Im InterviewMarkus Kobler, Finanzvorstand der DWS

DWS liebäugelt mit Übernahmen in Asien

Die DWS hat Übernahmen in Asien im Blick. Um das zu stemmen, sei die Emission von bis zu 80 Millionen Aktien möglich, sagt CFO Markus Kobler im Interview der Börsen-Zeitung.

DWS liebäugelt mit Übernahmen in Asien

Im Interview: Markus Kobler

DWS liebäugelt mit Übernahmen in Asien

Finanzvorstand der DWS bringt Kapitalerhöhung ins Spiel, um etwaige Transaktionen zu stemmen.

jsc Frankfurt

Die Fondsgesellschaft DWS hat Übernahmen in Asien im Blick. Um das zu stemmen, sei die Emission von bis zu 80 Millionen Aktien möglich, sagt Finanzvorstand Markus Kobler im Interview der Börsen-Zeitung.

Herr Kobler, Fusionen sind in der Finanzbranche derzeit in aller Munde. Die DWS hat hingegen im Juni neben der regulären Dividende von 420 Mill. Euro zusätzlich eine Sonderdividende von 800 Mill. Euro ausgekehrt und hält damit weniger finanzielle Reserven für mögliche Übernahmen zurück. Passt das noch in die Zeit?

Die Sonderdividende ist die Einlösung eines Versprechens, das wir unseren Aktionären auf unserem Kapitalmarkttag 2022 gegeben haben. Unsere Fähigkeit zu möglichen Akquisitionen ist davon unbenommen. Auf der Hauptversammlung in diesem Jahr haben uns die Eigentümer die Möglichkeit eingeräumt, bis zu 80 Millionen neue Aktien zu emittieren. Wenn Sie das mit unserem Kurs verrechnen …

… entspricht das bei derzeit rund 38 Euro also insgesamt rund 3 Mrd. Euro.

Zusätzlich verfügen wir über ein „A2“-Rating von Moody’s, was uns in die Lage versetzt, Fremdkapital aufzunehmen. Wir sind also handlungsfähig.

Wo ergäben Übernahmen Sinn?

Unser mittelfristiger Anspruch ist, zu den Top 5 in den Top 5 zu gehören: Wir wollen also in den fünf größten Volkswirtschaften der Welt – in unserem Heimatmarkt Deutschland bzw. in Europa, in den USA, in China, in Japan und in Indien – zu den jeweils fünf größten internationalen Anbietern gehören. In Deutschland und Europa erreichen wir diese Position längst, in den USA können wir durch organisches Wachstum dieses Ziel erreichen.

Bleibt also Asien.

Genau, wir denken in der Region über strategische Projekte nach. Mit unserer starken Partnerschaft mit Nippon Life in Japan und unserem Anteil von 30% an Harvest Asset Management in China sind wir in der Region kein unbeschriebenes Blatt.

Was wäre dort vorstellbar?

Wir sprechen dann darüber, wenn es etwas zu berichten gibt.

Und wann wird das der Fall sein?

Zu einem Zeitpunkt kann ich nichts sagen. Es wird aber nicht heute und nicht morgen sein.

Die DWS bringt ein verwaltetes Vermögen von 933 Mrd. Euro auf die Waage. Ist die Gesellschaft für ein globales Unternehmen groß genug?

Größe ist für uns kein Selbstzweck. Grundsätzlich gibt es drei Gründe für Akquisitionen in unserer Industrie: erstens die Verbreiterung und Vertiefung des Vertriebs in einem Kernmarkt, zweitens die Skalierbarkeit des Geschäfts und drittens zusätzliche Investmentexpertise. Genau in dieser Reihenfolge priorisieren wir. Die Punkte zwei und drei, also Skalierbarkeit und Expertise, sind für uns aber weniger relevant.

Warum nicht?

Zur Expertise: Die DWS ist mit ihrem diversifizierten Geschäftsmodell bereits ein breit aufgestelltes Haus mit tiefem Know-how in allen relevanten Bereichen. Zur Skalierbarkeit: Eine Akquisition ergibt allein mit Blick auf die Skalierbarkeit nur Sinn, wenn sie substanzielle Kostensynergien ermöglicht – und zwar um etwa ein Drittel beim erworbenen Unternehmen, wie eine Faustregel besagt. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe. Die meisten Übernahmen scheitern daran.

Welche Hürden ergeben sich bei Fusionen?

Sie bringen hohe Opportunitätskosten mit sich: Das Management ist für mehrere Jahre gebunden. Damit schwindet die Aufmerksamkeit für andere Aufgaben, etwa für Kunden und Investmentperformance. Das sollte man im Hinterkopf behalten.

Das Segment passiver Anlagen, zu dem auch die ETF-Marke Xtrackers gehört, ist mit einem verwalteten Vermögen von 290 Mrd. Euro das mit Abstand größte Segment. Ist diese einseitige Ausrichtung nicht riskant?

