IM INTERVIEW: FELIX HUFELD

"Ein sehr unschöner Vorfall"

Der BaFin-Präsident über die jüngste IT-Panne der KfW, die Sanktionierung von Cum-ex-Geschäften und Aufsichtsarbitrage im Zuge des Brexit

"Ein sehr unschöner Vorfall"

– Herr Hufeld, kürzlich hat die zum Verkauf stehende HSH Nordbank ihre Zahlen für 2016 vorgelegt. Sie äußern sich ja grundsätzlich nicht zu einzelnen Banken, aber was würde denn passieren, wenn eine Landesbank im Norden abgewickelt werden müsste, weil sich kein Interessent findet, und die Träger sich weigern würden, die Abwicklung zu finanzieren?Diese Frage ist nicht nur auf ein Einzelinstitut bezogen, sondern dazu noch hypothetisch.- Was antworten Sie?Es gibt eine klare Beschlusslage der EU-Kommission, es gibt ein Privatisierungsverfahren, und alles Weitere wird sich daraus ergeben. Und ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass alles, was von Stakeholdern zu leisten sein wird, auch geleistet werden wird.- Müsste man andernfalls über Verbundprivilegien der Sparkassen-Finanzgruppe sprechen?Bisher haben die Stakeholder ihren Beitrag erbracht. Warum sollte ich davon ausgehen, dass dies nicht der Fall sein wird?- Macht Ihnen der Fall besondere Sorge, was die Finanzstabilität angeht?Ein solcher Privatisierungsprozess ist für alle Beteiligten ganz sicher eine Herausforderung. Rund 100 Mrd. Euro Bilanzsumme sind eine beachtliche Größenordnung. Und deswegen nehmen wir, also BaFin, Bundesbank, die EU-Kommission und die EZB als primär zuständige Aufseher, natürlich sehr aktiv an diesem Prozess Anteil.- Sehen Sie die Sparkassen-Finanzgruppe in einer besonderen Pflicht, nicht was Haftungsfragen, sondern was das Thema Konsolidierung angeht, falls es keinen privaten Käufer gäbe?Es hat ja schon in der jüngsten Vergangenheit eine ganze Menge in genau diesem Sektor stattgefunden. Das sehen wir als richtig und sinnvoll an. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Prozess noch nicht beendet ist.- Was sagen Sie zur 7,6 Mrd. Euro schweren Überweisungspanne der KfW?Ein sehr unschöner Vorfall, bei dem eine Verkettung von Umständen zu einer Dauerwiederholungsschleife automatisierter Überweisungsauslöser geführt hat. Wir haben unabhängig von diesem konkreten Einzelfall schon mehrfach öffentlich deutlich gemacht, dass wir allgemein mit der Qualität des IT-Managements im Bankensektor nicht zufrieden sind. Nach Schulnoten wäre kein Institut besser als 4. Wir sind unseren aufsichtlichen Verpflichtungen natürlich nachgegangen und haben, auch vorher schon, deutliche Hinweise gegeben. Das muss jetzt abgearbeitet werden.- Wie sehen die Hinweise aus?Das kann ich im Einzelfall nicht kommentieren, aber IT-Sicherheit ist für alle Banken offensichtlich eine ganz große Herausforderung. Wir sind im Augenblick dabei, unsere Mindestanforderungen an das Risikomanagement, die MaRisk, mit Blick auf die Anforderungen an die IT zu konkretisieren. Dabei beginnen wir mit den Banken. Das wird sich aber auf andere Finanzdienstleister ausweiten – Versicherer verfügen schließlich auch über viel alte IT und viele Daten. Eine besondere Herausforderung ist dabei der zunehmende Trend zum Outsourcing, dass also sehr viele Tätigkeiten wie Server-Management und Cloud-Dienstleistungen ausgelagert werden.- Der konkrete Fall ging aber gerade nicht auf Outsourcing zurück, sondern auf die Tätigkeit eines erfahrenen Programmierers.Der Fehler des erfahrenen Programmierers war wirklich nur ein Faktor von vielen. Tatsächlich führte erst das Zusammenspiel einer Reihe von Faktoren zu diesem Vorfall. Ein entscheidender Aspekt, der eine unselige Verknüpfung von Ereignissen mitausgelöst hat, waren verborgene Fehler in einer existierenden Software. Diese waren zuvor nicht bekannt.