strukturen sowie die Harmonisierung der Märkte für Covered Bonds und Private Placements.Die Kapitalmarktunion kann grenzüberschreitend den Zugang zu Kapital für Unternehmen, insbesondere denen des Mittelstands, nur mit Finanzierungsinstrumenten signifikant verbessern, die auf Basis europaweit einheitlicher Kapitalmarktstandards reguliert sind. Neben der Einführung europäischer Wertpapierstandards ist eine Vereinheitlichung von Gesellschafts-, Insolvenz- und Prospektrecht sowie ein allgemeiner Zugang zu Unternehmens- und Bilanzdaten notwendig, was insgesamt eine erhebliche Herausforderungen an die Bemühungen um Integration in Europa darstellt.Andererseits wäre der Erfolg dieses Projekts ein Beweis, dass Fragmentierung in Europa zum Nachteil aller ist und der Schlüssel zu Fortschritt und Innovation nur die weitere konsequente Umsetzung der europäischen Idee sein kann.—-Prof. Dr. Martin Hellmich ist Professor für Financial Risk Management an der Frankfurt School of Finance & Management.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Martin HellmichEs geht darum, Kreditrisiken fungibel und einem breiten Universum von Investoren zugänglich zu machen.——-