Einspruch! Das kann ich so nicht erkennen. Wir sind gut diversifiziert, und wir werden es auch bleiben. Vergessen Sie nicht: Im langfristigen Active-Geschäft, zu dem die Segmente Active Equity, Active SQI, Active Fixed Income, Multi Assets gehören, verwalten wir mehr als 430 Mrd. Euro. Hinzu kommen noch einmal mehr als 100 Mrd. Euro verwaltetes Vermögen im Bereich Alternatives. Das zeigt: Die DWS hat ein starkes und breites Geschäftsmodell. Das ist auch ein Grund, weshalb ich vor einem Jahr zum Team gestoßen bin.

Während die DWS ihre Wachstumsziele im Passivsegment von durchschnittlich 12% pro Jahr von 2022 bis 2025 bislang übererfüllt, verfehlt sie das Ziel für alternative Anlagen von 10% pro Jahr deutlich.

Die beiden Segmente folgen einer unterschiedlichen Wachstumslogik. Im Passivgeschäft geht es auch darum, möglichst schnell mit neuen Themen vor der Konkurrenz am Markt zu sein. In den Bereichen im Alternatives-Segment, in denen wir zusätzlich wachsen wollen – also zum Beispiel Private Credit –  kommt es eher darauf an, einen Track Record aufzubauen. Das ist eine Aufgabe über viele Jahre hinweg.

Doch gerade hier hapert es. Die offenen Immobilienfonds der Reihe „Grundbesitz“ etwa zeigen auf Jahressicht negative Renditen.

Richtig ist: Zwei Drittel der Anlagen in unserem Alternatives-Segment entfallen auf Immobilien. Richtig ist auch: Dort hat das Zinsumfeld den Markt seit etwa sieben Quartalen unter Druck gesetzt. Mit den mittlerweile sinkenden Zinsen werden wir aber eine Recovery-Phase sehen. Wir erwarten, dass wir am Anfang eines längeren Marktzyklus stehen, was uns in den nächsten Jahren auch wieder Neugeschäft bringen wird.

Offene Immobilienfonds verzeichnen deutschlandweit seit etwa einem Jahr Abflüsse. Wie ist die Situation der DWS?

Für einen Großteil der angelegten Mittel gilt eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Die Abflüsse, die wir heute sehen, gehen also auf Kundenentscheidungen im vergangenen Jahr zurück. Seit Juli 2023 nehmen die Kündigungen durch Anleger, die Geld abziehen wollen, jedoch wieder ab – zunächst nur graduell, dann immer stärker.

Fallende Zinsen sind für die gesamte Branche ein Treiber. Die Notenbanken senken ihre Leitsätze, darunter Fed und EZB.

Wir sehen darin ein sehr positives Signal. Denn erstens scheint die Inflation weitgehend im Griff zu sein, was in jedem Fall gut ist. Zweitens steigen die Bewertungen über alle Titel hinweg, weil bei fallenden Zinsen auch der Diskontierungsfaktor sinkt, künftige Einnahmen also rechnerisch mehr wert sind.

Mit den Wertzuwächsen steigt absehbar das verwaltete Vermögen und damit die Ertragsbasis der DWS.

Das ist die Ausgangslage, mit der wir im Moment planen. Aber als vorsichtiger CFO muss man natürlich auch über andere Szenarien nachdenken und dafür bereit sein.

Dabei denken Sie vermutlich an die Kostendisziplin, die sich die DWS wiederholt verordnet hat.

Wenn wir die Kosten im Griff halten, können wir künftig eher aus einer Position der Stärke heraus agieren. Insgesamt sind wir diszipliniert, aber natürlich führt man manchmal robuste Diskussionen, in denen man häufig auch Nein sagen muss. Aber mit den kommunizierten Kostenzielen haben wir eine Leitplanke. Wir haben hervorgehoben, dass wir unsere Kostenbasis flach halten werden – ausgenommen Kosten, die sich aus einem über die Erwartungen starken Wachstum der Assets under Management ergeben würden. Was außergewöhnliche Kosten etwa für Transformation, Rechtsfälle oder Abfindungen angeht, erwarten wir für 2025 einen deutlichen Rückgang.

Die bereinigte Aufwand-Ertrag-Quote lag nach Ihrer Rechnung im ersten Halbjahr bei 63,9%. Die Kennziffer lag 2022 schon einmal niedriger. Für das Jahr 2025 streben Sie weniger als 59% an. Woher nehmen Sie den Optimismus, dass Sie dieses Ziel erreichen?

Die Kosten sind ja nur ein Teil der Gleichung. Der andere Teil sind die Einnahmen. Wir rechnen damit, dass die Einnahmen sich positiv entwickeln werden. Wir waren im vergangenen Jahr eines der stärksten organisch wachsenden Unternehmen – das wollen wir fortsetzen. Hinzu kommen die Performance Fees, von denen wir zusätzlich profitieren. Steigende Einnahmen bei zugleich stabilen Kosten führen dazu, dass die Aufwand-Ertrag-Quote sinkt.

Die Gebührenmargen sind in der Vergangenheit stetig gesunken. Im ersten Halbjahr liegen sie bei 26,3 Basispunkten. Wie werden sich die Margen künftig entwickeln?

