Ottmar Bloching

„Es gibt mehr Girocard-Fans, als wir erwartet hatten“

Mit der von Sparkassen ausgegebenen Girocard kann nun erstmals online im E-Commerce bezahlt werden, wenn die Kunden dazu das Bezahlverfahren Apple Pay herunterladen. Im Interview erläutert Ottmar Bloching von S-Payment, dem Payment-Center der Sparkassen-Finanzgruppe, die Vorteile rund um Apple Pay.

„Es gibt mehr Girocard-Fans, als wir erwartet hatten“

Karin Böhmert.

Herr Bloching, seit dem 13. Juli können Sparkassenkunden in Deutschland mit ihrer Girocard und Apple Pay im E-Commerce bezahlen. Warum hat das so lange gedauert? Was waren die größten Hindernisse?

Wir haben als Sparkassen-Finanzgruppe den Anspruch, dass unsere Kunden mit der Sparkassencard, also der von den Sparkassen ausgegebenen Girocard, jederzeit und auf allen Kanälen  bezahlen können. Das gilt auch  für Apple Pay bei den Sparkassen, und das haben wir konsequent abgearbeitet. Zunächst haben wir Ende 2019 die von Sparkassen ausgegebenen Kreditkarten Mastercard und Visa in Apple Pay eingebracht. Dann haben wir  im August 2020 die Girocard als Deutschlands beliebtestes Point-of-Sale-Verfahren in Apple Pay integriert und dies ausgiebig getestet. Als letzten Schritt haben wir jetzt die Girocard im E-Commerce verfügbar gemacht und dies ebenfalls intensiv getestet mit Apple, den involvierten Netzbetreibern und Payment-Service-Providern (PSP). Wir haben das sehr konsequent Schritt für Schritt abgearbeitet.

Gab es denn da keine technischen Herausforderungen? Sonst hätte man das doch schon vor Jahren einführen können? Was war die Voraussetzung, um die Girocard ins E-Commerce einzubinden?

Die Girocard in den E-Commerce zu bringen war eine Herausforderung. Nachdem wir aber die Girocard live hatten, wussten wir, dass Apple die Girocard routen kann und wir die Transaktionen verarbeiten können. Die Prozesse im E-Commerce – etwa wenn ein Kunde die Ware zurückschickt und der Betrag zurückerstattet werden muss – haben wir aufgerüstet und verfügbar gemacht, denn diese Retouren-Prozesse gibt es so im stationären Handel nicht.

Wie viele Menschen in der Sparkassenorganisation sind mit dem Apple-Pay-Projekt beschäftigt gewesen?

Es sind rund 50 Kolleg:innen im Kern-Projektteam und bei den beteiligten Realisierungspartnern. Es sind Kolleg:innen aus der DSV-Gruppe, aus der S-Payment, aus der Finanz Informatik und ganz klar aus dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), die dafür gesorgt haben, dass das Projekt mit den Regularien übereinstimmt.

Warum braucht es den „Umweg“ über den US-Konzern Apple, um in Deutschland im E-Commerce bezahlen zu können?

Wir möchten überall da sein, wo unsere Kunden sind. Sparkassenkunden, die heute ein iPhone besitzen, sind auf der Apple-Plattform unterwegs. Das war für uns der Auslöser, das gemeinsam mit Apple zu machen. Wir profitieren in zweifacher Weise von der Infrastruktur, die Apple aufgebaut hat. Zum einen ermöglicht  Apple beim Bezahlvorgang den Kunden eine bequeme Authentifizierung über PIN-Eingabe, Fingerabdruck oder Gesichtserkennung. Zum anderen können wir die Vorarbeiten nutzen, die Apple hinsichtlich der E-Commerce-Infrastruktur auf der Händlerseite unternommen hat. An diese beiden Punkte haben wir die Girocard angedockt und sind damit live gegangen.

Wenn aber die Infrastruktur von Apple schon vorhanden ist, warum akzeptieren anfangs erst relativ wenige Onlinehändler die Girocard?

Damit ein Händler Apple Pay in seiner App oder seinem Online-Shop akzeptieren kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Er braucht einen Payment-Service-Provider (PSP), der zum einen Apple unterstützt – von ca. 70 im deutschen Markt aktiven PSP sind dies derzeit rund 20 – und zum anderen ein zugelassener  Girocard-Netzbetreiber ist oder mit einem Netzbetreiber für Girocard zusammenarbeitet. Geholfen hat uns an dieser Stelle, dass wir mit Adyen, Computop, Logpay und in Kürze auch mit Payone einen ganz erheblichen Anteil des relevanten Marktes abdecken hinsichtlich Netzbetrieb und PSP. Wir wollten auf jeden Fall mit  großen Onlinehändlern starten und sind total happy, vom Start weg u.a. Flixbus, Mediamarkt, Wolt, Toogoodtogo und Getyourguide dabeizuhaben, aber auch – und das ist mindestens so wichtig –, dass wir auch Frequenzbringer haben. Beim Thema Mobility fällt ja nicht nur der klassische öffentliche Personennahverkehr darunter, sondern wir haben mit Bolt auch einen E-Scooter-Betreiber. Das führt dazu, dass Kunden das neue Girocard-Verfahren regelmäßig nutzen, ebenso wie bei Lieferando. Das bringt Frequenz. Weitere bekannte Marken wie Booking.com, der Juwelier Christ, Cyberport, der dm Drogerie Markt und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden noch im Laufe dieses Sommers einsteigen.

