FONDS UND ETF

"Es ist besser und billiger"

Interview mit Bernhard Langer

"Es ist besser und billiger"

Bernhard Langer (56), Chief Investment Officer, Invesco Global Quantitative StrategiesHerr Langer, was sind eigentlich Faktoren?Faktoren wie Qualität, Momentum, Size, Growth oder Value sind Werttreiber für Aktien, die zu einer langfristigen Outperformance führen. Daneben gibt es das Beta, welches beschreibt, was sich durch die Entwicklung des Gesamtmarkts erklären lässt, und das Alpha, den Bestandteil, welcher die spezifische Entwicklung einer Aktie betrifft. Das ist also das, auf was die fundamentalen Stockpicker setzen.Ist die quantitative Aktienauswahl mit Faktoren erst durch Computer möglich geworden?Ja, denn ohne eine ausreichende Rechnerleistung können Sie keine Faktoren ermitteln. Vor 30 Jahren war das, was wir Quants machen, in dieser Form nicht möglich. Was sind die Vorteile des Faktor-Investings?Es ist besser und billiger. Faktor-Portfolios führen langfristig zu einer Outperformance, und das bei einer breiten Streuung des Portfolios, was Risiken mindert. Dieser Ansatz ist zudem nicht nur erfolgreicher, sondern auch wesentlich preiswerter als die traditionelle fundamentale Analyse mit Hilfe von Experten für bestimmte Märkte und Regionen, die dann zum Beispiel auch die Managements von Unternehmen treffen. Daher setzen auch große institutionelle Investoren wie zum Beispiel der norwegische Staatsfonds inzwischen vor allem auf Faktor-Investing und haben sich von der früheren Methode mit teuren Länder- oder Branchenexperten verabschiedet. Das war der große Durchbruch für diese Anlagestrategie. Insofern sind Faktor-Strategien durchaus in Mode.Und welche Möglichkeiten hat der Privatanleger? Er kann über ETFs mit Gebühren von sehr wenigen Basispunkten im Jahr in den breiten Aktienmarkt investieren. Faktor-ETFs kosten zwar ein paar Basispunkte mehr, sind verglichen mit traditionellen aktiven Fonds aber auch sehr preiswert. Im Grunde findet dadurch gerade eine Demokratisierung der Anlage statt.Welche Faktoren verwenden Sie?Wir rechnen selbst und versuchen die verschiedenen Faktoren zu verfeinern. Wir betrachten 15 bis 18 Indikatoren auf vier Feldern. Diese sind Gewinn/Gewinnrevision, Preismuster (inklusive Volatilität und Momentum), Qualität (Managementqualität, Bilanz, Mittel für Aktienrückkäufe) sowie Value (inklusive Cash-flows und Dividendenrendite). Im Rahmen der Faktor-Analyse vergleichen wir auch Aktien mit Titeln innerhalb derselben Branche.Ist es nicht ein Problem beim ­Investieren in einzelne Faktoren, dass Faktoren zyklisch sind?Absolut, Faktoren sind zyklisch und Value hat seit drei Jahren katastrophal performt. Warum, das ist eine Riesendebatte, vielfach wird als Grund die zunehmende Dominanz der Technologiewerte angeführt. Auch dürfte die extreme Niedrigzinspolitik der Notenbanken Wachstumswerte in den vergangenen Jahren befördert haben.Sind Multifaktormodelle sinnvoll, oder ist es besser für den Anleger, einen Faktor zu verfolgen?Es mindert das Risiko für den Anleger deutlich, wenn er in mehrere Faktoren investiert. Gegenüber Modellen, Faktoren genau zu timen, sind wir aber eher skeptisch, so etwas funktioniert häufig auf Dauer nicht. Doch macht es durchaus Sinn, einen Faktor, der über einige Zeit sehr gut gelaufen ist, in der Gewichtung etwas zurückzunehmen. Durch quantitative Analysen können Sie Übertreibungen in bestimmten Segmenten oder bei bestimmten Faktoren gut erkennen. Doch können Sie Korrekturen eben nicht genau timen.Gibt es auch Fehlsignale durch Faktoren? Wie begrenzen Sie Risiken?Leider funktionieren bestimmte Faktoren auch nicht in allen Marktphasen wie von Investoren erwünscht. Minimum-Volatility-Aktien weisen zum Beispiel langfristig ein deutlich niedrigeres Risiko als der Gesamtmarkt auf, gleichwohl sind diese Titel im Corona-Crash auch mit eingebrochen. Wir begrenzen Risiken mittels eines sehr breit gestreuten Aktienportfolios unter Verwendung von mehreren Faktoren.Berücksichtigen Sie auch den Aspekt Nachhaltigkeit im Rahmen Ihres Ansatzes?Ja, Nachhaltigkeit wird insbesondere bei unseren institutionellen Kunden immer mehr zum Thema. Dabei sehen wir ESG weniger als Return-, sondern vor allem als Risk-Faktor. Wobei wir bei ESG alle drei Buchstaben und insbesondere auch das G für Governance betrachten. Darüber hinaus können wir bei speziellen Themen wie zum Beispiel “Carbon Footprint” Ungleichgewichte im Faktor-Exposure ausgleichen und somit Risiken vermeiden. Wie sind die Perspektiven für Factor Investing und Smart Beta?Ausgesprochen positiv. Wir erleben gerade im Assetmanagement den Übergang von der Manufaktur zur Massenproduktion. Das ist wie bei den Autos vor gut 100 Jahren, als Henry Ford das Fließband einführte. ETFs sind dabei nur eine Verpackung. Der fundamentale Ansatz produziert zu teuer. Durch quantitative Analyse sind effiziente Portfolios günstig. Dem Anleger stehen jetzt gute und preiswerte Bausteine zur Verfügung. Das Interview führte Werner Rüppel.