DZ Bank macht Ernst mit Sustainable Finance
Von Bernd Neubacher, Frankfurt
Die DZBank institutionalisiert ihre Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit. Wie Tariq Noori, Leiter der Abteilung Konzernstrategie, der Börsen-Zeitung sagt, hat das Institut in den vergangenen Monaten jedes einzelne Engagement im 64 Mrd. Euro schweren Kreditportfolio der AG anhand der 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung analysiert und jeder Forderung einen entsprechenden Positiv- bzw. Negativwert zugeordnet. Nun will sie dieses Verfahren sukzessive auf den gesamten Konzern sowie dessen Töchter ausdehnen.
Chefsache
Diese Verankerung im Kerngeschäft äußert sich auch darin, dass die Verantwortung für Nachhaltigkeitsfragen, jahrelang der Kommunikation zugeordnet, auf den von Noori geführten Geschäftsbereich übergangen ist. „Wir haben die Entscheidungsträger hinter uns und schon lange geeignete Gremienstrukturen etabliert“, deutet Noori auch mit Blick auf die beiden Co-Chefs Uwe Fröhlich und Cornelius Riese an, dass die Angelegenheit damit einen anderen Stellenwert bekommen hat. Das genossenschaftliche Spitzeninstitut spiegelt damit im Prinzip das Prozedere bei der Deutschen Bank, in deren Nachhaltigkeitsrat Konzernchef Christian Sewing gleich höchstselbst den Vorsitz übernommen hat.
Allerorten bemühen sich Kreditinstitute auch angesichts regulatorischer Vorgaben wie der am 10. März in Kraft tretenden Offenlegungsverordnung, Belange der Nachhaltigkeit von auf Außenwirkung bedachten Geschäftsbereichen in ihren Maschinenraum zu verlagern. Zwar bemühte sich die Bank auch schon zuvor um Nachhaltigkeit.
Ausstoß halbiert
So hat die AG in den vergangenen Jahren ihren CO2-Ausstoß eigenen Angaben zufolge um mehr als die Hälfte reduziert. Eine Nachhaltigkeitsprüfung von Krediten führte sie schon 2009 ein, und 2017 schloss sie neue Projektfinanzierungen für Kohlekraftwerke aus. Richtig ernst aber wird es erst jetzt, erlaubt die Analyse des Kreditportfolios es doch, die Folgen der Kreditvergabe unter ESG-Aspekten empirisch zu erfassen. Hinzu kommt: Ihr Verfahren kann die DZBank AG nicht nur konzernweit einführen, sondern überdies auch den bundesweit rund 800 Primärinstituten zur Verfügung stellen.
Mit ihren Anstrengungen ist die DZBank beileibe nicht die erste im Sektor. Die Commerzbank etwa trat schon im September vergangenen Jahres der Science-Based-Targets-Initiative (SBTi) bei, deren Ansatz es ihr ermöglichen soll, den Kohlendioxid-Ausstoß ihrer Kreditkunden je nach Sektor zu berechnen und auch zu steuern. Generell gehen die Genossen im Kreditsektor mit Nachhaltigkeitsinitiativen bislang nicht vorneweg. So haben die Sparkassen im Dezember eine Selbstverpflichtung für klimafreundliches und nachhaltiges Wirtschaften präsentiert.
Es hapert oft an Daten
Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) teilte Ende Januar weitaus vager mit, die Finanzgruppe unterstütze die Nachhaltigkeitsentwicklungsziele der Vereinten Nationen. Eigenen Angaben zufolge hat der Verband „umfangreiche Unterstützungsleistungen für seine Mitglieder erarbeitet“, welche diese dazu befähigen, „eigenverantwortlich ein Nachhaltigkeitsmanagement in ihren Häusern umzusetzen“. Den Genossen fällt der Wandel schwerer als Banken andernorts. Dies liegt am Apparat: Nicht nur die Kreditinstitute im Verbund sind in der Regel kleiner als Sparkassen und private Großbanken, auch ihre Unternehmenskunden haben nicht die Größe wie etwa bei der Deutschen Bank.
