"Ein fundamentaler Konflikt in Europa"
Für die Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken stehen das noch erfreuliche wirtschaftliche Umfeld und die sehr solide Lage der Institute in scharfem Kontrast zu den durch politische Unsicherheiten eingetrübten Perspektiven: zunehmender Protektionismus, das Italien-Risiko, hohe Staatsverschuldung. ski Frankfurt – Die Volks- und Raiffeisenbanken warnen vor den Risiken, die von hohen Beständen an Staatsanleihen insbesondere des eigenen Landes in den Bilanzen europäischer Banken ausgehen. Dieser Bestand lag in Deutschland, einschließlich der meist an Kommunen ausgereichten Buchkredite an die öffentliche Hand, im ersten Quartal bei 6,4 % der Bilanzsumme der hiesigen Banken (vgl. Grafik). Wollten etwa die italienischen Banken ihren Anteil an Forderungen gegenüber der italienischen öffentlichen Hand auf das deutsche Niveau senken, das nah am Durchschnitt des Euroraums liege, müssten sie ihren Bestand an Anleihen und Krediten um gut 370 Mrd. Euro senken, sagte die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak, am Mittwoch vor der Presse. Noch sehr viel zu tunDaher sei es so wichtig, Risiken von Staatsanleihen in den Bankbilanzen stärker zu berücksichtigen. Geschehen könnte dies – abhängig von der Bonität der jeweiligen Staaten – durch eine quantitative Obergrenze und eine im Start maßvolle Eigenkapitalunterlegung, die beim Überschreiten bestimmter Schwellenwerte greifen würde. Nötig seien ausreichende Übergangszeiträume. Mit Blick auf die Diskussion über die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung in Europa übte Kolak in diesem Zusammenhang Kritik am italienischen Wirtschaftsminister Giovanni Tria wie auch an EZB-Präsident Mario Draghi und konstatierte “einen fundamentalen Konflikt in Europa” in puncto Risikoabbau. Sie verwies auf eine Aussage Trias zur Bankenunion, wonach Risikoteilung nicht daran geknüpft werden dürfe, dass Risiken zuvor abgebaut werden. Auch Draghi sehe laut jüngsten Äußerungen im Europäischen Parlament Risikoteilung bereits als eine deutliche Hilfe zur weiteren Risikoreduzierung. Tatsächlich seien aber zunächst die Banken der einzelnen betroffenen Länder in der Pflicht, die Risiken in ihren Bilanzen abzubauen, betonte Kolak. “Da ist noch sehr viel zu tun.” Auch die Letztsicherung des Bankenabwicklungsfonds durch einen weiterentwickelten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) dürfe erst nach ausreichender Risikoreduzierung aktiviert werden.BVR-Vorstandsmitglied Gerhard Hofmann merkte zu diesem Thema an, eine Transferunion im Bereich der Einlagensicherung mit zu erwartenden Gewinnern und Verlierern wäre kein Gewinn für Europa, sondern würde neue Auseinandersetzungen und Streit zwischen EU-Mitgliedstaaten bedeuten. Er begrüßte es als “richtig und politisch klug”, dass der von der EU-Kommission, der EZB und manchen Ländern gewünschte Einstieg in eine europäische Einlagensicherung beim Treffen der Staats- und Regierungschefs Ende Juni nicht zur Beschlussfassung gestellt worden sei. Systemrisiko ItalienUngeachtet der hierzulande noch robusten Konjunktur und der sehr soliden Lage der genossenschaftlichen Finanzgruppe weist der BVR auf steigende Wachstumsrisiken hin. Die größte Gefahr liege insoweit im zunehmenden Protektionismus. “Wir sind bereits mittendrin im Handelskrieg”, meinte Kolak. Klar sei, dass die US-Zölle auf Aluminium und Stahl sowie möglicherweise bald auch auf weitere Gütergruppen zusammen mit den beschlossenen und unvermeidlichen Gegenmaßnahmen das Weltwirtschaftswachstum spürbar dämpfen könnten. Ein anderer Unsicherheitsfaktor sei der wirtschaftspolitische Kurs in Italien. “Italien hat für die Eurozone quasi systemische Bedeutung”, sagte sie und wies neben den Risiken im Bankensektor auf die hohe Staatsverschuldung hin. Was die Überarbeitung der europäischen Bankenregulierung (CRR II und CRD V) angeht, berichtete Hofmann, dass auf Basis der von Parlament und Rat angestrebten Erleichterungen für Banken unter 5 Mrd. Euro Bilanzsumme 892 der 915 Genossenschaftsbanken von vereinfachten Berichtspflichten profitieren könnten. Dies sei keine große Reform, die alle Wünsche nach administrativer Entlastung erfüllen werde, wohl aber ein wichtiger Einstieg, Bankenregeln differenzierter zu gestalten und darin Proportionalität besser als bisher zu verankern.Der Europaabgeordnete und zuständige Berichterstatter Peter Simon habe einen bemerkenswerten neuen Ansatz eingebracht, so Hofmann weiter. Demnach solle die EU-Bankenregulierungsbehörde EBA aufgefordert werden zu untersuchen, wie die Kosten der begünstigten Institute durch einen geringeren Umfang von Berichtspflichten und eine geringere Granularität der zu liefernden Daten gegenüber vollumfänglichen Berichtspflichten um 20 % gesenkt werden können. Eine solche quantitative Vorgabe habe es noch nie gegeben, umso mehr sei Simons Ansatz zu begrüßen.Der BVR legte am Mittwoch den konsolidierten Jahresabschluss der genossenschaftlichen Finanzgruppe vor (vgl. Tabelle). Dieser umfasst die Ergebnisse der 915 Volks- und Raiffeisenbanken, Sparda-Banken, PSD Banken und weiterer Spezialinstitute sowie des Zentralinstituts DZ Bank und der Verbundunternehmen wie Schwäbisch Hall, Union Investment oder VR Smart Finanz (früher VR Leasing) mit ihren insgesamt 177 248 Beschäftigten (-2,5 %). Das Zahlenwerk zeigt, dass den Null- und Negativzinsen einmal mehr standgehalten wurde: Zinsüberschuss dank Volumenwachstum fast gehalten, Provisionsergebnis deutlich rauf, Kosten runter. Der um 3 % auf 6,1 Mrd. Euro gestiegene Jahresüberschuss wurde laut BVR-Vorstandsmitglied Andreas Martin überwiegend thesauriert. Das bilanzielle Eigenkapital durchbrach die “Schallmauer” von 100 Mrd. Euro (+6 %). An die 18,5 Millionen Mitglieder der Genossenschaftsbanken sei eine Dividende von durchschnittlich 4,1 % ausgeschüttet worden.