"Die Sitten im Bankgewerbe werden rauer"

Arbeitsrechtler moniert zum Teil fragwürdige Methoden bei der Umsetzung von Stellenabbauplänen - Banken weisen Kritik zurück

"Die Sitten im Bankgewerbe werden rauer"

Angesichts des zunehmenden Kostendrucks sind in der Finanzbranche bereits Tausende Stellen gestrichen worden. Während die Geldhäuser betonen, Wert auf Sozialverträglichkeit zu legen, berichtet der Anwalt Christoph Abeln von Zermürbungsstrategien und Mogelpaketen bei der Abfindung. Von Anna Sleegers, Frankfurt Während die Investoren schon das nächste große Sparprogramm einpreisen, müht sich die Deutsche Bank noch, den laufenden Stellenabbau umzusetzen. Vor dem Hintergrund des hohen Gehaltsniveaus sei es für das Institut offensichtlich sehr schwierig, langjährige Mitarbeiter zum Gehen zu bewegen, sagt der Frankfurter Arbeitsrechtler Christoph Abeln. “Wer es zur Deutschen Bank geschafft hat, verdient in der Regel so viel, dass er kaum mit einem gleichwertigen Angebot bei einem Wettbewerber rechnen kann.”Spätestens, wenn sie die 50 überschreiten und länger als 20 Jahre dabei sind, können Beschäftigte in Großunternehmen kaum gekündigt werden. Die Ursache dafür sind die im Kündigungsschutz vorgeschriebene Sozialauswahl und die große Zahl vergleichbarer Mitarbeiter. Um zu verhindern, dass die Kosten aus dem Ruder laufen, griffen insbesondere zwei deutsche Großbanken zunehmend zu fragwürdigen Methoden, sagt der Arbeitsrechtler. Viele der Führungskräfte aus der Finanzbranche, die er gegen seine Arbeitgeber vertritt, fühlten sich einer regelrechten Zermürbungstaktik ausgesetzt: “Ein beliebtes Mittel ist es, Mitarbeiter aus ihrem Aufgabenbereich herauszunehmen und in Projekten einzusetzen, deren Sinn sich nicht wirklich erschließt.”Gerade Mitarbeiter, die in der Vergangenheit viel Verantwortung übernommen haben, könne dies in die Verzweiflung treiben. “Diese Menschen identifizieren sich ja in der Regel mit ihrem Unternehmen und reagieren oft mit extrem belastenden Selbstzweifeln”, sagt er. Dabei übersähen sie es leicht, wenn ihr Arbeitgeber die Grenzen des Zulässigen überschreite.”Ein typisches Beispiel dafür ist die Führungskraft, die in ein Projekt ohne Personalverantwortung strafversetzt wird”, so Abeln. Eine solche Maßnahme werde vor keinem deutschen Arbeitsgericht standhalten, weil die Gleichwertigkeit der übertragenen Aufgaben nicht gegeben ist. “Gleichwohl kommen viele Betroffene gar nicht auf den Gedanken, sich dagegen zu wehren, weil sie leider zu vorsichtig oder teils auch zu gutgläubig sind.” Banken setzen auf Freiwillige Die Commerzbank, deren Strategie Commerzbank 4.0 insgesamt 9 600 Stellen zum Opfer fielen, weist die Vorwürfe zurück. Das Institut lege Wert darauf, den Abbau sozialverträglich zu gestalten, und setze primär auf freiwillige Maßnahmen, sagte ein Sprecher. So habe es etwa großen Zuspruch für das Altersteilzeitprogramm gegeben, das eine “Sprinterprämie” für Kurzentschlossene vorsieht. Das Programm “56plus” der Commerzbank basiert auf einem Aufhebungsvertrag mit Abfindung für ältere Arbeitnehmer.Auch die Deutsche Bank unterstreicht, dass es ihr wichtig ist, die Belastungen für die betroffenen Mitarbeiter entlang des verhandelten Interessenausgleichs abzufedern. In der Vergangenheit gelang ihr das wohl auch recht gut. So konnte der Abbau von rund 4 000 Stellen im Jahr 2016 und den folgenden Jahren nach Angaben einer Sprecherin ohne nennenswerte Zahl von arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen umgesetzt werden. “Die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten lag im mittleren zweistelligen Bereich”, ergänzte sie.Doch auch wenn die Mitbestimmungspflicht die großen Institute zwingt, die Modalitäten des Stellenabbaus vorab mit den Betriebsräten detailliert auszuhandeln, gingen die Banken zum Teil ruppig mit in ihren Augen überzähligen Mitarbeitern um. “Die Sitten im Bankgewerbe werden rauer”, sagt Abeln. So seien ihm Fälle bekannt, bei denen langjährige Mitarbeiter scheinbar großzügige Abfindungsangebote erhielten, die auch die Leistungen des Jobcenters in der Kalkulation des Trennungspakets beinhalteten. Echte Mogelpackungen, wie er findet.Die Kanzlei des Arbeitsrechtlers betreut unabhängig vom Einsatzort alle Mitarbeiter mit einem Vertrag nach deutschem Arbeitsrecht. Sofern sie zum Beispiel aufgrund einer Entsendung darüber hinaus auch Ansprüche nach britischem oder US-Arbeitsrecht haben, vertritt er diese in Kooperation mit entsprechenden Kanzleien aus dem angelsächsischen Raum.