Wie Noori zu bedenken gibt, ist es selbst der DZBank bei Analyse ihres Kreditportfolios zum Beispiel nicht möglich, wie international tätige Banken großteils auf Nachhaltigkeitsdaten von Dienstleistern wie Sustainalytics oder MSCI zurückzugreifen, da diese kleineren Unternehmen nicht abdecken. Entsprechend erfreut zeigt sich der Manager darüber, dass es der DZBank künftig möglich sein wird, das Kreditgeschäft unter Nachhaltigkeitsaspekten abzubilden.
Dazu hat die Bank ihre Forderungen 85 verschiedenen Sektoren zugeordnet und an den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen gemessen. „Wir haben festgestellt, dass sich am Markt nichts findet, aus dem sich eine geeignete Klassifikation für unser Kreditgeschäft ergibt. Daher haben wir sie selbst entwickelt“, sagt er. Die Analyse des Kreditportfolios hat 15 bis 20 Mitarbeiter aus dem zentralen Nachhaltigkeitsteam, der Markt- und Unternehmenssteuerungsbereiche sowie externe Dienstleister gebunden. Dies dürfte mit einem hohen sechsstelligen Betrag zu Buche geschlagen haben. In ihrer Analyse gewichtete die Bank dabei die drei Buchstaben des Kürzels ESG (Environmental, Social, Governance) jeweils gleich stark – Umweltaspekte hatten keinen Vorrang, nur weil die Regulierung sich zunächst auf diesen Faktor fokussiert.
Automatisierung läuft an
„Wir fangen an, jetzt in die Automatisierung zu gehen“, sagt Noori. Das Regelwerk werde nun für den Vertrieb aufbereitet, damit die Mitarbeiter dort wüssten, welche Fragen sie Kunden stellen müssten, um diese klassifizieren zu können. Schließlich fordert die Regulierung auf Sicht, dass Banken die Umwelteffekte ihrer Portfolien messen und offenlegen können. Dass Mitarbeiter sich schwertun könnten, diese Informationen zu erheben, weil Kunden damit hinter dem Berg halten oder ihrerseits nicht darüber verfügen könnten, glaubt Noori nicht: „Die Erfahrung zeigt: Wenn wir die richtigen Fragen stellen, dann bekommen wir auch die Daten.“ Sollten diese nicht vorliegen, richte man sich nach den Einstufungen des jeweiligen Sektors.
Ist die Kategorisierung im Kreditgeschäft umgesetzt, will die Bank diese auf ihre Eigenanlagen anwenden. Die Klassifikation gehe nun ins Innovation Lab der Bank, berichtet Noori. Auch das Treasury und das Kapitalmarktgeschäft wollten versuchen, die Klassifikation zu verwenden.
Projekt CO2-Bilanzierung
Es liegt auf der Hand, dass positive Werte in der Analyse im Kreditgeschäft Überlegungen verstärken werden, wie die Bank in diesem Segment mehr Kredite vergeben könnte, und negative Kennziffern zugleich die Frage aufwerfen, ob bzw. wie sie auf einen Wandel des Schuldners hin zu mehr Nachhaltigkeit hinwirken könne. „Wir haben damit auch eine geeignete Entscheidungsgrundlage, wie wir uns gegenüber Einzelbranchen positionieren“, sagt Noori. „Für uns ist es wichtig, ein inhaltliches Fundament zu bekommen, um mit Kunden zu diskutieren.“ Chancen für vermehrte Finanzierungen sieht er unter anderem im Feld nachhaltiger Versicherungen.
Als Königsdisziplin betrachtet er die auch von der Commerzbank angestrebte CO2-Bilanzierung. Dieses Steuerungsinstrument legt dar, welche Emissionen ein Sektor in einem Kreditportfolio ausstößt, und erlaubt es zudem darzulegen, wie stark dieses zur Erderwärmung beiträgt. Dieses Vorhaben will Noori mit externer Hilfe im laufenden Jahr angehen. Seine Umsetzung dürfte ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen.