Sparkas­senverband Baden-Württemberg

Erste Bremsspuren erkennbar bei Sparkassen im Südwesten

Das Kreditgeschäft der Sparkassen im deutschen Südwesten hat im ersten Halbjahr 2022 neue Höchstwerte erreicht. Allerdings rufen erste Kunden ihre zugesagten Kredite nicht mehr ab. Kreditrisiken nehmen aber noch nicht zu. Neue Kundeneinlagen gab es zwischen Januar und Juni praktisch keine mehr.

Erste Bremsspuren erkennbar bei Sparkassen im Südwesten

spe Stuttgart

Der Kreditbestand der insgesamt 50 öffentlich-rechtlichen Institute in Baden-Württemberg lag Ende Juni bei 157,3 Mrd. Euro (+7,5%). Die Darlehenszusagen erreichten 19,4 Mrd. Euro, davon 9,8 Mrd. Euro an Unternehmen, ebenfalls ein neuer Höchstwert.

Dennoch konstatierte Peter Schneider, Präsident des Sparkas­senverbands Baden-Württemberg (SVBW), auf der Halbjahrespressekonferenz seiner Organisation erste Bremsspuren im Geschäft – etwa wenn Privatkunden ihre zugesagten Kredite nicht abrufen, da sie stark steigende Baupreise von ihrem Vorhaben abbringen würden. „Gleichzeitig werden höhere Finanzierungskosten durch steigende Zinsen in Zu­kunft auf die bisher sehr starke Nachfrage nach Immobilienkrediten brem­send wirken“, sagte er in Stuttgart. So ist das Wachstum der Baukredite, deren Zinskosten sich seit Januar etwa verdreifacht haben, offenbar bereits seit Juni stark abgeflaut.

Mit Blick auf daraus entstehende mögliche Risiken gab sich Schneider freilich entspannt. „Bei Immobilien haben wir im Kreditbuch keinerlei Probleme“, sagte er. Wie der Verband indessen bei Unternehmenskunden beobachtet, dienen die neu eingeräumten Kreditspielräume den Firmen weitgehend zur Liquiditätssicherung sowie dem Aufbau von Lagerkapazitäten und weniger klassischen Investitionen wie neuen Produktionsanlagen. Eine Entwicklung, die Schneider als „Vorkrisensignal“ bewertet.

Stark abgebremst präsentiert sich auch der aggregierte Bestand an Kundeneinlagen, der zwar um 2,3% auf 165,6 Mrd. Euro gestiegen, dessen Wachstum im ersten Halbjahr 2022 aber fast ganz zum Erliegen gekommen ist. Schneider führte diese Entwicklung einerseits auf den Umstand zurück, dass nach dem Wegfall der meisten Corona-Einschränkungen wieder mehr Geld ausgegeben wird, etwa für Urlaub. Andererseits spürten die Sparkassen aber bereits den Rückgang der Sparfähigkeit. So könnten angesichts der Inflation bereits heute rund 40% der Kunden kein Geld mehr zur Seite legen – und das mit steigender Tendenz, so dass bald bis zu 50% der Kunden ihre kompletten Einnahmen für die Deckung der monatlichen Ausgaben bräuchten.

Hoher Realzinsverlust

Schneider betonte, dass auch die inzwischen wieder positiven Zinszahlungen für Einlagen das Problem des Realzinsverlustes nicht lösen könnten. Schließlich ergebe sich bei rund 8% Inflation und einer Rendite von um die 1% für sichere Bundesanleihen immer noch ein nie dagewesener Realzins von minus 7%. Schneider warnte davor, die sozialpolitischen Folgen dieser Situation zu unterschätzen. „Die Welle kommt da erst noch“, sagte er und äußerte gleichzeitig die Hoffnung, dass dem inzwischen von der EZB eingeschlagenen Weg einer restriktiveren Geldpolitik weitere Zinserhöhungen folgen mögen. Schneider äußerte die Erwartung, dass nach der Zinswende der Notenbank zeitverzögert immer mehr Zinsprodukte wieder auf den Markt kommen.

Als wichtige Säule im Kundengeschäft kennzeichnete Schneider das Wertpapiergeschäft, bei dem im ersten Halbjahr Käufen über 7,1 Mrd. Euro Verkäufe von nur 4,7 Mrd. Euro gegenüberstanden. Selbst angesichts der Kursrückgänge seien Verkäufe in der normalen Bandbreite geblieben, sagte er. Diese Entwicklung lasse hoffen, dass man in Richtung einer langfristigeren Wertpapierkultur komme, in der die Anleger auch in Krisenzeiten die Nerven behalten würden.

Schwierige Prognose

Angesichts der unsicheren Ge­samtsituation tat sich der Sparkassen-Präsident mit einer Prognose für das Gesamtjahr schwer. Einerseits führe die Zinswende der EZB 2022 zum ersten Anstieg des Zinsüberschusses der Südwest-Sparkassen seit sieben Jahren – und zwar in der Größenordnung von 80 Mill. Euro bei einem gesamten Zinsüberschuss von 3,1 Mrd. Euro im Vorjahr. Andererseits aber wird die Zinswende das Bewertungsergebnis für Zinspapiere im eigenen Bestand zunächst vorübergehend belasten. Nach heutigem Stand würde das Bewertungsergebnis laut Schneider bei minus 300 Mill. Euro liegen – und das bei einer historischen Spanne zwischen plus 150 und minus 200 Mill. Euro.

Vor Bewertung rechnet Schneider für die Sparkassen im Ländle 2022 mit einem ähnlichen Betriebsergebnis wie 2021, das bei 1,6 Mrd. Euro lag. Das hänge natürlich auch stark von der konjunkturellen Entwicklung ab, für die „von der Rezession bis zum Durchstarten“ alles drin sei. Anders als Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, der erstmals seit zehn Jahren nennenswerte Kreditausfälle erwartet, sieht Schneider keinerlei Anzeichen für eine spürbare Verschlechterung der Bonitäten im Kreditportfolio der Südwest-Sparkassen.

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