IM INTERVIEW: WERNER KLEIN

"Ein überschaubarer Erfolg"

Vergütungsberater HKP: Die neue Bonusgrenze verändert Risikoprofil zuungunsten des Arbeitgebers

"Ein überschaubarer Erfolg"

Regulierung und Gesetzgebung haben EU-weit den Anteil von Boni an der Gesamtvergütung eingeschränkt: Variable Zahlungen dürfen nicht mehr höher sein als das Fixgehalt. Die Hauptversammlung kann das Maximum auf das Zweifache der festen Vergütung erhöhen. Wie wirkt sich der Bonusdeckel auf das deutsche Kreditgewerbe aus? Dazu hat die Börsen-Zeitung Werner Klein befragt, Senior Partner beim Vergütungsberater HKP.- Herr Klein, was ändert sich mit dem Bonusdeckel für die Vergütung in deutschen Banken?Für den Großteil der Banken wahrscheinlich gar nichts.- Weil sie variabel gar nicht so viel bezahlen, dass die Begrenzung der variablen Bezüge auf die Höhe des Fixgehalts greifen könnte?In der Tat. Wir haben in Deutschland etwa 2 000 Finanzinstitute mit BaFin-Lizenz, und ich gehe davon aus, dass es nur zwei, drei Handvoll Institute gibt, die sich tatsächlich mit dem Thema der Obergrenze nachdrücklich beschäftigen. Die meisten Banken haben schon bisher gar keine variablen Vergütungsopportunitäten, die über die Höhe der Grundvergütung hinausgehen. Die Obergrenze von 1:1 bezieht sich ja nicht auf das, was tatsächlich variabel ausgezahlt wird, sondern auf das, was maximal möglich ist an variabler Vergütung. Und selbst das ist heute schon bei den allermeisten Banken mit dem Verhältnis von 1:1 vereinbar. Deswegen war auch der Aufschrei der Bankinstitute in Deutschland relativ verhalten, als die Begrenzung im Rahmen der Eigenkapitalrichtlinie CRD IV in Brüssel beschlossen worden ist.- Welche Banken haben denn Handlungsbedarf?Das sind, wenig überraschend, die, die im Hinblick auf ihre Größe und auch ihre Internationalität den Usancen des internationalen Kapitalmarkts und des Großkundengeschäfts ausgesetzt sind, weil dort ganz andere variable Vergütungspakete im Markt relevant sind.- Was können Banken tun, die sich durch ein Verhältnis von 1 : 1 zu stark eingeengt fühlen?Sie könnten die Boni so lange kürzen, bis sie ein Verhältnis von 1:1 erreichen. Das ist allerdings unter Wettbewerbsgesichtspunkten und auch unter dem Aspekt der Motivation wohl sehr schwierig. Die Institute kommen also, wenn sie die Vergütung nicht deutlich beschneiden wollen, nicht umhin, sich mit der Frage zu beschäftigen, die Obergrenze für Boni mit Zustimmung der Hauptversammlung auf das Zweifache des Fixgehalts anzuheben beziehungsweise die Grundvergütung anzupassen. Ein dritter Weg, der gar nicht so sehr schmerzhaft ist, steht aber auch offen: Man kann die variable Opportunität in ihrer absoluten Höhe beschneiden. Denn diese ist typischerweise geprägt durch einen sogenannten maximalen Zielerreichungsgrad von mehr als 100 %: Erreicht ein Mitarbeiter seine Ziele, bekommt er einen Betrag X, der sich aber noch erhöhen kann bis zum maximalen Zielerreichungsgrad. In der Branche gab es Systeme, deren Erreichungsgrade maximal 250 % oder gar 300 % erreichten. Eine Reihe von Banken reduziert jetzt diese maximal mögliche Grenze, auch weil sie in der Praxis zuletzt, zumal angesichts durchwachsener Ergebnisse, gar nicht mehr relevant gewesen ist.- In Deutschland haben bisher die Deutsche Bank und die Aareal Bank die Aktionäre aufgefordert, den Bonusdeckel zu lüften und ein Verhältnis von 2 : 1 zwischen variablem und fixem Gehalt zu genehmigen. Glauben Sie, dies entspricht den Erwartungen des Regulators?Die Frage ist doch, ob der Regulator mit seiner Vorgabe erreicht, was er will. Unter dem Eindruck der Krise hatten Gesetzgeber und Aufseher doch angekündigt, zwei Dinge anzugehen: die exorbitanten Bonushöhen, die es so in keiner anderen Branche gibt, und deren vermeintlich diskretionäre Vergabe, losgelöst von jeglicher Performance-Grundlage. Mit der Begrenzung auf ein Verhältnis von 1:1 kann ich die Höhe der Boni allenfalls abfedern. Aufgrund der Möglichkeit, das Verhältnis auf 2:1 heraufzusetzen, und durch den Umstand, dass nur eine Relation vorgegeben wird, kann man das Ziel der Bonusbegrenzung nicht zwingend erreichen. Hätte man das wirklich lösen wollen, hätte man sagen müssen, eine variable Vergütung in einer Bank kann nur maximal eine vorgegebene Höhe haben.