Auslandsbanken

Ein Zaun um die Europatochter der VTB Bank

Die BaFin hat einen aufsichtlichen Zaun um die Europatochter der VTB Bank gezogen. Von Sanktionen bleibt diese weiterhin unbehelligt. Das hat politische Gründe.

Ein Zaun um die Europatochter der VTB Bank

Von Andreas Heitker, Brüssel, und Bernd Neubacher, Frankfurt

Seit Russlands Überfall auf die Ukra­ine Ende Februar, spätestens aber seitdem Österreichs Finanzaufsicht Anfang März der Europatochter der Sberbank angesichts eines Run auf die Einlagen den Geschäftsbetrieb untersagte, schienen die Geier auch über der Europatochter der VTB Bank zu kreisen. Doch Totgesagte leben länger: Während in den vergangenen Wochen Nachrichten, Gerüchte und Spekulationen um das Institut mit Sitz im Frankfurter Westend Konjunktur hatten – mal berichtete Bloomberg von Plänen für einen Verkauf des Instituts, mal meldete das „Handelsblatt“ den Abgang von vier Mitgliedern des fünfköpfigen Vorstands –, war es auf aufsichtlicher Ebene bislang doch erstaunlich ruhig geblieben.

No news is good news, übersetzte man dies im Markt. Denn wäre die Bank in eine existenzgefährdende Situation geraten, hätte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) intervenieren müssen. Das hat sie am Sonntag nun getan, allerdings nicht etwa mit Verhängung eines Zahlungsmoratoriums, wie im Falle sich anbahnender Pleiten üblich, sondern indem sie einen aufsichtsrechtlichen Zaun um das Haus gezogen und die Tochter von der Mutter abgeschirmt hat, ähnlich wie die Bundesregierung die deutsche Gazprom-Tochter vom russischen Konzern.

Die Argumentation der Finanzaufsicht: Nachdem die Europäische Union die VTB-Mutter in ihrer fünften Runde von Sanktionen geächtet hat – was seit Freitagabend offiziell ist –, ist diese nicht mehr „als zuverlässig im Sinne des Kreditwesengesetzes anzusehen“.

Die Folge: Die BaFin untersagt der Europatochter, Weisungen der Mutter zu befolgen, und die Mutter kann nicht mehr über finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen der Tochter verfügen. Zuvor hatte die Behörde der Tochter bereits verboten, Vermögen zugunsten von Einheiten der VTB-Gruppe zu verschieben, ebenso solche Zahlungen. Anfang Oktober hatte die BaFin bereits einen Sonderbeauftragten für das Institut bestellt, um eine Verbesserung der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu überwachen.

Die russische VTB-Muttergesellschaft ist nach Kriegsausbruch eigentlich schon früh von der EU sanktioniert worden. Am 2. März stand sie auf der Liste der Banken, die vom Swift-Netzwerk abgeschnitten wurden. Wirksam wurde dieser Schritt am 12. März. Doch erst mit dem fünften Sanktionspaket der EU, das Ende letzter Woche festgezurrt wurde, gab es nun ein vollständiges Transaktionsverbot für die VTB-Mutter und drei weitere russische Banken. Zusätzlich wurden Vermögenswerte eingefroren, so dass diese Institute nun „völlig vom Markt abgeschnitten sind“, wie die EU-Kommission klarstellte. Für einige vielleicht etwas überraschend, soll sich da­durch aber rein gar nichts für die Kunden und Gläubiger der Europatochter ändern. Spätestens seit der BaFin-Mitteilung vom Sonntag ist die Marschroute der Aufsicht klar: Im Gegensatz zur Sberbank Europe, die bereits wenige Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine die Segel streichen musste, soll die Europatochter der VTB  stabil gehalten werden, um auf Sicht möglichst geräuschlos abgebaut zu werden.

Fast ein BaFin-Werbeblock

Beinahe wie einen Werbeblock für VTB Europa kann man den Hinweis der BaFin lesen, dem zufolge die für Sanktionen zuständige Bundesbank festgestellt habe, „dass es sich auch aus ihren Erkenntnissen nicht ergibt, dass die VTB Bank (Europe) SE durch ihre Muttergesellschaft im Sinne der EU-Finanzsanktionen kontrolliert wird“. Ergo: „Somit ist die operative Geschäftslage der VTB Bank (Europe) SE grundsätzlich unverändert“, stellt die BaFin fest.