Wie groß ist das Interesse anderer Händler? Oder muss die Sparkassenorganisation diese direkt anwerben?

Sowohl als auch. Wir haben Händler, auf die wir zugegangen sind, es gibt aber auch andere, die aktiv auf die Sparkassen-Finanzgruppe zugegangen sind, um diesen Vorteil ebenfalls zu nutzen. Deshalb war es uns auch so wichtig, in Abstimmung mit Apple an den Markt zu gehen. Wir sind zuversichtlich, schon bald weitere Announcements machen zu können.

Wie lautet der Business Case? Mit welchem Transaktionsvolumen rechnen Sie?

Zum Thema Business Case dürfen wir leider keine Aussagen machen.

Warum nicht?

Es gibt eine Vertraulichkeitsvereinbarung, die wir mit Apple abgeschlossen haben.

Bisher konnte man auch mit der Kreditkarte im E-Commerce bezahlen. Ist es für den Händler von den Kosten her günstiger, wenn der Kunde nun mit der Girocard im Onlinehandel bezahlt?

Da muss sich der Händler an den Dienstleister wenden, der für ihn den Zahlungsverkehr abwickelt. Es gibt zwei wichtige Überlegungen: Für uns ist wichtig, dem Kunden die Wahl zu bieten. Transaktionen mit der Girocard als Debitkarte werden direkt vom Konto abgebucht. Transaktionen mit der Kreditkarte werden einmal im Monat abgerechnet. Der Kunde weiß ziemlich genau, wann er welche Bezahlform wählt. Für uns war es auch eine Überraschung: Als wir mit der Girocard in Apple Pay live gegangen sind, wussten wir zwar, dass es Apple-Fans gibt, weshalb wir in dieses Projekt eingestiegen sind. Wir haben aber auch festgestellt, dass es Girocard-Fans gibt, und zwar mehr, als wir erwartet hatten. Seit der Integration der Girocard in Apple Pay im August 2020 zeigen unsere Statistiken, dass die meisten Kunden ihre Girocard digitalisieren.

Zurück zum Preis. Was ist günstiger für den Händler?

Die Girocard unterliegt wie andere Karten der MIF-Verordnung über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge, das gilt auch für E-Commerce-Transaktionen. Für den Händler ist aber nicht nur die Interchange wichtig, sondern welchen Preis ruft ihm sein Dienstleister auf in Verbindung mit der Conversion Rate, also der Abschlussrate, d.h. wie viele Kunden bestellen tatsächlich und brechen den Kaufvorgang nicht vorher ab? Die Einfachheit des Bezahlvorgangs, für die Apple Pay steht, ist genau der Grund, warum Händler dieses Instrument haben möchten. Wir haben mit der Girocard und Apple Pay zwei bevorzugte Brands kombiniert und sehen deshalb auch die Nachfrage von der Handelsseite.

Also ist es günstiger per Girocard?

Die Interchange einer Debitkarte wie der Girocard liegt unter derjenigen für eine Kreditkarte. Die Frage ist aber, welches Paket bietet der Acquirer (PSP) seinem Händler. Es ist ein sehr bequemer Vorgang für den Kunden, wenn er in einer App mit Apple Pay bezahlen kann. Da sagt auch der Händler, das ist mir einen Aufpreis wert, denn er sieht auch mehr abgeschlossene Käufe, wenn er Apple Pay anbietet. Deshalb ist es nicht nur eine reine Kostenbetrachtung.

Paypal ist aber deutlich teurer für den Händler?

Auch da müsste ich an den Händler verweisen, der natürlich Zahlverfahren in seinem Shop anbieten will, die die Kunden auch nutzen – aber grundsätzlich stimme ich Ihrer Einschätzung zu.

Laut Statistik gibt es doch gar nicht so viele iPhones von Apple in Deutschland wie Smartphones mit Android-Betriebssystemen. Warum startete man nicht zuerst mit Google Pay, um eine größere Reichweite zu erzielen?

Der Marktanteil von Apple iPhones im Vergleich zu Android-Smartphones ist in Deutschland etwa 20 zu 80. Doch untersucht man, welche Kunden ganz klassisch die Sparkassen-App nutzen, dann liegt das Verhältnis schon bei 50 zu 50. Apple-Nutzer sind typischerweise aktiver, sie machen mehr auf ihrem iPhone und geben auch mehr aus.

Dennoch, wann folgt denn die Girocard via Google Pay im E-Commerce?