- Als Laie könnte man sich da fragen, ob es bei der KfW kein Vier-Augen-Prinzip gibt.Im Detail kommentiere ich Einzelfälle nicht. Und ich beteilige mich nicht an Spekulationen. Es finden jetzt weitergehende Untersuchungen statt, deren Ergebnisse wir abwarten müssen.- Vor rund zehn Jahren gab es schon einmal eine Überweisungspanne bei der KfW, die der insolventen Lehman Brothers 320 Mill. Euro überwies. Ist das Zufall, oder hat das Ursachen, die in die Hinweise eingeflossen sind, die die BaFin der KfW nun gegeben hat?Angesichts der Unterschiedlichkeit der Vorfälle würde ich, auch wenn sich die Frage sicher aufdrängt, eher zu der Einschätzung neigen, dass es unterschiedliche Ursachen hatte.- Die Deutsche Bank hat gerade auch eine Panne erlebt, die dritte binnen eines Jahres.Das zeigt ja, dass es ein allgemeines Problem ist und kein Sonderfall weniger Institute.- Heißt das aus Sicht der Kunden, dass diese sich an solche Vorfälle werden gewöhnen müssen?Ich glaube, es wäre eine echte Gefährdung für die Branche, wenn wir eine zu hohe Fehlerhäufigkeit als Normalzustand akzeptieren würden. Man sollte aber auch nicht glauben, dass kleine Maßnahmen das Problem aus der Welt schaffen werden. Diese Themen müssen mit aller Energie angegangen werden. Wir reden hier über intimste materielle Daten und das Geld selbst, das Menschen den Banken anvertrauen.- Ist den Banken der Ernst der Lage bewusst?Das Problembewusstsein ist inzwischen relativ stark. Nicht zuletzt aufgrund solcher Vorfälle. Aber intellektuell etwas verstanden und akzeptiert zu haben, ist das eine. Etwas anderes ist es, Diagnose und Analyse in entsprechende Arbeitsschritte zu überführen. Konkret bedeutet das, die notwendigen Prozesse in Gang zu setzen und sie strukturiert abzuarbeiten. Auch wir Aufseher befinden uns angesichts des rasanten technologischen Fortschritts in einem ständigen Lernprozess. Wir versuchen, jeden Tag schlauer zu werden. So bauen wir nun ein eigenes Referat für finanzielle Innovationen auf.- Wie wird es ausgestattet?Das werden anfangs nur sieben oder acht Leute sein. Gute Leute, die das dafür notwendige Know-how mitbringen, wachsen ja nicht auf den Bäumen. Wir beschäftigen uns aber schon jetzt mit solchen Themen intensiv. Das Referat ist daher eine wichtige Ergänzung und soll mit den jeweiligen Spezialisten in den einzelnen Abteilungen in einem Netzwerk zusammenarbeiten.- Wann rechnen Sie mit einer Einigung im Baseler Ausschuss auf einen Abschluss von Basel III?Ich glaube, im Moment geht es ganz einfach darum, dass die neue US-Administration die dafür wesentlichen Stellen im Treasury besetzt. Stand heute ist dies noch nicht geschehen. Bisher ist ein Finanzminister im Amt, es gibt einen Deputy, die Ebenen darunter aber sind weitgehend unbesetzt.- Was heißt das für den Zeitpunkt einer Einigung?Ich rechne nicht vor Spätsommer damit, dass die relevanten Leute zum einen präsent sind und sich zum anderen so detailliert eingearbeitet haben, dass sie sich in der Lage sehen, derart weitreichende Verpflichtungen einzugehen, wie es Basel erfordern würde.- Wie zufrieden sind Sie mit dem gerade verabschiedeten Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz, das der BaFin makroprudenzielle Instrumente an die Hand gibt, um Übertreibungen am Immobilienmarkt zu begegnen?Selbstverständlich halte ich das für einen richtigen Schritt.- Aber Sie haben nicht alle Instrumente bekommen, die Sie sich gewünscht hatten. So darf die BaFin keine Maximalgrenze für den Schuldendienst im Verhältnis zum Einkommen und keine Obergrenze für die Gesamtverschuldung in Relation zum Einkommen festlegen.Die BaFin hat sich hier nichts gewünscht. Die Bestimmungen gehen auf einen Beschluss des Ausschusses für Finanzstabilität zurück, dem die BaFin angehört. Ich halte die neuen Instrumente uneingeschränkt für richtig und für erforderlich. Mit dem, was beschlossen worden ist, haben wir einen ganz wichtigen Schritt nach vorne gemacht.