„Die regulatorischen Anforderungen sind zu Recht hoch“
Im Interview: Jonas Jünger
„Die Anforderungen sind zu Recht hoch“
Binance-Deutschland-Chef äußert sich zur SEC-Klage gegen die Krytoplattform – Warten auf die BaFin-Lizenz
Binance-Deutschland-Chef Jonas Jünger bezeichnet die aktuelle SEC-Klage gegen die Kryptoplattform als „enttäuschend“. Diese Maßnahme werde Binance jedoch nicht davon abhalten, „die enge Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden und Entscheidungsträgern fortzusetzen“.
Herr Jünger, Sie sind seit April dieses Jahres Deutschlandchef von Binance. Welche Punkte stehen auf Ihrer Agenda ganz oben?
Oberste Priorität hat für mich der erfolgreiche Aufbau der Binance-Niederlassung in Deutschland. Die regulatorischen Anforderungen dafür sind zu Recht hoch. Eine Zulassung wäre auch für den Finanzstandort Deutschland ein starkes Signal. Wer zukunftsfähig sein will – und das sollte für Deutschland der Anspruch sein –, braucht in seiner Finanzlandschaft innovative Fintechs.
Wie viele registrierte und aktive Kunden hat Binance in Deutschland?
Da sich die deutsche Niederlassung derzeit im Lizenzierungsprozess befindet und operativ noch nicht tätig sein darf, kann ich Ihnen leider keine konkreten Zahlen nennen. Weltweit hat Binance mehr als 120 Millionen Nutzer, und das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen liegt bei rund 40 Mrd. Dollar.
Das Spotvolumen war zuletzt recht schwach ...
Ja, aber das stört uns gar nicht so sehr, denn solche ruhigen Phasen bieten auch Vorteile. In weniger hektischen Zeiten haben wir die Möglichkeit, unsere Systeme zu optimieren. Außerdem gibt es auch in ruhigeren Marktphasen besonders aktive Handelstage. Für uns ist entscheidend, dass unsere Systeme stets zuverlässig verfügbar sind.
Um auf die BaFin zurückzukommen: Die Kryptoverwahrlizenz haben Sie im vergangenen August beantragt. Wann rechnen Sie mit der Bewilligung?
Uns war von Anfang an klar, dass die Lizenzierung nicht von heute auf morgen erfolgen würde. Das ist ein langfristiger Prozess, das zeigt auch unsere Erfahrung mit anderen europäischen Regulatoren. Eine Anfrage des Bundestags hat ergeben, dass bislang die Erteilung einer Kryptoverwahrlizenz im Durchschnitt rund 480 Tage dauert. Hinzu kommt, dass sich die Regularien auf einem jungen und sich dynamisch entwickelnden Geschäftsfeld wie Krypto und Kryptoverwahrung immer wieder verändern.
Sie denken dabei an die EU-Regulierung Mica (Markets in Crypto-Assets)?
Die Verordnung wurde erst vor wenigen Tagen unterschrieben. Mit den vereinbarten Übergangsfristen wird Mica erst in zwölf bis 18 Monaten greifen – also 2024 bzw. 2025. Den konkreten Zeitpunkt der Lizenzerteilung vorherzusagen ist aus den genannten Gründen nicht realistisch. Die Aufgabe der BaFin ist eine gründliche Prüfung aller geforderten Kriterien; das macht sie sehr umsichtig, was wir sehr begrüßen.
Binance hat seine Europazentrale in Paris. In Frankreich haben Sie auch eine Zulassung als Digital Asset Service Provider. Inwieweit ist das hilfreich?
In Frankreich hat Binance schon vor mehr als einem Jahr eine Registrierung von der französischen Aufsichtsbehörde AMF (Autorité des marchés financiers) erhalten, deshalb haben wir unsere Europazentrale in Paris. Darüber hinaus haben wir Büros in anderen europäischen Ländern, in denen wir registriert sind, wie Italien, Spanien, Polen, Schweden und Litauen. Aber das erachte ich für die Lizenzierung in Deutschland nur bedingt als ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, dass wir als Binance das organisatorische, prozessuale und technologische Setup haben, um die regulatorischen Anforderungen hierzulande zu erfüllen.
