Die Nachfrage nach Cyberversicherungen steigt

Rund 20 Versicherer bieten Deckungen in Deutschland an - Kapazität im Konsortium bis 500 Mill. Euro

Die Nachfrage nach Cyberversicherungen steigt

Von Antje Kullrich, DüsseldorfLange schien das Problem weit weg. In den USA sind die Opfer von Cyberangriffen zahlreich und prominent: die Einzelhandelskette Target, der Baumarktriese Home Depot oder die Fastfoodkette Wendy’s – sie alle mussten große Hackerattacken eingestehen. In Japan hatte Sony mit einem schweren Angriff auf die Playstation zu kämpfen. Und jetzt gesteht auch noch Yahoo, dass eine halbe Milliarde Kundendaten abgeflossen sind.Langsam greift auch in deutschen Unternehmen die Erkenntnis um sich, dass sich keiner mehr sicher fühlen kann. Nach einer aktuellen Umfrage des Versicherungsmaklers Marsh gehören für 17 % von 260 kürzlich befragten deutschen Unternehmen Cyberangriffe zu den identifizierten Top-5-Risiken. Vor einem Jahr schätzten nur 8 % der Unternehmen das Risiko durch Hacker so hoch ein.Die geschätzten Schadenhöhen durch Cyberangriffe in Deutschland sind schon jetzt gewaltig. Der Digitalverband Bitkom geht aktuell von rund 22 Mrd. Euro allein für die deutsche Industrie aus. McAfee rechnete einen Schaden von jährlich 52 Mrd. Euro für die deutsche Wirtschaft hoch.Mit der wachsenden Bedrohung steigt auch der Wunsch nach Versicherungsschutz. Etwa 20 Versicherer bieten in Deutschland mittlerweile spezielle Cyberpolicen für Unternehmen an. Vorneweg haben sich die großen Industrieversicherer positioniert. Weitere wollen einsteigen. So plant Anfang kommenden Jahres auch die R+V, eine Cyberpolice auf den Markt zu bringen.Die Cyberversicherer am deutschen Markt bieten meist Deckungssummen zwischen 10 Mill. und 50 Mill. Euro. In Konsortien seien bereits Kapazitäten von 500 Mill. Euro darstellbar, sagte Jens Krickhahn, Manager bei Allianz Global Corporate Solutions (AGCS), auf einer Konferenz zu Cyberrisiken in Köln. Die meisten Dax-Konzerne sind laut Marsh-Geschäftsführer Georg Bräuchle mittlerweile versichert.”Wir sind der Ansicht, dass sich Cyber als Standardversicherungsprodukt etablieren wird”, prognostizierte Ole Sieverding von Hiscox. Die Abschlüsse verdoppelten sich derzeit jährlich. Die Sparte ist laut Hiscox auch profitabel. Auf dem deutschen Markt war der Versicherer Pionier bei Cyberpolicen. Das erste Angebot lancierte Hiscox 2011. Branchenprimus Allianz kam 2013 auf den Markt.Ein Mittelständler, der 10 Mill. Euro Deckung einkauft, zahlt in der Regel zwischen 12 000 und 20 000 Euro Prämie. In Einzelfällen kann es auch mal mehr werden. Das Prämienvolumen am deutschen Markt ist derzeit noch klein. Es wird auf etwa 20 Mill. Euro in diesem Jahr geschätzt. In fünf bis sieben Jahren jedoch wird mit einer Verzehnfachung auf rund 200 Mill. Euro gerechnet.Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft will bis Ende des ersten Quartals 2017 Musterbedingungen für Cyberversicherungen zur Verfügung stellen.Es gibt jedoch auch kritische Stimmen. Im Lager der öffentlichen Versicherer werden Cyberversicherungen vorsichtig angefasst. Man wisse noch nicht, welche künftigen Schäden man sich heute ins Haus hole, lautet eines der Argumente. “Das ist wie Dynamithandel”, fasste der Chef der SV SparkassenVersicherung, Ulrich-Bernd Wolff von der Sahl, seine Bedenken kürzlich in einem Interview zusammen. Auch die Provinzial Nordwest, zweitgrößter öffentlicher Versicherer, zögert noch. “Wir denken darüber nach”, sagt Finanzchef Ulrich Scholten. Schadenfall Ashley MadisonDer Deckungsumfang hat sich laut AGCS-Manager Jens Krickhahn weiterentwickelt. Auch schwierigere Risiken würden mit zunehmender Erfahrung gezeichnet. In Deutschland gehe der Trend dahin, vor allem Ertragsausfälle durch Cyberversicherungen abzudecken, erläuterte Markus English, Cyberversicherungsexperte bei Tokio Marine Kiln. Im Gegensatz zu den USA: Dort liegt der Fokus auf der Haftpflichtdeckung. Und das nicht ohne Grund. Denn die Schadenersatzsummen sind bekanntermaßen enorm. Das bekam auch das Seitensprungportal Ashley Madison zu spüren. Nach einem Hackerangriff wurden die Daten von Nutzern im Netz veröffentlicht. Die Opfer des Lecks fordern jetzt 500 Mill. Dollar Schadenersatz. Das könnte auch ein Fall für die Cyberversicherung werden. Laut Bloomberg hat Ashley Madison sich Schutz bei Axis eingekauft.