- Aber es wäre Ihnen lieber gewesen, Sie könnten über die ganze Palette verfügen.Natürlich, sonst hätten wir dies im Ausschuss für Finanzstabilität so nicht beschlossen. Aber wir nehmen die Entscheidung des Bundestages mit Dank an, auch so sind wir einen ganz wichtigen Schritt weiter. Ich kann aber gar nicht genug betonen, dass es sich um eine vorsorgliche Kompetenz handelt. Wenn wir die Instrumente nie anwenden müssen, bin ich ein glücklicher Mensch.- Über die aufsichtliche Überprüfung und Bewertung von Banken durch die EZB ist viel gesprochen worden. Wie fällt denn der nationale SREP-Prozess der BaFin bei rund 1 700 sogenannten weniger bedeutenden Banken aus?Sehr interessant. Bisher haben wir über 300 bindende Bescheide für 2016 verschickt, 2017 werden weitere hinzukommen, in denen wir Kapitalaufschläge verhängen. Die Größenordnung der bisher versandten Bescheide liegt dabei im Schnitt zwischen 1,5 und 2 Prozentpunkten.- Das hört sich nach viel an.Nein, das ist Sinn und Zweck dieser Zuschläge: dass man die individuelle Situation, die noch nicht durch die vorgegebenen Mechanismen in Säule 1 abgedeckt ist, angemessen adressiert.- Dass Sie Zuschläge festlegen, heißt nicht, dass die Banken diese Anforderungen nicht erfüllen.Auf keinen Fall. Es ist bisher die absolute Ausnahme, dass infolge des SREP Kapitalmaßnahmen ergriffen werden müssen. Die aufsichtlichen Minimalanforderungen können in der Regel dargestellt werden. Nicht auszuschließen ist, dass bankinterne Kapitalziele über die aufsichtliche Anforderung hinaus zur Erreichung eines gewissen Komfortpegels einen weiteren Kapitalbedarf nach sich ziehen.- Haben Sie schon eine Bank gefunden, der Sie gesagt haben, sie habe zu viel Kapital?Solche Institute werden in der Regel nicht von der Aufsicht, sondern vom Eigentümer gefunden.- Ist das Vorgehen der EZB, die ihre zuvor strikte Anforderung der individuellen Kapitalquote an Banken inzwischen unterteilt in eine Anforderung und eine Empfehlung, praktikabel?Das ist absolut praktikabel, und ich möchte vor einem Missverständnis warnen: Die Guidance der EZB ist sehr wohl eine aufsichtlich erwartete Kapitalausstattung. Wir tolerieren in keinem einzigen Fall die Unterschreitung einer Guidance, ohne dass wir sofort Gegenmaßnahmen sehen wollen und eine Abhilfe schaffende Kapitalplanung verlangen. Der Unterschied zwischen Requirement und Guidance hat ausschließlich Konsequenzen für das Reißen einer Schwelle, ab der ein automatisches Dividenden- oder Boniausschüttungsverbot gilt. Das sollte entkoppelt werden, und das war auch richtig. Denn wenn Sie diese Schwelle zu hoch ansetzen, erzeugen Sie eine gewaltige Unsicherheit im Markt, auch mit potenziellen Folgen für die Finanzstabilität. Dividendenberechtigte könnten schon beim leisesten Störfeuer in Sorge geraten, kein Geld mehr zu sehen. Diesen Automatismus zu entkoppeln war unser Motiv und nicht, Kapitalanforderungen abzusenken.- Es hat zur Folge, dass Banken nur mehr ihre verpflichtende individuelle Kapitalquote nennen und der Markt hinsichtlich der nicht unwichtigen Empfehlung im Dunkeln tappt.Es ist den Banken überlassen, wie sie damit umgehen.- Die EZB hält die Banken dazu an, die Empfehlung nicht öffentlich zu machen.Das kann ich nicht bestätigen.- Es gibt keine Bank, welche die Guidance nennt, und auf Anfrage wird dies begründet mit entsprechenden Präferenzen der EZB.Das ist ein Thema in der Praxis, da stimme ich Ihnen zu. Aber ich würde nicht akzeptieren, dass wir Banken entmutigen, sondern wir sagen dezidiert, dass dies ihre Entscheidung ist.