VON DER IWF-JAHRESTAGUNG - IM GESPRÄCH: ANDREAS DOMBRET

"Ein guter Kompromiss tut beiden Seiten etwas weh"

Der Bundesbankvorstand weist Kritik an bevorstehendem Basel-III-Deal zurück - Keine Überbelastung europäischer Banken - NPL-Problem endlich lösen

"Ein guter Kompromiss tut beiden Seiten etwas weh"

Die deutschen Banken schlagen Alarm wegen eines sich abzeichnenden Kompromisses bei Basel III. Bundesbankvorstand Andreas Dombret findet das übertrieben. Zugleich verteidigt er das EZB-Vorgehen bei faulen Krediten und macht sich über den Klimawandel als Thema für die Aufsicht Gedanken.Von Mark Schrörs, zzt. WashingtonBundesbankvorstand Andreas Dombret hat die Kritik deutscher und europäischer Banken an einem sich abzeichnenden Kompromiss zu den globalen Bankenregeln (Basel III) zurückgewiesen. Dombret, der im Bundesbankvorstand für Bankenaufsicht zuständig ist, widersprach im Gespräch mit der Börsen-Zeitung Vorwürfen, der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht breche sein Versprechen, dass es keinen erheblichen zusätzlichen Kapitalbedarf für die Banken geben dürfe. Zugleich konterte er Sorgen vor einer Überbelastung europäischer Banken, die durchaus negative Folgen für die Kreditvergabe haben könnte. Einigung steht kurz bevorNach jahrelangem Streit zwischen Europa und den USA steuert der Baseler Ausschuss auf eine Einigung zum Abschluss von Basel III zu, nachdem sich beide Seiten in der besonders umstrittenen Frage des so genannten Output Floors wohl auf einen Kompromiss verständigt haben. Wie zu hören ist, soll der mit Hilfe interner Modelle berechnete Eigenkapitalbedarf von Banken mindestens 72,5 % des per Standardansatz ermittelten Bedarfs entsprechen müssen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte am Rande des G 20-Treffens am Wochenende in Washington gesagt, er rechne “in nächster Zeit” mit einer Einigung. Widerstand kaum zuletzt laut Insidern noch vor allem aus Frankreich.Aber auch die deutschen Banken und vor allem die Bankenverbände sind auf den Barrikaden. Am Rande der Jahrestagung der Weltbankenlobby IIF und des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Wochenende in Washington untermauerten die Interessenvertreter aller drei Säulen ihre Kritik. Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon warnte, die Kapitalbelastungen der meisten europäischen Banken würden “erheblich steigen”. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) warnte vor einem “faulen Kompromiss”. BdB-Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer sagte, der Baseler Ausschuss breche die Zusage, dass der Kapitalbedarf “nicht signifikant” steigen dürfe. “Kein Wunschergebnis”Dombret, der im Baseler Ausschuss sitzt, wies solche Kritik entschieden zurück. “Die Zusage, dass es keinen signifikanten Anstieg geben soll, bezieht sich auf die Gesamtschau”, sagte Dombret im Gespräch mit der Börsen-Zeitung in Washington. Zu den Details einer möglichen Einigung wollte er sich nicht äußern. Er trat aber Befürchtungen entgegen, dass Europas Banken über Gebühr belastet und gegenüber den US-Banken benachteiligt würden.Dombret räumte ein, dass ein möglicher Kompromiss “nicht mein Wunschergebnis” darstellen werde: “Aber es liegt in der Natur eines Kompromisses, dass beide Seiten Zugeständnisse machen. Ein guter Kompromiss tut leider immer beiden Seiten etwas weh.” Die USA hatten gefordert, dass der nach internen Modellen errechnete Kapitalbedarf nicht unter die Grenze von 75 % des nach dem Standardmodell ermittelten Werts fallen sollte. Europa dagegen hatte bis zuletzt auf ein Niveau von eher 70 % gedrängt. Bankenaufseher Dombret mahnte, nicht nur auf den Output Floor zu schauen. Es gehe um ein ganzes Paket. In den Diskussionen der Aufseher geht es beispielsweise auch um Übergangsfristen, die die Banken entlasten könnten. Dombret schürte die Erwartung auf einen baldigen Abschluss: “Wir haben in Washington intensiv weiterverhandelt und sind auch ein gutes Stück weitergekommen”, sagte er.Weidmann hatte in Washington betont, dass es für die Banken grundsätzlich positiv sei, wenn die regulatorische Unsicherheit beendet werde. Dies könnte tatsächlich umso wichtiger sein, als mit dem Brexit oder auch der Digitalisierung enorme Herausforderungen auf die Institute zukommen.Die Aufseher dringen offenbar auch deshalb auf einen baldigen Abschluss, weil sonst zusehends die Legitimität des Baseler Ausschuss als globaler Standardsetzer in Zweifel stünde und ein Scheitern einen schweren Schlag für die globale Finanzregulierung bedeuten würde. Aus Sicht einiger Aufseher ist das mit das Letzte, was es aktuell braucht. Es gibt ohnehin weiter Sorgen, dass die USA auch in Sachen Finanzregulierung den globalen Konsens aufkündigen könnten.Einige Bankenvertreter setzen offenbar zunehmend darauf, dass künftige