Einheitliche Bankenaufsicht ist ein richtiger Schritt

Allerdings muss auch ein striktes Regelwerk für nationale Finanz- und Wirtschaftspolitik etabliert werden

Einheitliche Bankenaufsicht ist ein richtiger Schritt

Das Bankensystem im Euroraum steht vor der größten Herausforderung seit Jahrzehnten. Im Anschluss an die globale Finanzkrise haben sich hier Staatsschulden- und Bankenkrise gegenseitig verstärkt und zu einer existenziellen Krise der europäischen Währungsunion verschärft. Die globale Finanzkrise und vor allem Abschreibungen auf verbriefte Immobilienforderungen in den USA hatten den Kapitalpuffer vieler Banken im Euroraum schon erheblich geschmälert, bevor die Staatsschuldenkrise in einigen Mitgliedsstaaten und das sprunghaft gestiegene Ausfallrisiko von Staatsanleihen zusätzlichen Kapitalbedarf bei vielen Banken auslösten.Außerdem stellte sich in Ländern wie Irland und Spanien heraus, dass die Banken, übrigens auch ausländische Institute, im Umfeld niedriger Zinsen und allgemeiner Euphorie in jenen Jahren die der Einführung des Euro folgten, selbst zu leichtfertig Kredite, besonders zur Hausfinanzierung, vergeben hatten. Als dort die Immobilienblasen platzten, brachen die Steuereinnahmen ein, stieg die Arbeitslosigkeit stark an, und eine wachsende Zahl von Krediten wurde nicht mehr bedient. Öffentliche Garantien und andere Stützungsmaßnahmen für heimische Banken führten zu großen zusätzlichen Belastungen und Risiken für den Staatshaushalt. Der einsetzende Teufelskreis zwischen Staatsschulden- und Bankenkrise hat sich seitdem kontinuierlich verschärft.Der im internationalen Vergleich weit stärker integrierte europäische Finanzmarkt und Bankensektor hat zu Ansteckungseffekten geführt und viele Finanzmarktakteure veranlasst, länderübergreifende Positionen abzubauen. Im Anschluss an die Einführung des Euro hatte sich die Integration des europäischen Finanzmarkts und Bankensektors weiter deutlich erhöht, bezüglich des Liquiditätsmanagements von Banken über Ländergrenzen hinweg, und auch bei der Kreditvergabe. Außerdem fand eine stärkere länderübergreifende Vernetzung zwischen Banken, Versicherungen, Pensions- und anderen Anlagefonds statt, nachdem das Währungsrisiko weggefallen war, während andere länderspezifische Risiken unterschätzt wurden. Böses ErwachenDer Schuldenschnitt in Griechenland bzw. dessen schleppende Ankündigung führte hier zu einem bösen Erwachen. Das sprunghaft gestiegene Ausfallrisiko von Staatsanleihen in einer wachsenden Zahl von Mitgliedsstaaten – besonders aber in Italien, Irland, Portugal und Spanien – fand sich plötzlich in scharfem Gegensatz zu deren Behandlung als quasi risikolose Papiere nach den Regulierungsvorschriften für Banken und Versicherungen. Seitdem wird fieberhaft nach einem neuen, weitgehend sicheren europäischen Anlageinstrument gesucht, das den Banken als verlässliches Instrument für ihr Liquiditätsmanagement dienen kann,Dies ist allerdings bei Weitem nicht ausreichend, um die laufende Fragmentierung der europäischen Finanzmärkte, die auch irgendwann die Europäische Zentralbank (EZB) überfordern könnte, zu stoppen. EZB-Präsident Draghi wies vor Kurzem sehr deutlich darauf hin, dass der Rückzug auf heimische Märkte auch von den nationalen Aufsichtsbehörden angemahnt wird. Selbst Banken, die grenzüberschreitend agieren, können Liquidität nicht mehr frei dorthin lenken, wo große Engpässe bestehen.Unbesicherte Transaktionen zwischen Banken, soweit sie überhaupt noch zustande kommen, sind fast völlig auf nationale Märkte beschränkt. Auch sonst wird jetzt wieder stark darauf geachtet, dass Forderungen und Verbindlichkeiten geografisch möglichst übereinstimmen. Dies zeigt, dass ein einheitlicher EU-Finanzmarkt eines gemeinsamen Ansatzes für Bankenaufsicht und Regulierung bedarf. In ihrer Gipfelerklärung vom 29. Juni haben die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder die Schaffung einer einheitlichen Aufsicht unter Einbeziehung der EZB für Banken des Euroraums angekündigt. Sobald sie handlungsfähig