Margendruck gibt es, seitdem es die Industrie gibt. Niemand kann sich entziehen. Wenn wir weiterhin nachhaltig gute Investmentperformance zeigen, können wir uns aber mit Benchmarks und Konkurrenzprodukten messen. Zudem wollen wir innovative Produktlösungen schaffen. Damit können wir dem Trend etwas entgegensetzen.

Aber wenn das traditionell margenschwache passive Segment stärker zulegt als die übrigen Fondssegmente, dürften die Margen damit auch künftig weiter unter Druck stehen. 

Das ist richtig. Und ich sage auch nicht, dass unsere Gebührenmarge plötzlich wieder steigen wird. Für uns zählt aber, ob die Grenzeinnahmen höher sind als die Grenzkosten, ob wir also mit neu eingeworbenen Mitteln etwas verdienen.

CEO Stefan Hoops hatte in einer Telekonferenz mit Analysten eine schrumpfende Bedeutung der Fondsbranche skizziert. Assetmanager bieten demnach Produkte als Bausteine an, die dann von digitalen Drittanbietern verwendet werden. Warum ist die DWS so pessimistisch?

Darin sehe ich überhaupt keinen Pessimismus, sondern eine nüchterne Analyse, nach der wir unsere Handlungen ausrichten. Es ist doch besser, einen Branchentrend aktiv anzugehen, als von ihm getrieben zu werden.

Wie lautet also Ihre Strategie?

Wir gehen die Digitalisierung dabei in verschiedenen Bereichen an: Im Produktbereich haben wir im Frühjahr mit Galaxy Digital Holdings zwei börsengehandelte Produkte aufgelegt, die den Kurs der Kryptowährungen Bitcoin und Ethereum abbilden. Unser Joint Venture Allunity arbeitet daran, im Laufe des kommenden Jahres einen vollständig besicherten und regulierten Euro-Stablecoin zu lancieren. Im Vertrieb der ETF-Marke Xtrackers wiederum setzen wir heute bereits rund ein Drittel unserer Produkte über digitale Kanäle ab. Dazu zählen etwa Neobanken, Plattformen oder das diskretionäre Portfoliomanagement anderer Anbieter. Unser Anspruch ist es, bevorzugter Partner dieser Anbieter zu sein.

Apropos bevorzugter Partner: Die Bundesregierung plant eine Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge – sei es, indem sie in der ersten Säule der Rentenversicherung ein Kapitalpolster aufbaut, sei es, indem sie die Riester-Rente reformiert und ein neues staatlich gefördertes privates Produkt schafft. Was erhofft sich die DWS?

Es ist aus unserer Sicht wichtig, das Thema möglichst rasch und vor allem konsequent anzugehen. Die letzten Babyboomer, die um das Jahr 2030 in den Ruhestand treten, hätten nichts von einer Reform, wenn wir jetzt Zeit verlieren – und für die nachfolgenden Generationen würde es langwieriger und teurer. Unser Anspruch als Anbieter muss lauten, dass wir für alle drei Säulen der Altersvorsorge – im Kapitalaufbau in der gesetzlichen Rente, in der betrieblichen und in der privaten Altersvorsorge – gute Lösungen parat haben.

Die nachhaltige Geldanlage erfährt momentan weniger Aufmerksamkeit. Die Branche legt weniger Produkte auf, und die Nettomittelzuflüsse sind überschaubar. Welche Bilanz zieht die DWS?

Wir haben diesem Trend widerstanden und allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres Nettomittelzuflüsse in Höhe von 1,2 Mrd. Euro in ESG-Fonds verzeichnet, vor allem in passiven Fonds. Das Interesse der Kunden hat nicht grundsätzlich nachgelassen, allerdings hat sich wegen der hohen Zinsen und hoher Unsicherheit die Aufmerksamkeit verlagert.

Im Mai 2022 haben Staatsanwaltschaft, BaFin und Bundespolizei die Räume der DWS durchsucht, um dem Verdacht auf Falschangaben zur nachhaltigen Geldanlage nachzugehen. Bis heute liegt keine Anklage vor, die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aber auch nicht offiziell abgeschlossen. Wie lange noch?

Wir führen nach wie vor Gespräche mit der Staatsanwaltschaft in Frankfurt, um das Verfahren abzuschließen. Und das Thema hat nach wie vor höchste Aufmerksamkeit im Management. Der Zeitpunkt der Beendigung liegt nicht in unseren Händen, und ein Ergebnis steht noch nicht fest.


Zur Person

Die Börse war gnädig mit Markus Kobler: Als die DWS im August 2023 erklärte, den damaligen Chief Financial Officer der Rivalin Allianz Global Investors abzuwerben, gab der Aktienkurs der Fondsgesellschaft in einem schwierigen Gesamtmarkt um moderate 0,4% nach. Mit Kobler traf die DWS offenbar eine solide, wenn auch keine überraschende Wahl. Im Mai 2023 hatte die Ankündigung des Abgangs der damaligen Finanzchefin Claire Peel noch zu einem Kurssturz von 4,4% geführt. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler, der über die deutsche, britische und schweizerische Staatsbürgerschaft verfügt, nimmt seine Aufgabe von seiner Wahlheimat London aus wahr.


Das Interview führte Jan Schrader.