Wir haben eine eigene App auf den Markt gebracht – Mobiles Bezahlen –, die unterstützt heute schon das Thema Girocard und Kreditkarte und wird im vierten Quartal „Express Kredit“ im Handel unterstützen, also einen sofortigen Kredit aus der App heraus aufs Konto. Von daher ist die Sparkassen-Finanzgruppe auch für das Thema Android gut aufgestellt, und wir investieren natürlich auch hier in die Weiterentwicklung der nächsten Schritte.

Können wir das dieses Jahr schon erwarten?

Laut unserem Fahrplan ist für uns in diesem Jahr das wichtige Thema, Express Kredit auf der App zu platzieren, und dann kommt 2022.

Ist es schwieriger, mit Google als mit Apple zu verhandeln?

Die Frage ist, welches Geschäftsmodell verfolgt der Partner. Das Geschäftsmodell von Apple ist ganz klar nicht die Nutzung von Kundendaten. Apple speichert weder eine vollständige Kartennummer noch die Transaktionsdaten. Für uns ist wichtig: Der Kunde, der sich für Apple Pay registriert, kommt aus der Sparkassen-App und wird dann sozusagen Apple-Kunde. Google hat ein anderes Geschäftsmodell, denn dort treffen Sie auf jemanden, der genau diese Informationen will. Das ist kein einfaches Abwägen. Deshalb hat die Sparkassen-Finanzgruppe damals entschieden, eine eigene App zu bringen. Nicht nur wegen der Daten, sondern auch, um etwa mit Express Kredit unseren Kunden mehr anzubieten, als es der klassische Google-Pay-Ansatz er­möglicht.

Wie schützen die Sparkassen die Kundendaten vor Zugriffen?

Wir haben uns das Datenschutzkonzept von Apple angeschaut und geprüft. Apple Pay benutzt für den Bezahlvorgang eine gerätespezifische Nummer zusammen mit einem einmaligen Transaktionscode. Folglich speichert Apple niemals vollständige Kartennummern oder Transaktionsdaten und teilt sie beim Bezahlen auch nicht mit den Händlern. Kundeninformationen wie Karteninhabername oder die letzten vier Stellen der physischen Kartennummer bei Kreditkarten bzw. die letzten vier Stellen der IBAN bei der Sparkassen-Card (Sparkassen-Card Plus) werden nur dezentral durch die Apple Wallet auf dem Endgerät der Kunden verwaltet und liegen Apple nicht vor. Apple erhält von den Sparkassen bzw. von deren technischen Dienstleistern zudem keine Transaktionsdaten der Kunden. Im Ergebnis wird Apple Pay unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten als weitgehend unkritisch im Vergleich zu anderen endgerätebasierenden Verfahren eingeordnet. Das von Apple hochgehaltene Thema „Privacy“ kann ich daher aus Payment-Sicht nur bestätigen.

Und bei Google Pay ist das so nicht gegeben?

Google hat den Anspruch, Kundendaten auch drittverwerten zu dürfen. Diese Drittverwertung gibt es bei Apple nicht.

Inwieweit ist Paydirekt in das Verfahren eingebunden? Braucht es das noch?

Deutschland ist einer der heterogensten Märkte in Europa, sowohl was das Thema Zahlverfahren betrifft, wie etwa das typisch deutsche Lastschriftverfahren oder Kauf auf Rechnung, als auch die Vielzahl an Dienstleistern und Banken. Wir als Sparkassen-Finanzgruppe haben den Anspruch, dass unsere Kunden überall mit „ihrer Sparkasse“ zahlen können. Wir sagen aber auch, es wird nicht die eine „Silver Bullet“ geben, sondern man muss ein ganzes Bündel an Zahlarten anbieten. Daher ist für uns auch die neue Marke „Giropay“, unter der wir die Online-Zahlverfahren Paydirekt, Giropay und Kwitt zusammengeführt haben, wichtig. Da kann man seit Mai auch mit dem Online-Banking-Log-in bezahlen oder mit Benutzername und Passwort, via PIN oder biometrische Verfahren. Wir arbeiten an weiteren, noch einfacheren Möglichkeiten des Log-ins, denn es muss aus Kundensicht einfach und bequem sein. Das ist entscheidend, damit sich ein Verfahren bei den Kunden durchsetzt.

Giropay neu läuft also weiter?

Ja, wir werden uns auch weiter in Giropay engagieren, denn wir sehen auch Anwendungsfälle genau für die Kunden, die kein Apple iPhone haben und gerne mit Benutzername und Passwort bezahlen möchten, wie dies etwa auch bei Paypal möglich ist. Diesen Kunden möchten wir denselben Komfort bieten können, wobei der Kauf auch gleich direkt vom Konto abgebucht werden kann.

Was fehlt noch für Online und Mobile Payment?

Wir sind schon ziemlich weit vorne. Wir haben das Thema Girocard aufgegleist. Wir haben Android abgedeckt. Wir haben mit Giropay neu eine E-Commerce-Lösung, die von Geld senden und empfangen über Online-Banking-Log-in über Benutzername/Passwort alles anbietet. Wir wollen unseren Kunden Lösungen anbieten, die über das reine „Bezahlen“ hinausgehen.

Das Interview führte

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