Die Zahl der Finanz-Analphabeten nimmt zu
sto Frankfurt
Die Finanzkenntnisse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland haben sich als Folge der monatelangen Schulschließungen durch Corona auf ohnehin niedrigem Niveau noch einmal deutlich verschlechtert, und mehr denn je wünschen sich Wirtschaft als Unterrichtsfach an der Schule. Dies gehört zu den zentralen Erkenntnissen von zwei Studien, die zeitgleich am Montag veröffentlicht wurden.
In der aktuellen Ausgabe der regelmäßig stattfindenden Jugendstudie des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) zum Thema Wirtschafts- und Finanzbildung konnte noch nicht einmal jeder Dritte (32%) der befragten 14- bis 24-Jährigen korrekt die Frage beantworten, welche Rolle die Europäische Zentralbank hat. Bei der letzten Erhebung 2018 hätten immerhin noch 60% die richtige Antwort gewusst, wie auf einer virtuellen Pressekonferenz zu Wochenbeginn in Berlin erläutert wurde. Für die Studie waren im Juli 700 Personen im Alter von 14 bis 24 Jahren telefonisch befragt worden. Auch der Kenntnisstand zur Höhe der Inflationsrate verschlechterte sich demnach von 63 auf 56%. Lediglich das Wissen, was ein Investmentfonds ist, verbesserte sich leicht von 37 auf 41%. Das führt der BdB aber weniger auf schulische Wissensvermittlung als auf das steigende Interesse junger Menschen an Internet-Trading-Plattformen und zunehmende Informationen hierzu in Social-Media-Bereichen zurück, gibt es doch nur in Ausnahmefällen und in einer Minderheit von vier Bundesländern überhaupt ein Schulfach Wirtschaft.
Die Tatsache, dass 85% (vorherige Befragung: 79%) der 14- bis 24-Jährigen wissen, was ein Bitcoin ist, während nur 69 (79)% korrekt beschreiben können, was eine Aktie ist, ist für den BdB in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreich. Zumal dieses Wissen in einem krassen Widerspruch dazu stehe, dass junge Menschen eine sichere, private Altersvorsorge bräuchten, wie BdB-Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid unterstrich. Die Bildungslücken im Bereich von Wirtschaft und Finanzen seien alarmierend und zeigten deutlich, dass diese Themen einen höheren Stellenwert in den Lehrplänen erhalten müssten.
Angesichts des Fehlens eines Unterrichtsfachs Wirtschaft an den allermeisten Schulen verwundert es nicht, dass mehr als zwei Drittel der Befragten schilderten, sie hätten in der Schule in Sachen Wirtschaft „nicht so viel“ oder „so gut wie nichts“ gelernt. 77(65)% wünschen sich daher ein eigenes Unterrichtsfach hierzu, um besser auf das Leben vorbereitet zu sein.
Ähnlich der Tenor in einer Umfrage der Fondsgesellschaft Union Investment unter 2024 jungen Erwachsenen von 18 bis 29 Jahren, ebenfalls im Juli durchgeführt. Hier gaben die Befragten der Vermittlung von Wirtschaftswissen an den Schulen die Note „mangelhaft“ (Notenschnitt: 4,8) und bescheinigten sich selbst in puncto Finanzwissen die Note 3 bis 4. Und dies, obwohl die Studien- und Berufsanfänger sehr wohl wissen, wie wichtig Finanzbildung ist: Nach Gesundheit/Ernährung ist Geld/Finanzen für die jungen Erwachsenen das zweitwichtigste lebensrelevante Thema – mit deutlichem Abstand vor der drittgenannten Kategorie Technik/IT. Als besonders geeignete Form der Geldanlage, um Gewinne zu machen, betrachten die jungen Erwachsenen Aktien (61%) und Immobilien (59%). Kryptoinvestments kommen in dieser Erhebung nur auf 23%.
Frust über Corona-Politik
Eine große Mehrheit zeigt sich in der BdB-Erhebung sehr frustriert über die politischen Entscheidungen in der Coronakrise zu Schule, Universität und Freizeit. 85 % gaben an, dass die Politik „sehr wenig“ bis „wenig“ in der Pandemie für sie getan habe. 66% fühlen sich im Vergleich mit Älteren benachteiligt. 44% sehen ihre Zukunftschancen durch die Pandemie beeinträchtigt.
Wertberichtigt Seite 6