GASTBEITRAG

EBA-Entscheidung ist Chance für Korrektur eines Fehlers

Börsen-Zeitung, 9.12.2017 Nach der Entscheidung des Europäischen Rats, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA nach Paris und nicht nach Frankfurt zu verlagern, herrscht am hiesigen Finanzplatz Katzenjammer. Eine Chance, die Aufsicht und die...

EBA-Entscheidung ist Chance für Korrektur eines Fehlers

Nach der Entscheidung des Europäischen Rats, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA nach Paris und nicht nach Frankfurt zu verlagern, herrscht am hiesigen Finanzplatz Katzenjammer. Eine Chance, die Aufsicht und die Regulierung der europäischen Banken in Frankfurt zusammenzufassen, sei vertan worden. Gut so – denn Aufsicht und Geldpolitik gehören gar nicht zusammen!Zugegeben: Die Ansiedlung der EBA in Paris ändert zunächst nichts an der Architektur der europäischen Bankenaufsicht. Sie sollte aber für eine Revision eines systemwidrigen Zustands genutzt werden. Das wäre die eigentliche Herausforderung für den “Finanzplatz Europa”, dessen Stärkung im Wettbewerb der nationalen Finanzplätze um das Erbe Londons in den Hintergrund gerät. EZB hat das SagenSeit drei Jahren ist nun die EZB das Kraftzentrum für die Aufsicht der Banken der Eurozone, die EBA nur nachgelagerte Agentur zur Durchführung von Stresstests und Ausarbeitung von Rule Books für alle Banken in der Union. In der EZB – und nicht in der EBA – wird entschieden, welche Banken in der Eurozone zugelassen werden, mit welchen Eigenkapitalquoten sie etwaige Risiken absichern müssen, wie sie vor Ort geprüft werden, ob sie Beteiligungen erwerben oder veräußern dürfen und, schließlich, ob und wann sie abgewickelt werden.In der EZB wird aber auch entschieden, ob das Anleihenankaufprogramm auf Unternehmensanleihen – darunter auch Banken – ausgeweitet wird und welche Häuser dafür in Frage kommen. Ebenso entscheidet die EZB über die Höhe der Zinsen, die Banken für ihre Einlagen bei der Zentralbank bekommen – beziehungsweise derzeit bezahlen müssen. Nicht zu vergessen die vornehmste Rolle der Zentralbank: die Festlegung der Leitzinsen. Gegenläufige InteressenWährend also die Aufsicht eine möglichst konservative Kapitalausstattung der Banken im Blick hat, ist die Geldpolitik daran interessiert, dass dieselben Banken ihre Kreditvergabe ausweiten. Während die Aufsicht die Bereinigung des Marktes von maroden Banken eigentlich begrüßen müsste, stützt der Ankauf von Anleihen am Ende auch solche Häuser. Während die Zentralbanken für die Liquiditätsversorgung der Geschäftsbanken auch in Notfällen zuständig sind (Emergency Liquidity Assistance, ELA), könnte es sich aus Sicht der Aufsicht dabei um Insolvenzverschleppung handeln. Und während die EZB mit Zinssenkungen die Wirtschaft ankurbeln will, beeinflusst sie die Ertragslage der Banken, denen sie in ihrer Funktion als Aufseher profitable Geschäftsmodelle empfiehlt.Das sind nur die offensichtlichsten Interessenkonflikte. Hinzu kommt, dass die EZB ihren Einfluss über die 120 direkt beaufsichtigten systemisch relevanten Kreditinstitute hinaus auch auf die indirekt beaufsichtigten, für die Finanzstabilität “nicht signifikanten” Kreditinstitute zunehmend ausweitet. Umfassende Meldevorschriften auch für kleinere Häuser zeigen den Weg in Richtung Aufsichtszentralismus, der sowohl zulasten der nationalen Behörden als auch der Vielfältigkeit der Geschäftsmodelle in der Branche geht.Gemanagt werden sollen diese Interessenkonflikte dadurch, dass im Alltag die Mitarbeiter im Single Supervisory Mechanism (SSM) von den Zentralbankern organisatorisch getrennt wurden: Mitarbeiter der Bankenaufsicht