Sie hatten schon die Mica erwähnt, also die Regulierungsverordnung der EU für digitale Vermögenswerte. Trifft Binance bereits Vorkehrungen, um unter die Mica-Decke zu schlüpfen?
Die Mica ist für uns von sehr großer Bedeutung. Sie trägt dazu bei, den derzeit sehr fragmentierten europäischen Markt zu vereinheitlichen. Aktuell hat ja im Grunde jedes EU-Land seine eigenen Spielregeln für Kryptomärkte. Mit Mica erfolgt eine dringend notwendige Harmonisierung. Zudem trägt das Regelwerk der EU zu mehr Anlegerschutz bei. Und das ist ganz in unserem Sinne. Aber wir müssen realistisch bleiben, denn mit den festgelegten Übergangsfristen dauert es noch zwölf bis 18 Monate, bis Mica gültiges Gesetz wird. Viele Implementierungsfragen sind noch offen.
Ende März hatte die CFTC Klage gegen Binance eingereicht wegen des Verdachts auf Geldwäsche-Verstöße und Marktmanipulation, kürzlich kamen die SEC-Klagen hinzu. Wie geht es weiter?
Die Entscheidung der SEC ist enttäuschend für Binance, unsere Nutzer und die gesamte Branche. Diese Maßnahme wird uns jedoch nicht davon abhalten, die enge Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden und Entscheidungsträgern fortzusetzen und uns zugleich für den Kryptomarkt und die zugrunde liegenden Technologien starkzumachen.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung von Bitcoin im Vergleich zu Ethereum?
Was Bitcoin betrifft, fand ich die Entwicklung von NFTs und inzwischen generell Token-Standards auf der Bitcoin-Blockchain sehr spannend. Anhand des Ordinal-Protokolls wurden zuerst NFTs auf der Bitcoin-Blockchain möglich, danach mit dem BRC-20-Standard sogar generell Token (analog dem ERC-20-Standard auf Ethereum). Das zeigt, dass auch auf der Bitcoin-Blockchain Innovationen möglich sind und auch vorangetrieben werden.
Was sind die grundsätzlichen Unterschiede?
Bitcoin hat eine ganz andere Value Proposition als Ethereum. Bitcoin ist durch die enorme globale Hashrate – Stichwort Proof of Work – kryptografisch extrem gesichert. Ethereum ist hingegen mit einem „globalen Supercomputer“ zu vergleichen, der Anwendungen auf dieser Infrastruktur ermöglicht. Zudem ist Ethereum mit der zentralen Ethereum Foundation und dem aktiven Vitalik Buterin ganz anders strukturiert als Bitcoin.
Wie sieht es mit der Skalierbarkeit bei Bitcoin und Ethereum aus?
So wurden Transaktionen auf Ethereum jüngst wieder so teuer, dass andere Blockchains schneller gewachsen sind. Zum Beispiel hat die populäre DeFi-Analytics-Plattform DefiLlama vor kurzem berichtet, dass zuletzt mehr DeFi-Transaktionen auf der Binance Smart Chain gelaufen sind als auf Ethereum.
In Deutschland ist aktuell Staking sehr populär. Darunter versteht man das Halten von Kryptowährungen, um damit Belohnungen, auch als Rewards bezeichnet, zu verdienen. Was halten Sie davon?
Vorab möchte ich vor Marktangeboten warnen, die enorm hohe Erträge versprechen – das ist ein beliebter Trick von Betrügern. Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, dann ist es das wahrscheinlich auch: Also zu gut, um wahr zu sein. Zu bedenken ist auch, dass sich die Opportunitätskosten von Staking in der jüngeren Vergangenheit deutlich erhöht haben. Hintergrund sind die gestiegenen Zinsen. Das macht klassische Sparanlagen wie Bankeinlagen oder Anleihen wieder interessanter. Gleichwohl kann Staking für gewisse Akteure durchaus sinnvoll sein, insbesondere für solche, die an die Zukunft von Krypto glauben und an der Technologie teilhaben wollen.
Die Fragen stellte Björn Godenrath.
Jonas Jünger leitet die Binance-Aktivitäten im deutschsprachigen Raum.