- Eine harte Obergrenze.Ja, denn bisher ist durch den Bonusdeckel nur das Verhältnis fest/variabel limitiert, ich kann deshalb ja bei der Grundvergütung so lange nachbessern, bis ich weiterhin auf eine bestimmte Gesamtvergütung komme. Also dürfen die Regulatoren nicht überrascht sein, wenn sich die absolute Absenkung der variablen Vergütungen nur als ein überschaubarer Erfolg herausstellt.- Am Beispiel der Deutschen Bank lässt sich ja schon ablesen, dass die Grundgehälter zum Teil deutlich angehoben werden. Wird damit Versagen künftig stärker belohnt, weil Bankmitarbeiter höhere Fixgehälter erhalten, auch wenn sie keine Ziele erreichen?Das ist die unschöne Seite der neuen Bonusgrenze. Um mit der neuen Vorgabe zurechtzukommen, gibt es in der einen oder anderen Situation keine andere Chance, als auch bei der Grundvergütung nachzulegen. Dadurch verändert sich das Risikoprofil der Vergütung bei solchen Mitarbeitern ganz deutlich – aber nicht zugunsten des Arbeitgebers, sondern des Mitarbeiters.- Im Falle der Deutschen Bank soll das Grundgehalt der beiden Co-Chefs von 2,3 Mill. Euro auf 3,8 Mill. Euro steigen, wenn die Aktionäre den Bonusdeckel anheben, und auf 5,9 Mill. Euro, falls nicht. Sind dies Steigerungsraten, die nun für die breite Mitarbeiterschaft repräsentativ sind?Experten haben ja schon dramatische Auswirkungen auf die Grundvergütung prognostiziert. Ich glaube das nicht. Banken werden sich sicherlich mit Anpassungen der Grundvergütung beschäftigen, aber nicht auf breiter Front. Neben den Vorständen sind es wohl zu allererst international tätige Mitarbeiter, bei denen die Arithmetik keine andere Möglichkeit bietet, als die Grundvergütung anzupassen. Insbesondere bei Vertriebsfunktionen in einem internationalen Kontext ist die Lage heikel, weil da wieder der Zusammenhang mit den internationalen Vergütungsniveaus eine Rolle spielt. Da erwarte ich schon, dass wir auf dem Senior Level bis hin zu den Vorständen Effekte in der Grundvergütung sehen werden. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass es für den Großteil der Funktionen in einer Bank nur sehr begrenzte Auswirkungen haben wird. Welches Ausmaß an Steigerungen wir tatsächlich sehen werden, das werden die Analysen im laufenden und insbesondere im kommenden Jahr zeigen.- Als Außenstehender kann man den Eindruck gewinnen, dass die Vergütung zwar immer stärker reguliert wird, Banken aber dennoch stets Wege finden, ihre alten Vergütungsniveaus zu halten, zumindest wenn man sie in Relation zu den Erträgen und Ergebnissen setzt. Werden die Aktionäre irgendwann aufbegehren?Gesetzgeber und Aufsicht spielen immer mehr Fragen ganz gezielt auf die Eigentümerseite. So hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die Mitglieder von Aufsichtsgremien von Banken verschärft. Es gibt auch immer mehr Dinge, die bei den Aktionären in der Hauptversammlung ankommen – der Beschluss zur Bonusobergrenze ist da nur ein Beispiel. So entsteht immer mehr Öffentlichkeit, was im Grunde richtig ist. Die Höhe der Vergütungen zu begrenzen funktioniert mit solch einem Ansatz nicht. Aus meiner Sicht aber sind die Aufseher auf einer anderen Flanke durchaus mit Teilerfolgen unterwegs.- Wo denn?Wenn es nämlich darum geht, dass man die Gewährung von Boni an belastbare ökonomische Ergebnisse koppelt. Und da gibt es noch ein ganzes Bündel von Dingen, die bei Banken für Handlungsbedarf sorgen. Das sind Fragen wie: Messe ich meinen Erfolg anhand der richtigen Kennzahlen? Habe ich die Risiken und die Kosten für das eingesetzte Kapital angemessen berücksichtigt? Schaue ich nur auf den Erfolg der Bank oder auch auf die anderen Teile des Konzerns? Es gibt viele Dinge, die die Erfolgsmessung auf unterschiedlichen Ebenen verfeinern, und das ist sicher eine wichtige Weichenstellung. Das bedeutet auch, dass bestimmte Vergütungssysteme, die es nach wie vor in der Branche gibt, etwa klassische Provisionsmodelle, wo sich die Höhe der Vergütung allein an der Anzahl der Abschlüsse und deren Volumen orientiert, vom Markt verschwinden werden.- Werden die Regeln zur Vergütung damit nicht überkomplex und letztlich leichter zu umgehen?Wenn Dinge nachvollziehbar werden, und das ist die Intention, dann werden sie auch berechenbarer. Diese Idee ist vernünftig.—-Das Interview führte Bernd Neubacher.