etabliert sei, soll es auch dem ESM gestattet sein, Banken, falls erforderlich, direkt und ohne Umweg über die jeweilige Regierung des Mitgliedsstaates, in dem sie ansässig sind, mit Kapital auszustatten. So soll der Teufelskreis zwischen Staatsschulden- und Bankenkrise durchbrochen werden. Noch wenig KlarheitWie von Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung im Juli betont wurde, hat sich infolge der Krise die Ansicht durchgesetzt, dass eine gemeinschaftliche Aufsicht Ansteckungsrisiken und Gefahren für die Finanzstabilität besser gerecht wird, indem sie einheitlichen Qualitätsstandards folgt und die Wirkungen im gesamten Euroraum im Blick hat. Oft ist die Perspektive aus nationaler Sicht nicht ausreichend, um sich abzeichnende Übertreibungen an den heimischen Kreditmärkten zu erkennen.Eine einheitliche Aufsicht kann auch verhindern, dass kurzfristige, oftmals politische Interessen eine ehrliche Einschätzung der vorhandenen Risiken unterbinden. So hat sich vor allem in den USA während der Krise gezeigt, dass politische Maßnahmen zur Förderung von Hauseigentum durchaus in Konflikt mit der Finanzmarktstabilität geraten können. Aus deutscher Sicht würde eine gemeinschaftliche Aufsicht sicherlich auch eine weitere Konsolidierung des Landesbankensektors, wie von vielen Institutionen einschließlich des Internationalen Währungsfonds (IWF) gefordert, vorantreiben. Allerdings besteht noch wenig Klarheit über den Umfang der Kompetenzen einer einheitlichen Bankenaufsicht und den Zeitplan. Es ist wahrscheinlich, aber noch nicht endgültig entschieden, dass alle Banken unter diese neue, einheitliche Aufsicht fallen würden, wie von der Gruppe um EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy gefordert wurde.Auch sollte es einer solchen Behörde nicht nur möglich sein, präventiv tätig zu werden, sondern notfalls auch die Übernahme oder Abwicklung einer Bank bewirken zu können. Die Eurogruppe oder eine andere europäische, demokratisch legitimierte Instanz müsste dies natürlich kontrollieren und fiskalisch absichern. Um dazu länderübergreifende Unterstützung in der Bevölkerung zu gewinnen, werden die Eigner und Anleihegläubiger einer Bank wahrscheinlich einen stärkeren Anteil als bisher bei solchen Maßnahmen leisten müssen.Außerdem wird eine weitere Verschärfung der Regulierung von Banken diskutiert. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies krisenhafte Entwicklungen beschleunigen kann, insbesondere dann, wenn die Altlasten der Vergangenheit noch nicht in ausreichendem Maß bewältigt wurden. Außerdem mahnen die Experten die Politik, jetzt einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der die Anreize im Bankensektor richtig setzt, statt sich etwa auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu konzentrieren. Teufelskreis verhindernBei der Schaffung einer einheitlichen Bankenaufsicht für den Euroraum und rechtlichen Änderungen muss aber auch gewährleistet werden, dass es nicht zu wettbewerbsverzerrenden Effekten für Banken mit Sitz in anderen EU-Staaten kommt. Darüber hinaus muss der europäische Markt für Unternehmensanleihen weiter gefördert werden, um alternative Finanzierungsquellen für große, aber auch mittelständische Unternehmen bereitzustellen.Die Schaffung einer einheitlichen Bankenaufsicht für den Euroraum ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Nur so kann ein Teufelskreis zwischen Staatsschulden- und Bankenkrise verhindert, ein Interessenkonflikt zwischen gemeinsamer Zentralbank und nationaler Bankenaufsicht vermieden und europäische Finanzmarkstabilität gewährleistet werden. Allerdings muss auch, wie von Bundesbankpräsident Weidmann gefordert, ein striktes Regelwerk für nationale Finanz- und Wirtschaftpolitik etabliert werden, um zu verhindern, dass hier Fehlentwicklungen über die Bilanzen der Banken vergemeinschaftet werden. Bis eine gemeinsame Bankenaufsicht voll handlungsfähig ist, müssen allerdings noch viele wichtige Einzelfragen auf europäischer Ebene und in den Mitgliedsstaaten geklärt werden.