"Die Musik spielt in Brüssel"

Sustainable-Finance-Beirat drückt vor deutscher EU-Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr aufs Tempo

"Die Musik spielt in Brüssel"

Der Sustainable-Finance-Beirat hat wenige Tage nach der Vorstellung erster Thesen seinen weiteren Fahrplan skizziert. Um der Bundesregierung bereits für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 Empfehlungen geben zu können, sollen Zwischenergebnisse des Beirates im Februar vorliegen.sp Berlin – Der Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung drückt mit Blick auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 aufs Tempo. “Wir haben uns das Ziel gesetzt, erste Zwischenergebnisse Ende Januar oder Anfang Februar anzustreben”, sagte Karsten Löffler von der Frankfurt School of Finance and Management, der zusammen mit Kristina Jeromin, der Nachhaltigkeitsverantwortlichen der Deutschen Börse, den Beirat leitet. Das sei ein sehr ambitionierter Zeitplan, räumten die Beiratsvorsitzenden in einem Pressegespräch in Berlin ein. Gerade vor dem Hintergrund der nahenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft wolle man sich aber nicht länger Zeit lassen.”Die Musik im Finanzsektor spielt – gerade was regulatorische Fragen angeht – sehr stark in Brüssel”, sagte Löffler zur Begründung. Die Bundesregierung auf diesem Feld zu beraten, sei für den Beirat von großer Bedeutung. “Der Anspruch ist, weniger reaktiv zu agieren als stärker eine proaktive Rolle einzunehmen und die Agenda, die in Brüssel gefahren wird, mitzugestalten”, skizzierte Löffler die Ambitionen. “Da haben wir einige Ideen, die wir noch weiter entwickeln wollen und auch müssen.” Erst in der vergangenen Woche hatte der Beirat im Rahmen des 3. Sustainable-Finance-Gipfels in Frankfurt erste Thesen vorgestellt (vgl. BZ vom 17. Oktober), die es jetzt zu konkretisieren gelte.In Brüssel sei zu dem Thema Sustainable Finance bereits “eine gewisse Dynamik” vorhanden, wie Löffler einräumt. Der EU-Aktionsplan gebe eine Leitlinie vor und sei nach knapp 18 Monaten weitgehend umgesetzt. Die neue EU-Kommission, die bereits in den Startlöchern steht, überlege die nächsten Schritte und die Agenda für die nächsten fünf Jahre. “Ich erwarte, dass da einiges kommt”, sagte Löffler. Für die Bundesregierung gehe es darum, “idealerweise vor die Kurve zu kommen, aber zumindest mal auf der Kurve zu sein.” Verpasste GelegenheitEine Gelegenheit dazu wurde nach Einschätzung der stellvertretenden Beiratsvorsitzenden, Kristina Jeromin, mit dem gerade verabschiedeten Klimaschutzgesetz verpasst. Die Regierung habe es versäumt, klarzumachen, worin die zentrale Bedeutung des Finanzsektors in einem Wirtschaftssystem für eine funktionierende Volkswirtschaft liegt, und welche Rolle er spielen muss, sagte sie bei dem Gespräch mit Journalisten in Berlin.Der Beirat habe das Klimakabinett kurz vor Verabschiedung des Klimaprogramms auf das Pariser Klimaabkommen verwiesen, in dem die Rolle des Finanzsektors explizit erwähnt ist. “Damit wäre gewährleistet, dass die Sustainable-Finance-Strategie einen unmittelbaren Bezugspunkt im Klimaschutzgesetz erhält und das Potenzial des Finanzsektors vollumfassend erkannt wird und mobilisiert werden kann”, hieß es in einem Schreiben an das Klimakabinett von Anfang September (vgl. BZ vom 14. September). “Wenn wir jetzt ein Klimaschutzgesetz haben, wo wir das nicht vorfinden und wo wir diesen zentralen Hebel zur Erreichung der Klimaziele nicht genannt sehen, kann man das nur eine verpasste Chance nennen”, sagte Jeromin. Doch nicht nur die Bundesregierung hat auf dem Weg zu dem erklärten Ziel, Deutschland als führenden Standort für eine nachhaltige Finanzwirtschaft zu etablieren, Nachholbedarf. Ein gemeinsames Verständnis von Sustainable Finance “mit einem breiten Narrativ und einer sich daraus herleitenden Sachlogik” gebe es noch nicht, sagte Jeromin. Dem Beirat gehe es deshalb vor allem darum, das Verständnis in der Finanzwirtschaft in der Breite zu heben, damit Risiken und Chancen auch als solche erkannt werden, sagte Löffler.”Verschiedene Akteure sind unterschiedlich weit”, berichtete er. Solange es keine Regulierung gebe, hänge es stark davon ab, wie ein Unternehmen geführt wird und ob die langfristige Perspektive im strategischen Handeln ankomme. Der Umbau der Wirtschaft sei indessen alternativlos, mahnte Jeromin. “Das muss in das Verständnis der beteiligten Akteure kommen.” Manchmal werde immer noch diskutiert, ob man das Finanzsystem nachhaltig gestalten solle oder nicht. “Das ist doch nicht die Frage. Es geht um Zukunftsfähigkeit von wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlichem Wohlergehen. Diesen Umbau müssen wir angehen”, sagte Jeromin. Angesprochen auf die Kritik aus der Kreditwirtschaft, aus der Assekuranz und aus der Fondsindustrie, deren Spitzenverbände sich zuletzt unzufrieden mit ihrer Rolle als Beobachter des Sustainable-Finance-Beirats gezeigt und eine stärkere Beteiligung an der Entwicklung der Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung angemahnt hatten (vgl. BZ vom 15. Oktober), zeigte sich Löffler ungerührt. “Nach meinem Empfinden sind die Verbandsvertreter sehr intensiv beteiligt und tragen wertvoll zum Prozess bei, sowohl zur Diskussion als auch zur Lösungsfindung”, sagte er. Der Beirat verfüge mit seinen 38 Mitgliedern über eine gute Mischung mit Experten aus der Praxis. Relevanz und Widerhall”Ich finde es gut, dass über den Beirat gesprochen wird, weil das zeigt, dass er Relevanz hat und auf Widerhall in der Community stößt”, sagte Jeromin zu der Kritik und sprach in Richtung der Verbände noch einmal eine Einladung zur Mitarbeit aus. Kritik könnte man auch direkt an den Beirat richten. “Wo wir aus der Position des Vorsitzes heraus etwas heilen können, werden wir das immer machen”, sagte Jeromin.