Interview mit Ralph Geiger

"Emerging und asiatische Märkte sollten im Portfolio vertreten sein"

Investitionsüberlegungen für Anleihen, die auch unter normalen Umständen sinnvoll wären

"Emerging und asiatische Märkte sollten im Portfolio vertreten sein"

Ralph Geiger, Fixed Income Specialist, Credit Suisse Asset Management Core Investments, Zürich Die Kombination aus niedrigen Geldmarktsätzen, tiefen nominellen Zinsen und einer zähen Inflation stellt Anleihe-Investoren derzeit vor eine große Herausforderung. Ralph Geiger erläutert, mit welchen Anlagestrategien Investoren diesem Notstand begegnen können. Herr Geiger, das Börsenjahr verlief bisher gemischt. Die Emerging Markets haben sowohl im Aktien- als auch im Anleihebereich deutlich nachgegeben. Was hat Ihrer Meinung nach dazu beigetragen?Seit Jahren pumpt die amerikanische Notenbank Gelder zur Stabilisierung der Wirtschaft in den Markt. Mit ihrer jüngsten Drohung, ihre monatliche Liquidität von derzeit 85 Mrd. US-Dollar zu reduzieren, hat die Fed viele Investoren nachhaltig verängstigt. Die Furcht, dass ein Ende des billigen Geldes bevorstehen könnte, veranlasste viele Anleger, aus den Schwellenländern auszusteigen, und führte zu einer Bereinigung an den Märkten. Vor dem Hintergrund rekordtiefer Zinsen bieten Unternehmensanleihen eine attraktive Zusatzrendite. Welche Entwicklungen sehen Sie in diesem Segment? Nach unserer Einschätzung sind der jüngste Ausverkauf bei Unternehmensanleihen und die damit verbundene Ausweitung der Kredit-Spreads überzogen. In den derzeitigen Spreads sind im historischen Vergleich sehr hohe Ausfallquoten eingepreist. Dies steht im Gegensatz zu unserem weiterhin günstigen Ausblick für Ausfallquoten, der durch Faktoren wie das Wachstum, die Kreditvergabestandards der Banken und die Renditekurvendynamik gestützt wird. Wir haben daher eine konstruktive Haltung zu Unternehmensanleihen und empfehlen insbesondere Emissionen aus dem mittleren Bonitätsspektrum (BBB- und BB-Rating) mit kurzen bis mittleren Laufzeiten. Infolge der hohen öffentlichen Schuldenlast in einigen Industrieländern ändert sich das Risikoprofil von Staatsanleihen fundamental. Wie sieht die Situation bei Staatsanleihen aus Schwellenländern aus? Im Allgemeinen verfügen diese Länder über eine geringere Fremdverschuldung und im Vergleich zu den Industriestaaten stärkere Fiskalpositionen. Allerdings hat das Fehlen bedeutender Strukturreformen dort zu einer Wachstumsverlangsamung und in einigen wichtigen Volkswirtschaften zu zunehmenden wirtschaftlichen Ungleichgewichten geführt. Die Spread-Ausweitung wird hauptsächlich von Indexschwergewichten wie Brasilien, Südafrika und der Türkei vorangetrieben. Dies sind alles Länder, die sich aufgrund umfangreicher externer Defizite weiterhin volatil entwickeln dürften. Wie sieht es bei den anderen Schwellenländern aus?Grundsätzlich bestehen bei Schwellenländern erhebliche ökonomische Unterschiede und eine verfeinerte Aufgliederung ist daher unbedingt notwendig. Die Spreads der fundamental attraktiveren, weniger riskanten Volkswirtschaften wie beispielsweise Südkorea, Malaysia und Mexiko haben sich nicht so stark ausgeweitet und stehen scheinbar nicht im Widerspruch zum makroökonomischen Bild. Trotz der derzeit negativen Nachrichtenlage sollten sich Anleger bewusst sein, dass die Schwellenländer auch zukünftig ein stärkeres Wachstum verzeichnen dürften als die Industrieländer. Von Inflation ist momentan kaum die Rede. Sind inflationsgeschützte Anleihen zurzeit ein attraktives Thema?Die reale Rendite während der letzten Inflationsperiode war katastrophal. Die Einbußen durch Kaufkraftverluste werden von den Anlegern jedoch häufig unterschätzt. Historische Daten belegen, dass die Performance von inflationsgeschützten und nominalen Anleihen sehr ähnlich ist. Dies gilt auch für disinfla-tionäre Zeiträume wie beispielsweise von 1997 bis 2011. Damit wird deutlich, dass das Inflationsrisiko vom Markt nicht entschädigt wird. Dagegen lässt sich die Gesamtvolatilität eines Anleiheportfolios durch die Beimischung von inflationsgeschützten Anleihen deutlich reduzieren. Auch Hybridanlagen, wie zum Beispiel Wandelanleihen, gelten als interessante Anlagealternative im aktuellen Umfeld. Wandelanleihen besitzen ein aktienähnliches Ertragspotenzial, das Anleger in steigenden Märkten an der Entwicklung der zugrunde liegenden Aktie partizipieren lässt. Gleichzeitig verhindert die Anleihekomponente ein Fallen des Kurses unter den “Bond Floor” und begrenzt somit das Anlagerisiko. Dieses asymmetrische Chancen/Risiko-Profil von Wandelanleihen verleiht der Anlageklasse vor dem Hintergrund extrem niedriger risikofreier Verzinsung, hoher Ertragsanforderungen seitens der Anleger und sinkender Risikobudgets einen besonderen Reiz. Warum sollten Anleger in Wandelanleihen investieren?Wandelanleihen eignen sich aufgrund ihres limitierten Verlustpotenzials für Anleger, die angesichts der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung besorgt sind. Die Aktiensensitivität, das Delta von Wandelanleihen, ist eher niedrig. Dies verspricht eine gute Abfederung der Verluste im Falle sinkender Kurse. Zudem bieten sie wegen ihrer relativ kurzen Laufzeiten und der hohen Korrelation mit den Aktienmärkten einen gewissen Inflationsschutz. Zu guter Letzt erhöhen sie die Risikodiversifikation in gemischten Portfolien, da sich Wandelanleihen mit herkömmlichen Aktien- oder Anleihestrategien nicht replizieren lassen. Über welche Expertise verfügt die Credit Suisse im Markt für Wandelanleihen?Wir verwalten Wandelanleihen seit 1984 und können auf einen langen, erfolgreichen Track Record zurückblicken. In den Jahren 2012 und 2011 wurde unsere Managementleistung mit dem Lipper Fund Award für den besten Schweizer Wandelanleihefonds über drei bzw. fünf Jahre ausgezeichnet. Als Fazit – in welche Anleihesegmente sollte ein Anleger derzeit investieren, um auch auf lange Sicht gut aufgestellt zu sein?Emerging und asiatische Märkte sollten auf alle Fälle im Portfolio vertreten sein. Das sind Regionen mit hohem Wachstum, die zudem über strukturelle Vorteile verfügen. Unternehmensanleihen offerieren einen Zinsvorteil gegenüber Staatsanleihen. Eine Anlage in diesem Segment setzt jedoch eine genaue Unternehmensanalyse voraus. Anleihen mit Aktienelementen sind im gegenwärtigen Umfeld ebenfalls eine interessante Investition. Bei Geldmarktrenditen nahe 0 % wird jeder Inflationsanstieg direkte Auswirkungen auf das Portfolio haben. Schutz bietet Anlegern eine Beimischung von inflationsindexierten Anleihen, die derzeit sogar noch zu niedrigen Kosten zu haben sind.——Das Interview führte Claudia Weippert-Stemmer.