NEUE EU-PLÄNE FÜR DIE FINANZ- UND KAPITALMÄRKTE - IM GESPRÄCH: PHILIPP SANDNER, FRANKFURT SCHOOL OF FINANCE

"Die Regulierung wird den Anlegerschutz stärken"

Blockchain-Forscher hält neue EU-Kryptovorgaben für gelungen - Einige Lücken sind aber noch zu schließen

"Die Regulierung wird den Anlegerschutz stärken"

Von Alex Wehnert, FrankfurtAus Sicht von Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Centers an der Frankfurt School of Finance, ist der EU mit ihrer neuen Regulierung für Kryptowerte ein breiter und umfassender Satz an Vorgaben gelungen. So seien nach Marktkapitalisierung gerechnet etwa 95 % der heute existierenden Krypto-Assets darin erfasst, nach Anzahl seien es immerhin 85 %. Die “Regulation on Markets in Crypto Assets” (Mica) ist Teil eines neuen Pakets zum digitalen Finanzbinnenmarkt und soll 2022 in Kraft treten. Auf diesem Weg will die EU-Kommission einen einheitlichen Rahmen für Kryptowährungen sowie Dienstleistungen und Emissionen im Bereich der Distributed-Ledger-Technologien schaffen.”Etwas enttäuschend ist allerdings, dass in der Folge sehr breite Silos für einige große Tokenklassen geschaffen werden – dies wird den Möglichkeiten und der Vielfalt der Blockchain-Technologie noch nicht gerecht”, sagt Sandner. Jedenfalls würden Bitcoin, Facebooks Komplementärwährung Libra und der digitale Euro auf E-Geld-Basis eingeordnet. Krypto-Assets, die nicht in diese Kategorien fielen, müssten eigentlich differenzierter betrachtet werden. Allerdings sei es auch nachvollziehbar, dass für einen Wirtschaftsraum von der Größe der EU nicht sofort ähnlich bahnbrechende Ausarbeitungen wie in Liechtenstein und der Schweiz möglich seien.Der im August in die Konsultation begebene Entwurf der Bundesregierung zur Regelung elektronischer Wertpapiere fällt weitestgehend nicht unter die neue europäische Kryptoregulierung. Der Referentenentwurf sieht vor, dass Wertpapiere elektronisch emittiert, verwahrt und gehandelt werden können und dafür keine papierne Urkunde mehr beim Zentralverwahrer hinterlegt werden muss. Nach Ansicht Sandners ergänzen sich das Konzept und die neue europäische Kryptoregulierung bereits recht gut, einige Lücken seien aber noch zu füllen. “Es gibt noch mehrere Tokens, die zu regulieren wären – dazu zählt etwa die blockchainbasierte Abbildung von Forderungen, im Prinzip der gesamte Bereich Factoring auf Blockchain-Basis”, kommentiert Sandner.Komplikationen durch Mitgliedsstaaten, die eigene Regulierungen angestoßen haben, befürchtet Sandner nicht. “Erste Vorreiter wie Deutschland und Frankreich müssen ihre bereits vorgeschlagenen oder erlassenen Gesetze eventuell etwas anpassen”, sagt der Experte. Der Großteil der Mitgliedsstaaten müsse aber für eine grenzüberschreitende Regulierung dankbar sein.”Kurzfristig werden sich vor allem viele Start-ups gegen die Regulierung wehren”, prognostiziert Sandner. Schließlich brächten höhere regulatorische Hürden immer auch einen Mehraufwand und steigende Kosten mit sich. Tatsächlich sei zu erwarten, dass einige kleinere Start-ups ihre Dienstleistungen unter den künftigen Bedingungen nicht mehr anbieten könnten. Mittelfristig sollte die Fintech-Branche aber erkennen, dass einheitliche europäische Vorgaben das Fundament für ein weiteres starkes Wachstum des Kryptomarktes bildeten. Gerade Family Offices und anderen institutionellen Investoren werde so der Einstieg ermöglicht.Auch Stablecoins, die an einen Basiswert wie den Dollar gekoppelt sind und Preisstabilität gewährleisten sollen, erfassen die EU-Vorgaben. “Mit Tether wird mutmaßlich auch der größte Emittent von Stablecoins unter die Regulierung fallen und eine entsprechende Lizenz erhalten, sofern er die Bedingungen erfüllt”, sagt Sandner. Bislang sind Stablecoin-Nutzer davon abhängig, dass die Emittenten das in sie gesetzte Vertrauen erfüllen. Denn bislang waren die Anbieter oftmals unreguliert – brechen sie zusammen, droht den Kunden der Totalverlust.Eine Einlagensicherung wie im Bankwesen gibt es nicht. “Die neue Regulierung wird daher den Anlegerschutz, aber auch das Vertrauen in die Emittenten stärken”, prognostiziert Sandner.