Basel-Vorgaben abgemildert werden könnten, wenn sie in europäische Gesetzgebung umgesetzt werden. Das aber erscheint fraglich. Wenn es in Basel eine Einigung von 28 Ländern auf höchster Ebene der Notenbankchefs und Aufseher gibt, und wenn diese Einigung das Siegel der G 20 erhalten hat, käme Europa wohl in große Erklärungsnot, wenn es davon erheblich abweicht. Faule Kredite im FokusDombret verteidigte auch entschieden das Vorgehen der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Vorgabe neuer Leitlinien für den Umgang mit faulen Krediten (Non-Performing Loans, NPLs). Nach den neuen Richtlinien der EZB-Bankenwächter, des Single Supervisory Mechanism (SSM), sollen Geldhäuser künftig mehr Vorsorge für Problemdarlehen betreiben. Sie sollen ab 2018 alle Kredite, die neu als ausfallgefährdet eingestuft werden, schrittweise vollständig über Rückstellungen abdecken. An dem Vorstoß der EZB gibt es starke Kritik, vor allem aus Italien.Dombret, der im SSM-Board sitzt, erinnerte daran, dass es jetzt erst einmal um eine Konsultation gehe, um Meinungen zu sammeln. Zugleich machte er aber klar: “Neben der geringen Ertragskraft vieler Banken sind die NPLs das Hauptproblem der Banken im Euroraum.” Eine Lösung müsse im Eigeninteresse aller Länder sein, auch Italiens. In der Eurozone stehen rund 900 Mrd. Euro an faulen Krediten in den Bilanzen der Banken, davon entfallen etwa 30 % auf italienische Banken.Die große Sorge in Italien sind indes nicht so sehr die aktuellen Pläne, sondern, dass diese Vorgaben für neue NPLs später auch auf den Bestand an faulen Krediten übertragen werden. Zum Umgang mit dem Altbestand will das SSM-Board bis Ende des ersten Quartals 2018 Position beziehen. Zuletzt hatte es Berichte gegeben, dass es für den Altbestand auf eine ähnliche Lösung hinauslaufen könnte, wie sie jetzt für die neuen NPLs zur Diskussion steht. Dombret sagte, dass diese Debatte zumindest im SSM-Board noch nicht geführt sei. “Man kann aber nicht automatisch erwarten, dass das komplett analog sein wird. Es ist etwas anderes, ob jetzt NPLs neu entstehen oder ob es um Altlasten vor allem aus der Zeit der Finanzkrise geht.” “Mega-Thema Klimawandel”Dombret betonte erneut, dass sich der Finanzsektor und auch die Aufseher viel intensiver mit dem Thema Klimawandel und dessen Folgen beschäftigen und dafür gewappnet sein müssten. “Der Klimawandel ist eines der Mega-Themen unserer Zeit, und er hat auch Folgen für die Finanzmärkte und die Finanzstabilität. Die finanziellen Risiken, die mit dem Klimawandel und dem Übergang zu einer ökologischen Wirtschaft einhergehen, werden immer noch klar unterschätzt”, sagte er.Der Klimawandel war bei der IWF-Jahrestagung und auch bei dem Treffen der G 20-Finanzminister und Notenbankchefs in Washington eines der zentralen Themen. In seinem Weltwirtschaftsausblick hatte der IWF eigens in einem ganzen Kapitel die möglichen wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels thematisiert. Dombret hatte sich bereits Anfang Oktober in einer Rede intensiver mit der Rolle von Klimarisiken im Risikomanagement der Banken befasst.Dombret sieht im Wesentlichen zwei Kanäle, wie der Klimawandel die Finanzwirtschaft beeinflusst. Der erste Kanal seien “physische Risiken”. Extreme Wetterereignisse und Veränderungen der Klimabedingungen brächten erhebliche Verluste für den öffentlichen wie auch den privaten Sektor mit sich. Das habe nicht zuletzt die aktuelle Hurrikansaison gezeigt. Dombret: “Diese Verluste stellen ganz klar ein Risiko für den Finanzsektor dar, denn Risiken, die nicht mehr versicherbar sind, sind Finanzstabilitätsrisiken.” Der zweite Kanal seien “Übergangsrisiken” auf dem Weg hin zu einem umweltbewussteren Wirtschaften. So sei es etwa aufgrund von Entscheidungen zu einer Begrenzung der Emissionen bereits zu drastischen Kursverlusten gekommen – etwa bei Aktien deutscher Versorgungsunternehmen.Laut Dombret baut die Bundesbank gegenwärtig – wie andere Zentralbanken auch – ihre Analysekapazitäten in Bezug auf Klimarisiken aus. “Ich glaube, dass die Notenbanken und auch speziell die Bundesbank hier noch eine größere Rolle spielen können”, so Dombret. Als Aufsichtsinstanz stünden die Notenbanken in einem engen Kontakt mit den Finanzinstituten, so dass sie deren Bewusstsein für physische Risiken, vor allem aber für Übergangsrisiken, schärfen könnten. Sie könnten zudem dafür sorgen, dass die Institute den Risiken mit dem gebotenen Ernst begegnen. “Unter Umständen werden wir Klimarisiken künftig auch in unseren bankaufsichtlichen Risikoanalysen berücksichtigen”, so Dombret: “Der Klimawandel ist auch ein Thema für die Aufsicht und die Finanzregulierung.” Aus diesem Grund werde die Bundesbank im Frühjahr 2018 auch ihr nächstes Symposium zur Bankenaufsicht unter dieses Thema stellen, kündigte er an.