Die vom Gold gebotene Versicherung hat ihren Preis

Weiterer Anstieg erscheint nur im Falle einer weitreichenden Finanz- und Wirtschaftskrise gerechtfertigt

Die vom Gold gebotene Versicherung hat ihren Preis

Gold glänzt wieder. Der Preis des gelben Edelmetalls stieg in diesem Jahr so stark wie seit 2011 nicht mehr. Grund hierfür ist die erneute Suche der Anleger nach einem sicheren Hafen. Gold profitiert, wenn die Wirtschaft schwächelt und die Aktienmärkte unter Druck geraten. So zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass Gold während der 15 größten Korrekturen des S & P 500-Aktienindex im Schnitt um etwa 4 % zulegen konnte. Dieser Blick sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht nur Anleger auf der Suche nach Sicherheit im Goldmarkt aktiv sind. Gleichermaßen wird Gold von Spekulanten beeinflusst. Deren Aktivitäten wirken trendverstärkend. Sie sorgen dafür, dass der Goldpreis in einem Bullenmarkt über- und in einem Bärenmarkt unterschießt.Solch ein Unterschießen war zum Jahreswechsel zu beobachten. Die Spekulanten setzten auf weiter fallende Goldpreise. Sie schrieben den Trend der letzten Jahre fort und wurden prompt auf dem falschen Fuß erwischt, als die Aktienmärkte weltweit aufgrund von Wachstumsängsten unter Druck gerieten. Zwar bewahrheiteten sich diese Ängste nicht, doch blieb das Wachstum schleppend, was die meisten Zentralbanken dazu veranlasste, an niedrigen oder gar negativen Zinsen festzuhalten. Gold und NegativzinsenNegativzinsen sind derzeit ein viel diskutiertes Thema im Goldmarkt. Sie haben dazu geführt, dass eine immer größere Anzahl von Anleihen negative Renditen aufweist. Dies steigert die Attraktivität von Gold, das keine Zinsen zahlt. Doch sollte das Edelmetall keinesfalls als direkter Ersatz für Anleihen gesehen werden. Einerseits liegt dies am höheren Risiko. Denn gemessen an der Volatilität war Gold in den letzten zehn Jahren nahezu ebenso risikoreich wie US-Aktien und damit mehr als doppelt so risikoreich wie sieben- bis zehnjährige US-Staatsanleihen. Andererseits ist zu beachten, dass Anleihen in einem Aktienportfolio viel bessere Diversifikationseigenschaften aufweisen als Gold. Die Korrelation zwischen Anleihen und Aktien ist im langfristigen Schnitt negativ, was eine entgegengesetzte Preisentwicklung impliziert. Dagegen ist die Korrelation zwischen Gold und Aktien im Schnitt null, was auf eine unabhängige Preisentwicklung hindeutet.Vor diesem Hintergrund sind wir der Meinung, dass Anleger nicht einzig und allein aufgrund von Negativzinsen von Anleihen in Gold wechseln werden. Wir glauben auch nicht, dass Negativzinsen an sich zu einer deutlich höheren Goldnachfrage führen werden. Vielmehr sehen wir Negativzinsen als ein bislang unerprobtes Mittel der Geldpolitik, dessen längerfristige Folgen nicht absehbar sind.Bei allen Diskussionen um Negativzinsen ist zu bedenken, dass der Goldpreis primär auf die Zinsentwicklung in den USA reagiert. Demzufolge haben in erster Linie die Erwartungen einer weiteren Verschiebung der Zinserhöhungen in den USA und nicht die Ausweitung der Negativzinsen in der Eurozone zur Erholung des Goldpreises beigetragen. Diese Erwartungen halten wir angesichts der guten wirtschaftlichen Entwicklung in den USA jedoch für überzogen. Negativzinsen sind in den USA noch lange nicht in Sicht. Stattdessen dürfte die US-Notenbank die Finanzmärkte auf die nächste Zinserhöhung vorbereiten, wenngleich diese wohl nicht mehr in diesem Jahr kommen wird. Während die Negativzinsen insgesamt betrachtet zur Unsicherheit auf den Finanzmärkten beitragen und damit den Goldpreis stützen, dürfte die US-Geldpolitik in den kommenden Monaten zu einer Belastung werden. Gold und der BrexitEin zweites viel diskutiertes Thema ist der Brexit. Die überraschende Zustimmung der Briten zum Verlassen der Europäischen Union hat die Finanzmärkte verunsichert und die Nachfrage der Anleger und Spekulanten nach Gold zusätzlich befeuert. Dies hat den Preisen weiteren Auftrieb gegeben. Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass politische Ereignisse in aller Regel keinen nachhaltigen Einfluss auf den Goldpreis haben. Vielmehr sorgen sie für eine kurzfristige Abweichung vom langfristigen Trend. Ein nachhaltiger Einfluss sollte sich nur im Falle einer weitreichenden Finanz- und Wirtschaftskrise einstellen. Danach sieht es aktuell aber nicht aus. Die europäischen Aktienmärkte konnten sich schnell vom Brexit-Schock erholen, ebenso wie die Renditen deutscher Bundesanleihen. Gleichzeitig gingen die Risikoaufschläge spanischer und italienischer Anleihen wieder zurück.Die Verunsicherung bleibt dennoch auf den Finanzmärkten bestehen und bietet damit – zumindest kurzfristig – eine gewisse Unterstützung für den Goldpreis. Jedoch scheint ein weiterer Anstieg inzwischen deutlich unwahrscheinlicher als noch vor einigen Wochen. Kostspielige VersicherungAngesichts der wirtschaftlichen und finanzmarktbezogenen Unsicherheiten erachten wir den diesjährigen Anstieg des Goldpreises als angemessen. Kurzfristig sehen wir ihn auf einem Niveau von 1 300 US-Dollar je Unze gut unterstützt. Einen weiteren Anstieg in Richtung von 1 400 US-Dollar je Unze und darüber hinaus halten wir allerdings nur im Falle einer weitreichenden Finanz- und Wirtschaftskrise für gerechtfertigt. Dann würde Gold seiner Funktion als Versicherung wieder gerecht werden. Aktuell hat diese Versicherung jedoch ihren Preis; nicht zuletzt aufgrund der sehr positiven Stimmung im Markt. Eine Normalisierung der Stimmung und nachlassende Unsicherheiten auf den Finanzmärkten sollten den Goldpreis mittel- bis langfristig wieder auf ein Niveau um 1 200 US-Dollar je Unze fallen lassen.—Carsten Menke Commodity Analyst, Bank Julius Bär&Co. Ltd., Zürich