dürfen keine geldpolitischen Funktionen ausüben und stehen in separaten Berichts- und Weisungsketten. Ihr oberstes Aufsichtsgremium, der Supervisory Board, muss allerdings sämtliche Entscheidungen dem Rat der EZB zuleiten, da den EU-Verträgen zufolge nur dieser überhaupt entscheidungsbefugt ist. In der Praxis führt dies dazu, dass ein- und derselbe EZB-Rat – wenn auch in verschiedenen Sitzungen – pro Jahr sowohl mehrere tausend bankaufsichtliche Entscheidungen trifft als auch die Geldpolitik der Eurozone bestimmt. Zweifel an “Chinese Wall”Ob diese Vorkehrungen wirklich genügen, eine wirksame “Chinese Wall” zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht zu errichten, hat auch der Europäische Rechnungshof in einem kürzlich veröffentlichten Bericht in Frage gestellt. Rechenschaftspflichtig ist die EZB dem Rechnungshof aber nur insoweit, als sie die Aufsicht ausübt. Für den Bereich Geldpolitik wurde ihr bei der Gründung vollständige Unabhängigkeit zugesichert. Weder das Europäische Parlament noch andere EU-Institutionen haben das Recht, direkt die Entscheidungen des EZB-Rats zu beeinflussen. Dieses “Gen” ist die dominante Information in der DNA der EZB. Gezeigt hat sich das zuletzt in der Weigerung der EZB, dem Rechnungshof umfassende Akteneinsicht zu gewähren.Das ist auch richtig so. Denn es gilt penibel darauf zu achten, dass nicht die Kontrolle in einem Bereich zulasten der Unabhängigkeit des anderen geht. Wenn der Rechnungshof prüft und die politischen Kontrollinstanzen Einsicht verlangen, lässt sich das nicht immer trennscharf auf die Aufsichtsfunktion begrenzen. Schließlich wird intern auch zwischen verschiedenen Abteilungen kooperiert; das Synergieargument wurde bei der Übertragung der Aufsicht an die EZB auch immer wieder genannt.Umgekehrt wäre es auch fatal, wenn die hoheitlichen Eingriffe in das privatwirtschaftlich organisierte Bankensystem wirksamer rechtsstaatlicher Überprüfung entzogen wären und die (nationalen) fiskalischen Implikationen aufsichtsrechtlicher (europäischer) Interventionen ohne ausreichende demokratische Rückkoppelung blieben. Immerhin hat die Stimme, die im EZB-Rat eine halbe Million Malteser vertritt, das gleiche Gewicht wie jene, die für 80 Millionen Deutsche oder für 67 Millionen Franzosen spricht. Dilemma bleibtEs bleibt also das Dilemma: Je mehr Aufgaben die EZB außerhalb ihres Mandats der Preisstabilität übernimmt, umso weniger lässt sich die Abwesenheit demokratischer Kontrolle rechtfertigen. Die Lösung wäre eine echte institutionelle Trennung von Bankenaufsicht und Geldpolitik. Das Argument der Sachkunde und der Synergieeffekte würde auch gelten, wenn man die Aufsicht in der EBA konzentrieren würde. Eine Behörde wie die EBA könnte in ihrer Governance den Subsidiaritätsgedanken stärker widerspiegeln und die europäische Finanzaufsicht wieder stärker am Prinzip der Verhältnismäßigkeit ausrichten. Nationale Aufsichtsbehörden könnten sich stärker beteiligen und mehr Ermessensspielräume bei der Umsetzung neuer Standards erhalten, um der Vielfalt europäischer Finanzsektoren besser Rechnung zu tragen. Die Kontrolle der aufsichtlichen Tätigkeit durch Parlament und Rechnungshof würde nicht mehr an der Unabhängigkeit der EZB kratzen. Weitreichende NeuordnungEine derart weitreichende Korrektur des SSM nur fünf Jahre nach seiner Verabschiedung ist ein Kraftakt, gleichwohl halte ich eine Neuordnung für systemisch geboten. Vielleicht lässt sie sich eher bewerkstelligen, wenn die EBA nicht im unmittelbaren Umfeld der EZB in Frankfurt sitzt.—-Stefan Bielmeier, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbands DVFA