FONDSBRANCHE

Eine neue Deutung

Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich die Finanzbranche über neue Regulierung freut. Aber der allgegenwärtige Begriff der Nachhaltigkeit, hinter dem sich ein Sammelsurium künftiger Regelwerke verbirgt, weckt den Optimismus der Fondsgesellschaften....

Eine neue Deutung

Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich die Finanzbranche über neue Regulierung freut. Aber der allgegenwärtige Begriff der Nachhaltigkeit, hinter dem sich ein Sammelsurium künftiger Regelwerke verbirgt, weckt den Optimismus der Fondsgesellschaften. Als Wachstumstreiber wird der Trend bereits identifiziert, und zwar von den Führungskräften der Branche selbst, wie der Fondsverband BVI berichtet. So kommt es, dass sich der Verband um eine differenzierte Sicht auf Nachhaltigkeit bemüht zeigt. Die EU-Taxonomie etwa, das geplante Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftszweige, ist nach dieser Lesart auf gutem Weg.Zwar bleibt die Nutzung des Regelwerks freiwillig, und auch sonst sind viele Punkte im Sinne der Branche. Aber allein ein Blick in die 414 Seiten des technischen EU-Berichts genügt, um ein Gespür für den Umfang der Regulierung zu erhalten, die auf Unternehmen am Kapitalmarkt und auf Großanleger und Fondsanbieter zurollt. Grenzwerte und Ziele für diverse Geschäftsfelder, von Fachleuten akribisch zusammengetragen, sind nur der Auftakt, denn bisher ist lediglich der Klimawandel adressiert worden, nicht aber andere Umweltthemen oder gar soziale Ziele. Der Zug sei in voller Fahrt, sagt BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter. Er hat recht.Die Branche freut sich bislang, weil sie in der aktuellen Klimadebatte und angesichts einer politisch aktiven Jugend offenbar Geschäftschancen vermutet. Welcher Anleger wird schon, gefragt nach Nachhaltigkeit, ein solches Produkt zugunsten eines herkömmlichen Fonds ausschlagen, fragt BVI-Präsident Tobias Pross rhetorisch. Anders als die Richtlinie Mifid II, die unter anderem die Wertpapierberatung mit neuen Vorgaben erschwert hat, steht die Nachhaltigkeit nicht dem Geschäft der Branche im Weg, so der verbreitete Eindruck.Wenn sich die Branche da nicht irrt. Denn die gesellschaftliche Aufgabe von Fondsgesellschaften, das Lenken von privatem Kapital, erfährt gerade eine neue Deutung: Die Finanzbranche soll Geld zunehmend gemäß politischen Zielen zuteilen. Das wird durch neue Regelwerke geschehen – und lenkt womöglich von den eigentlichen Aufgaben ab: Denn anstatt noch mehr unpopuläre, aber notwendige Veränderungen direkt den Bürgern und Unternehmen abzuverlangen, nimmt die Politik primär die Finanzbranche in den Blick und fordert von ihr etwas, was sie nicht leisten kann. Ein Investor und Fondsmanager ist immer an die realen Aussichten eines Unternehmens gebunden. Allein stößt die Branche keinen Wandel an.