Einleger können damit auch weiterhin frei über ihr Geld verfügen, und Schuldner können ihre Kredite bedienen. Auch andere Gläubiger der Bank dürfen – soweit sie nicht selbst sanktioniert sind – entsprechend bedient werden und Zahlungen der Bank entgegennehmen. Korrespondenzbanken­, Dienstleister und Mitarbeiter dürfen weiterhin für VTB Europe tätig sein.

Dass schon die bisherigen Sank­tionen gegen die in Sankt Peters­burg ansässige VTB Bank nicht auf ihre Europatochter durchgeschlagen haben, hatte noch Mitte der vergangenen Woche die Deutsche Bundesbank der Börsen-Zeitung auf Anfrage bestätigt: „Die VTB Bank (Europe) SE ist eine in Deutschland registrierte Gesellschaft. Sie unterliegt grundsätzlich nicht den Maßnahmen, denen ihre russische Muttergesellschaft nach den EU-Sanktionsrechtsakten unterliegt.“ Auch in Brüssel wurde zur Begründung auf die unterschiedliche Registrierung der Frankfurter Bank verwiesen.

Aber auch nach dem jüngsten Sanktionspaket soll niemand VTB Europe meiden, nur weil er befürchtet, dafür von der Aufsicht etwas auf die Finger zu bekommen. In dieses Bild passen auch Äußerungen von Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling, der in einem am Donnerstag erschienenen Interview mit dem „Handelsblatt“ auf die Frage nach der Umsetzung der Sanktionen erklärte: Die Banken unternähmen alle Anstrengungen, um zu vermeiden, gegen Sanktionen zu verstoßen. Sie hätten darin mittlerweile Erfahrungen, und man sehe hier und da sogar, dass Sanktionen übererfüllt würden.

Dass die Aufsicht auf VTB Europe nicht umgehend den Kuckuck ge­klebt hat, kommt nicht zuletzt dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) und dessen Einlagensicherung zugute. Diese ist nach den Pleiten von Maple Bank sowie Greensill Bank bereits merklich dezimiert. Ein weiterer Entschädigungsfall, diesmal bei einer Bank mit 8 Mrd. Euro Bilanzsumme per Ende 2020 und mehr als 4 Mrd. Euro an Einlagen, wäre eine neuerliche Belastung. Wie der jüngste Geschäftsbericht der VTB-Europatochter zeigt, hielt das Institut Ende vorvergangenen Jahres 2,3 Mrd. Euro an täglich fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Kunden, zugleich Kapital- und andere Rück­lagen über gut 800 Mill. Euro bei einem Bilanzgewinn von rund 190 Mill. Euro.

„Nicht weiter zumutbar“

Seit der Invasion Russlands in die Ukraine hat für die VTB-Europatochter wohlgemerkt nicht überall derart „business as usual“ geherrscht. Der Verband der Auslandsbanken in Deutschland etwa informierte das Haus schon Anfang März darüber, dass der Vorstand die Mitgliedschaftsrechte der VTB-Europatochter mit sofortiger Wirkung suspendiert habe und auf der nächsten Mitgliederversammlung den Ausschluss des Instituts beantragen werde. Begründung: Eine Förderung der Interessen der Bank durch den Verband durch eine Teilnahme am Vereinsleben sei „dem Verband damit nicht weiter zumutbar“.

Im neuen EU-Sanktionspaket wird die russische VTB-Mutter als „systemrelevantes Finanzinstitut“ für die russische Regierung bezeichnet, die wiederum Hauptaktionär ist. Die Bank selbst hat demnach enge Verbindungen zum russischen Geheimdienst, und ihr CEO wurde von Präsident Wladimir Putin ernannt und hat dessen Aktionen einschließlich der Annexion der Krim verteidigt. Zugleich erwirtschafte VTB hohe Einnahmen für Putins Regime.

Angesichts dieser Erkenntnisse bleiben Fragen bezüglich der Sanktionspolitik gegenüber dem Institut. Auf allen Ebenen hat sich die Politik in den vergangenen Wochen angesichts des barbarisch geführten Angriffskriegs gegen die Ukraine darum bemüht, Russland wirtschaftlich zu isolieren. Oder etwa nicht?

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