Im GesprächFrank Walthes

„Die Lösung war ein Cat Bond“

Vorstandschef Frank Walthes erläutert, warum Versicherungskammer Bayern als größter öffentlicher Versicherer in Deutschland eine Alternative zur traditionellen Rückversicherung gesucht hat.

„Die Lösung war ein Cat Bond“

Im Gespräch: Frank Walthes

„Die Lösung war ein Cat Bond“

Versicherungskammer Bayern lagert über Katastrophenanleihe erstmals Risiken an Kapitalmarkt aus – Rekord an Neuemissionen 2023

Von Antje Kullrich, Köln

Die Premiere ist gelungen: Die Versicherungskammer Bayern (VKB) hat zum ersten Mal eine Katastrophenanleihe (Cat Bond) emittiert. Mit ihr sichert sich der größte öffentliche Versicherer in Deutschland gegen extrem hohe Schäden durch Naturkatastrophen ab. Das Volumen des Bonds fiel am Ende sogar noch etwas größer aus als ursprünglich geplant. Der Versicherer warb 175 Mill. Euro bei Investoren ein. Diese erhalten eine Verzinsung von 5%. Das liegt am oberen Ende der bei der Roadshow vorgestellten Spanne.

Frank Walthes, Vorstandschef der VKB, nennt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung die Gründe, Risiken neben der traditionellen Rückversicherung auch am Kapitalmarkt direkt zu platzieren: „Wir sind einer der Versicherer, die auch mehrjährige Rückversicherungsverträge abschließen. Das war zu diesem Zeitpunkt am traditionellen Markt nicht zu bekommen. Die Lösung war ein Cat Bond.“

Frank Walthes, Vorsitzender des Vorstandes der Versicherungskammer Bayern

Knappe Kapazitäten

Dazu kam ein enger Markt. „In der letztjährigen Erneuerungsrunde 2022/23 war eine deutliche Verknappung von Rückversicherungskapazität zu spüren“, erläutert Rückversicherungsmanager Ulrich Müller, der bei der Versicherungskammer maßgeblich an der Entwicklung des Cat Bonds beteiligt war. „Wir haben zwar alles platziert bekommen, aber die Preise gingen nach oben. Da haben wir nach Alternativen Ausschau gehalten.“ Es ging dann relativ schnell. Zur Jahresmitte seien die Überlegungen konkreter geworden, denn eine wesentliche Entspannung bei den Kapazitäten deutete sich nicht an. „Zudem haben wir mehr Rückversicherungsbedarf eingeplant wegen der inflations- und wachstumsbedingt steigenden Erstversicherungsbestände. Wir haben uns intensiv mit einer Cat-Bond-Emission beschäftigt und sie binnen sechs Monaten hinbekommen.“

Spitzenrisiken versichert

Nach den Turbulenzen am Rückversicherungsmarkt habe die VKB Ruhe und Kontinuität in ihre Absicherung bringen wollen. Das sei mit dem Cat Bond, der eine Laufzeit von drei Jahren hat, für die Spitzenrisiken erreicht worden.

Die Anleihe setzt auf ein Programm proportionaler traditioneller Rückversicherung auf. Wenn der Nettoschaden durch eine Naturkatastrophe – Stürme, Überschwemmungen und Erdbeben sind abgedeckt – nach proportionaler Rückversicherung 900 Mill. Euro übersteigt, dann würde der Cat Bond getriggert, was bedeutet, dass die Investoren einen Teil oder ihr komplettes Kapital verlieren würden.

Laut Walthes ist die Emission, mit der die VKB für sich absolutes Neuland betreten hat, durchaus ein kleiner Kraftakt gewesen. „Wir haben uns intensiv darauf vorbereitet. Das hat viele Ressourcen gebunden.“ Mit Aon Securities als erfahrenem Strukturierer im Markt habe die VKB aber einen starken Begleiter gehabt.

Neuer Spieler

Viele Jahre war unter den deutschen Versicherern ausschließlich ein sehr international ausgerichtetes Trio an dem relativ jungen Markt für alternativen Risikotransfer aktiv: Hannover Rück, Münchener Rück und Allianz sind schon lange mehr oder weniger regelmäßige Emittenten. Kurz vor Weihnachten hatte die Allianz erstmals seit über zehn Jahren wieder Investoren für ein eigenes Portfolio mit europäischen Sturmrisiken gesucht und einen Bond über 250 Mill. Euro platziert. Zwar hatte die Allianz in der Zwischenzeit diverse Cat Bonds begeben, doch war es dabei nicht um Risiken in den eigenen Büchern gegangen.

Mit der VKB betritt unter den deutschen Playern ein wesentlich kleineres Unternehmen den Cat-Bond-Markt. „Die Lernkurve war steil“, resümiert Frank Walthes. „Wir sind sie als mittelständisches Unternehmen gegangen. Die Zeit dafür ist reif.“

Positiver Ausblick

Nach schwierigen Jahren, als im vergangenen Jahrzehnt traditionelle Rückversicherung sehr billig zu haben war und nach der verheerenden Hurrikan-Serie in den USA 2017 reihenweise Cat Bonds betroffen waren und ausfielen, feiert der immer noch stark von US-Risiken dominierte Markt derzeit Rekorde. Im vergangenen Jahr wurden mit einem Volumen von über 16 Mrd. Dollar so viele Katastrophenanleihen und andere Versicherungsrisiken am Kapitalmarkt platziert wie noch nie. Das Gesamtvolumen an ausstehenden Bonds kletterte laut dem Branchenportal Artemis auf rund 45 Mrd. Dollar.

Nicht nur die Emittentenbasis hat sich verbreitert. Erstmals wurden Cyberrisiken in mehreren Bonds bei Investoren platziert. Zum Jahresende kamen unter anderem Swiss Re und Chubb mit entsprechenden Platzierungen an den Markt. Auch für 2024 rechnen Beobachter mit einer regen Emissionstätigkeit.

Die VKB will sich derzeit noch nicht festlegen, ob sie regelmäßig am Cat-Bond-Markt aktiv wird. Doch Walthes ist mit dem Ergebnis der Pilotemission sehr zufrieden: „Für uns ist es wichtig, dass wir den Werkzeugkasten in der Rückversicherung breit beherrschen. Cat Bonds sind jetzt Bestandteil unseres Bau-
kastens.“

Interesse bei Konkurrenz

Andere Versicherer dürften sich den Auftritt der VKB am Cat-Bond-Markt nun genau ansehen. „Der Cat Bond ist ein Instrument der Rückversicherung, das für uns jetzt in den Blickpunkt gerückt ist. Das verfolgt die Branche mit Interesse“, meint auch Walthes. Es bleibe aber immer eine unternehmensindividuelle Entscheidung.

Am Markt für Cat Bonds sind im vergangenen Jahr so viele Versicherungsrisiken platziert worden wie noch nie. Einer der neuen Emittenten ist die Versicherungskammer Bayern. Vorstandschef Frank Walthes erläutert, warum der größte öffentliche Versicherer in Deutschland eine Alternative zur traditionellen Rückversicherung gesucht hat.

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