LEITARTIKEL

Die spinnen, die Franzosen!

Die ganze Bankenwelt hat sich auf den Abschluss der Kapitalregeln für Basel III geeinigt. Die ganze Bankenwelt? Nein! Das von unbeugsamen Aufsehern bevölkerte Frankreich hört nicht auf, Widerstand zu leisten gegen einen Kompromiss, zu dem...

Die spinnen, die Franzosen!

Die ganze Bankenwelt hat sich auf den Abschluss der Kapitalregeln für Basel III geeinigt. Die ganze Bankenwelt? Nein! Das von unbeugsamen Aufsehern bevölkerte Frankreich hört nicht auf, Widerstand zu leisten gegen einen Kompromiss, zu dem mittlerweile auch die deutsche Finanzaufsicht bereit ist. Die spinnen, die Franzosen!Beim Abschluss der Basel-III-Kapitalregeln geht es nicht um Idiosynkrasien einzelner europäischer Großbanken, sondern um die Frage, ob in Zeiten einer Zunahme von Isolationismus und Nationalismus ein globaler Konsens noch möglich ist oder der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht auf unbestimmte Zeit erledigt sein wird. Dass ein Kompromiss während der Amtszeit von US-Präsident Trump in greifbare Nähe rücken würde, war nicht unbedingt zu erwarten.Der vom Baseler Ausschuss nun vorgelegte Vorschlag, Banken zur Berechnung des Eigenkapitalbedarfs interne Modelle nur mehr zu erlauben, wenn diese mindestens 72,5 % des nach Standardmethode ermittelten Volumens ergeben, liegt als Kompromiss brav in der Mitte der vermeintlichen Schmerzgrenzen beider Seiten. Die USA hätten lieber 75 % gesehen, Europa 70 %. Dennoch machen auch hierzulande gerade die größeren Banken Front insbesondere gegen Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret. Dabei ehrt es ihn, dass er, während die Banken auf Prozentpunkten herumreiten, sich ungeachtet des nahenden Endes seiner Amtszeit im April nicht, mit Blick auf etwaige künftige Jobs, vor den Karren der Branche spannen lässt, sondern den Blick fürs Wesentliche bewahrt. Da gilt noch immer die Maxime, dass Aufsicht den Interessen der Allgemeinheit und nicht jenen der Banken dient.Was passiert, wenn dies aus den Augen gerät, ließ sich vor zehn Jahren bei Ausbruch der Finanzkrise studieren, in deren Nachgang die internen Modelle der Banken erstmals kritisch unter die Lupe kamen. Und was mit diesen heute noch möglich ist, zeigen zwei Beispiele allein vom Donnerstag der abgelaufenen Woche. Da schießt die harte Kernkapitalquote der KfW nach einem Wechsel vom Standardansatz auf interne Modelle von 14,7 % per Ende 2016 auf 20,3 % per Ende September in die Höhe, und die Quote der Deutschen Pfandbriefbank sackt allein im dritten Quartal von 19,4 % auf 17,1 % ab, nachdem die EZB die Risikomodelle des Instituts kalibriert hat.Ja, auch hierzulande müssen große Banken infolge eines Floor von 72,5 % mit einem prozentual zweistelligen Anstieg des Eigenkapitalbedarfs rechnen. Dafür aber dürften sie zehn Jahre Übergangsfrist bekommen, bei deren Ablauf die Welt vermutlich schon die nächste Finanzkrise erlebt haben wird. Wer es in einem solchen Zeitraum nicht schafft, sein modellhaft kalkuliertes Eigenkapital im Verhältnis zum Standardansatz um zusätzlich 2,5 Punkte zu erhöhen, hat womöglich tatsächlich ernste Probleme.Zwar sind Europas Banken gegenüber US-Instituten im Nachteil, weil die Wettbewerber jenseits des Atlantiks ihren Eigenkapitalbedarf begrenzen können, indem sie Hypothekenkredite an die Förderinstitute Fannie Mae und Freddie Mac weiterreichen. Die Bankenaufsicht ist aber nicht das Feld, auf dem sich Unterschiede in der Struktur einzelner Bankensektoren wegregeln ließen. Der Europäischen Union steht es frei, mit der von ihr geplanten Kapitalmarktunion den Transfer von Krediten an den Kapitalmarkt zu fördern, wenn sie dies für richtig hält.Europa ist allerdings gut beraten sicherzustellen, dass die künftigen Kapitalregeln in den USA tatsächlich eingeführt werden, um es nicht abermals wie im Falle von Basel II zu erleben, dass die Vereinigten Staaten die Umsetzung eines von ihnen beschlossenen Regelwerks verweigern. Darüber hinaus gilt: Auch in Europa wird nichts so heiß gegessen, wie es in Basel gekocht wird. Die Umsetzung in EU-Recht gibt den Regulatoren zur Genüge Gelegenheit, etwa durch Ausübung von Optionen zur Verrechnung gegenläufiger Derivatepositionen großen Banken entgegenzukommen. Unterhalb der Ebene der Dickschiffe ist es unterdessen Zeit, mit der Proportionalität Ernst zu machen. Man muss ja nicht gleich so weit gehen wie die USA, wo Banken mit weniger als 500 Mill. Euro Bilanzsumme noch immer nach dem Kapitalstandard Basel I arbeiten, dafür aber auch 4 % ihrer Aktiva an Eigenkapital vorhalten müssen und nicht 3 % wie in der EU.Mit einer solchen Regulierung wäre der globale Konsens gewahrt. Und die Aufsicht würde großen und kleinen Banken gerecht, in Deutschland ebenso wie in Frankreich.——–Von Bernd NeubacherIn Basel geht es nicht um Eigenheiten einzelner Banken, sondern darum, ob ein globaler Konsens in Zeiten von Isolationismus überhaupt noch möglich ist.——-