Geldwäsche

Die Mafia bedroht die Niederlande

Beim Kampf gegen die Geldwäsche ist noch viel zu tun. Das gilt auch für die Schweiz, die nun auch Rechtsanwälte im Kampf gegen die Geldwäsche in die Pflicht nehmen will.

Die Mafia bedroht die Niederlande

dz

„Alle sind ungenügend, aber einige sind es noch mehr als andere“, sagt der scheidende FATF-Sekretär David Lewis über die Bemühungen der Länder, die Spur des organisierten Verbrechens im Finanzsystem nachzuverfolgen. Die 1989 im Rahmen der OECD gegründete Organisation zur Setzung globaler Standards in der Bekämpfung der Geldwäsche steht mitten im Dilemma ihrer Mitgliedsländer, die eigenen Schwächen öffentlich einzugestehen und die Jagd nach dem kriminellen Geld gemeinsam anzugehen.

In den Niederlanden weiß man inzwischen, dass die kriminellen Organisationen keine Zeit verlieren, um sich in klandestiner Weise im Rechtsstaat einzunisten und dessen Institutionen Schritt für Schritt auszuhöhlen. Die Ermordung des Kriminalreporters Peter Rudolf de Vries am 6. Juli 2021 auf offener Straße in Amsterdam war nur der letzte spektakuläre Schlag in einem Kampf, den sich die marokkanisch-niederländische Kokain-Mafia und die Justizbehörden liefern.Der laufende Gerichtsprozess gegen den Chef der sogenannten Mocro-Mafia hat in den Jahren davor schon den Rechtsvertreter des Kronzeugen und dessen Bruder das Leben ge­kostet. Damit wird ein viel größeres Problem erst allmählich für eine breitere Öffentlichkeit sichtbar, konstatiert Pieter Tops, der an der Polizeiakademie in Leiden über die organisierte Kriminalität forscht. 2020 hat Tops mit dem Journalisten Jan Tromp ein Buch unter dem Titel „Nederland, Drugsland“ veröffentlicht.

In dem Buch zeigen sie die Niederlande als Hotspot bei der Herstellung synthetischer Drogen und legen den Finger auf die großen Häfen in Rotterdam und Antwerpen, wo jährlich Zehntausende Kilo Kokain beschlagnahmt werden. Das Hauptproblem für die Niederlande seien aber nicht die Drogen an sich, sondern der damit verbundene enorme Geldfluss, der die Gesellschaft zu zersetzen drohe.

Die schlimmen Vorgänge im Zu­sammenhang mit dem Mocro-Prozess haben die Politik aufgeweckt, sagt Hennie Verbeek-Kusters, die Leiterin der Antigeldwäschebehörde, im Interview in dieser Ausgabe der Börsen-Zeitung. Angesichts hoher Strafen könne sie nicht verstehen, weshalb die seinerzeit zuständigen Chefs von ING und ABN Amro die Geldwäscheprävention nicht ganz oben auf ihre Prioritätenliste gesetzt haben. Gemeint ist damit offensichtlich auch der aktuelle UBS-Chef Ralph Hamers, der vor seinem Wechsel in die Schweiz CEO der ING war.

Die niederländische Strafverfolgungsbehörde hat die Untersuchung gegen Hamers neu aufgerollt (vgl. BZ vom 9. April). „Das passiert nicht zuletzt deshalb, weil die Bevölkerung das so will. Wir führen eine intensive Debatte über die Verantwortung der Spitzenmanager“, sagt Verbeek-Kusters.

Derweil tut sich die Schweiz immer noch schwer, die im eigenen Land beobachtbare Ausbreitung der organisierten Kriminalität als ernsthafte Gefahr zu sehen. Zurzeit befindet sich die Verordnung zum neuen Geldwäschegesetz in der öffentlichen Anhörung. Das Gesetz entspricht nur knapp dem internationalen Minimalstandard und unterwirft erstmals auch die Rechtsanwälte der Meldepflicht. Für Verbeek-Kusters ist das selbstverständlich, denn Rechtsanwälte spielen „eine zentrale Rolle im System“. So weit ist die Schweiz in ihrem Erkenntnisfortschritt noch nicht.