- Wann geraten die ersten eigentlich gut geführten Institute allein infolge des Zinstiefs in Schieflage?Wenn ich das genau wüsste, würde ich mich wohler fühlen. Dann würde ich unsere Krisenmanagement-Vorbereitungen darauf ausrichten und schon einmal Urlaubssperren verhängen. Wir sehen den Trend, und der ist eindeutig hochproblematisch.- Sind beide Abteilungen der EZB, Bankenaufsicht und Geldpolitik, sich des Problems bewusst?Das kann ich wegen der Chinese Walls nicht beurteilen. Aber Scherz beiseite: Ich glaube, das ist beiden Seiten der EZB sehr bewusst. Dem Bankenaufseher sowieso, und für die Geldpolitik ist es eine Frage der Prioritäten, die dort sehr bewusst diskutiert und entschieden werden.- Es geht um die Wahl zwischen zwei Übeln?So kann man es sehen.- Im Falle der Versicherer sprachen Sie einmal von Manndeckung, in welche die BaFin einzelne Anbieter im Lichte des Zinstiefs nehme. Wie viele Banken erfreuen sich derzeit solch gesteigerter Aufmerksamkeit der Aufsicht?Zwischen 150 und 200.- Im vergangenen Jahr forderte die BaFin von deutschen Banken umfassende Informationen zu etwaigen Cum-ex-Geschäften an. Was hat der Rücklauf denn so ergeben?Wir werden dazu keine Studie veröffentlichen. Es handelt sich um eine aufsichtliche Maßnahme. Das Ergebnis zeigt sich dann daran, wie wir aufsichtlich handeln. Und da hat es ja nun schon markante Fälle gegeben.- Die Schließung der Maple Bank.Es ist nicht auszuschließen, dass es weitere geben wird. Ich kann aber nicht oft genug betonen: Das Erkenntnisinteresse, das wir dabei verfolgen, ist gemäß unserem Mandat ein bankaufsichtliches und kein steuerrechtliches. Uns interessiert die Solvenz von Instituten, die infolge von Cum-ex-Aktivitäten eventuell in Gefahr oder erheblich unter Druck geraten könnte.- Lässt sich beides trennen?Absolut. Uns gelingt es jedenfalls besser als manch anderen.- Es bleibt das Problem, dass der rechtliche Boden unsicher ist.Vollkommen richtig. Deswegen sind wir davon abhängig, dass bestimmte Steuerrechtsfragen hinreichend geklärt werden. In einem völlig unsicheren Rechtsrahmen können wir nicht prophylaktisch Solvenzgefahren unterstellen. Deswegen müssen Fragen von Recht und Unrecht hinsichtlich steuerlicher Gestaltungsformen von denen geklärt werden, die dazu ein Mandat und die Kompetenz haben, nämlich die Steuerbehörden, die Rechtsprechung und – ultimativ – die Parlamente und Regierungen. Dann treten wir auf den Plan und fragen, wie die Institute mit der sich daraus ergebenden Lage umgehen, wenn sie zum Beispiel bestimmte Guthaben, die sie glaubten zu haben, nicht mehr haben, oder wenn sie mit steuerlichen Rückzahlungsansprüchen konfrontiert sind.- Die Frage der Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter stellt sich nicht?Die kann sich im Einzelfall stellen, nämlich dann, wenn sich herausstellen sollte, dass Geschäftsleiter aktiv an der Herbeiführung oder Strukturierung von Gestaltungsformen mitgewirkt haben, die vom Gesetzgeber als rechtswidrig eingestuft werden.- Können Sie Qualität und Quantität Ihrer bisherigen Interventionen angeben?Es ist ein präsentes Thema. Mehr kann ich zur Quantifizierung nicht sagen.- Haben Sie wegen Cum-ex schon Geschäftsleiter abberufen?Nein, das haben wir nicht. Was aber nicht ausschließt, dass das irgendwann noch passiert. Und eine Variante wollen wir nicht vergessen: Wenn Sie die gesamte Bank schließen, brauchen Sie keinen Geschäftsleiter mehr abzuberufen.- Die Geschäftsleiter der Maple Bank sind noch im Amt.Sie können aber – unabhängig von persönlicher Verantwortlichkeit – nach meinem Rechtsverständnis kein Bankgeschäft mehr ausüben.- Weil die Bank in Liquidation ist.Ja, das ist dann kein lizenziertes Bankgeschäft mehr.