"Die Vielfalt der Banken wird zerstört"
Von Michael Flämig, München Steuerung über ZahlenAn die Stelle des bisherigen qualitativen Austauschs mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Bundesbank trete eine Steuerung über Zahlen, beobachtet Lingel. Auf europäischer Ebene seien zudem die unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen wie Kommanditgesellschaft oder offene Handelsgesellschaft gar nicht beziehungsweise nicht hinreichend bekannt: “Es wird alles über einen Kamm geschoren.” Die EZB bestehe nicht nur auf den gleichen Prüfungsrahmen für kleine und große Kreditinstitute, hat Wolf beobachtet, sondern habe die Anforderungen an die kleineren Banken insgesamt erhöht: “Es müssen deutlich mehr Daten geliefert werden als früher.”Im Namen des Bayerischen Bankenverbands forderte Wolf zwei Zugeständnisse. Erstens müsse den Banken ausreichend Zeit gegeben werden, um sich auf die neuen Datenstandards einzustellen. Zweitens müssten die Institute Angaben bekommen, welche Daten einmalig und welche Informationen wiederholt abgefragt würden – um entscheiden zu können, welche Daten die EDV-Systeme dauerhaft zu liefern haben. Zweischneidiges SchwertDer Chef der Merkur Bank zweifelt grundsätzlich am Sinn der Tendenz, dass immer mehr Informationen von der Finanzbranche eingefordert werden. “Der enorme Aufwand ist nicht produktiv und schwächt damit indirekt die Banken”, erklärte Lingel. Damit erhöhe sich das Risiko für die Banken. Außerdem müssten kleine Institute die jeweiligen EDV-Prozesse auslagern. Die Dienstleister aber könnten die Heterogenität der verschiedenen Banken gar nicht mehr abbilden.Lingel kritisierte darüber hinaus, dass ein erhöhtes Eigenkapital verbreitet als Allheilmittel gegen künftige Finanzschocks gelte. Tatsächlich aber müssten Banken ja mehr für dieses Eigenkapital bezahlen, entsprechend einen höheren Gewinn erwirtschaften und deswegen rentablere Geschäfte mit einem inhärent höheren Risiko anstreben.Wolf und Lingel halten es einmütig für die beste Lösung, wenn die Aufsicht zwischen international tätigen Großbanken und regional aktiven Instituten unterschiede. “Eine derartige Grenze würde viele Probleme lösen”, zeigte Lingel sich überzeugt. Denn dann könnte die eher quantitativ getriebene Aufsicht durch die EZB sich auf die großen und die multinationalen Institute beschränken, während national – mit entsprechender europäischer Koordinierung – weiterhin von Bundesbank und BaFin vorwiegend qualitativ geprüft werde. Allerdings ist dem Duo klar, dass ein derartiges Ansinnen keine Umsetzungschancen hat. Bereits heute zeige sich die deutsche Politik unterstützungswillig in einzelnen Regulierungsfragen, so die Erfahrung von Lingel, könne sich aber nicht mehr durchsetzen, weil Kompetenz nach Brüssel abgewandert sei.Pragmatisch setzt der Bayerische Bankenverband daher an den Beratungen zum Kreditrisiko-Standardansatz an, der Teil von Basel III ist und bis Ende des Jahres überarbeitet werden soll. Die dortigen Regelungen hätten unmittelbar Einfluss auf die Mittelstandfinanzierung, sagte Wolf. Schließlich drohten einzelne Banken an die Grenzen ihrer Kreditvergabefähigkeit zu stoßen. Gewichtung des RisikosWolf und Lingel wenden sich vor allem gegen drei Änderungen – entsprechend einem Positionspapier, das der Bankenverband mit vier weiteren Institutionen verfasst hat: Bayerischer Handwerkstag, Bayerischer Industrie- und Handelskammertag, Genossenschaftsverband Bayern und Sparkassenverband Bayern.Erstens solle die Eigenkapitalunterlegung von Unternehmensfinanzierungen nicht wie geplant ausschließlich an Umsatz und Verschuldungsgrad des Darlehensnehmers orientiert werden, sondern das bisherige System durchschnittlicher Risikogewichte für Kredite ohne Ratings beibehalten werden. Wolf bricht darüber hinaus eine Lanze für externe Ratings: “Sie berücksichtigen den Gesamtkontext, während beispielsweise ein Verschuldungsgrad dies nicht tut.” Kreditlinien in GefahrZweitens wünschen die kleinen Banken, dass sie das reduzierte Risikogewicht von 75 % auf ihr Mengengeschäft breiter als geplant anwenden können. Einerseits sollten alle Mittelständler mit bis zu 250 Beschäftigten darunter fallen. Andererseits dürfe die zulässige Kredithöhe, auf die das reduzierte Risikogewicht angewendet werden solle, nicht infolge von Sonderregelungen für kleine Banken unter die Grenze von 1 Mill. Euro pro Darlehen fallen.Drittens zeigten sich Wolf und Lingel unzufrieden damit, dass nicht in Anspruch genommene Kreditlinien künftig mit Eigenkapital unterlegt werden sollen. “Der Mittelstand müsste dann für die Bereitstellung von Kreditlinien zahlen, oder die Linien müssten gekürzt werden”, erklärte Lingel.