- Sabine Lautenschläger, Vizechefin der europäischen Bankenaufsicht, hat beklagt, dass Banken, die Aktivitäten von London in den EU-Raum verlagern, aufsichtsrechtliche Arbitrage betreiben könnten, je nachdem für welches EU-Land sie sich entscheiden. Gibt es da keine Koordination zwischen den Aufsehern in Europa?Das ist eine abstrakte Gefahr, da hat Sabine Lautenschläger völlig Recht, aber ich glaube, sie ist beherrschbar. Wir tun das im Kontext der EZB und geben uns sehr große Mühe, gemeinsame Prinzipien zu formulieren, wie wir in der Eurozone verfahren wollen. Die Gefahr ist jedenfalls im Bankensektor relativ gut beherrschbar, zumal es grundsätzlich die EZB ist, die beispielsweise Banklizenzen vergibt. Es gibt Strukturen, die man sich zunutze machen könnte.- Wenn eine Bank anstelle einer Tochtergesellschaft eine Filiale gründet und deshalb der nationalen Aufsicht unterliegt.Da gibt es bestimmte Aspekte, die in der Vergangenheit nicht europäisiert worden sind. Aber da werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen, denn für die Institute, über die wir hier sprechen, sind solche Formfragen nicht wirklich der entscheidende Punkt. Die haben andere Probleme zu lösen.- Welche?Sie müssen als großer Spieler, der in den vergangenen Jahren in London hocheffiziente und mit hohen Volumina betriebene Plattformen aufgebaut hat, bestehende Strukturen zerschneiden. Das ist ein erhebliches operatives Risiko. Und jeder halbwegs verantwortliche Manager, aber auch Aufseher hat davor Respekt. Sie müssen solche Verlagerungen erst einmal operativ hinkriegen, ohne dass Ihnen eine solche Aktion um die Ohren fliegt. Da ist Arbitrage Ihr geringstes Thema. Größere Sorgen habe ich im Wertpapiersektor.- Warum?Auf der Wertpapierseite können Sie riesige Räder von winzig kleinen Standorten aus drehen, das ist eine ganz andere Situation. Und deswegen sind dort die Sirenengesänge des Wettbewerbs wesentlich stärker als auf der Bankenseite.- Diese Sirenengesänge kommen von den nationalen Wertpapieraufsichtsbehörden.Exakt. Das Risiko einer Arbitragesituation erfordert in diesem Sektor daher sehr viel mehr Aufmerksamkeit und hohen Zusammenhalt auf europäischer Ebene.- Nicht nur Banken, auch die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA muss umziehen. Es gibt die Idee, die EBA mit der Versichereraufsicht EIOPA in Frankfurt zusammenzuführen und zugleich die Wertpapieraufsicht ESMA in Paris aufzuwerten. Taugt sie?Ein solches Modell ist durchaus vorstellbar, hängt aber sehr von der konkreten Ausgestaltung ab. Eine Frage zum Beispiel wäre, welche Aufgaben in der Markt- und Wertpapieraufsicht sinnvollerweise in der ESMA in Paris stärker europäisiert werden sollten. Was ich auf jeden Fall für völlig kontraproduktiv hielte, wäre, in Frankfurt ein integriertes Board of Supervisors mit Bank- und Versicherungsaufsehern zu kreieren.- Warum?Was soll das bringen? Da säße dann die Hälfte der Leute herum und wüsste nicht, worüber die andere Hälfte redet, und verstünde auch nichts davon. Mal abgesehen davon, dass Sie aus einem Board of Supervisors – etwa dem der EBA -, in dem schon heute 35 bis 40 Leute sitzen, plötzlich ein Gremium mit 70 bis 80 Personen machen. Die mit Spezialwissen ausgestattete sektorale Perspektive darf nach einem Zusammenschluss von EBA und EIOPA nicht abgeschafft werden. So arbeiten wir auch in der BaFin und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich wäre auch dagegen, die ESMA zu einer sektorübergreifenden Verbraucherschutzbehörde umzubauen, denn man würde damit extrem viel Know-how verlieren. Die EIOPA beispielsweise muss auch weiterhin zuständig für Verbraucherschutzaspekte in Versicherungsangelegenheiten sein. Übertragen Sie das einer wertpapierdominierten Behörde und behaupten, sie sei jetzt übergreifend für Verbraucherschutz zuständig, dann schaffen Sie meines Erachtens nicht nur keinen Wert, sondern schwächen den Verbraucherschutz.—-Das Interview führten Bernd Neubacher und Bernd Wittkowski.