UNTERM STRICH

Es wird wieder Subprime getanzt

Börsen-Zeitung, 18.6.2016 Was assoziieren Sie mit dem Namen Prince? Vermutlich geht es in Ihren grauen Zellen ähnlich zu wie bei Google und Sie denken spontan und zunächst einmal ausschließlich an den kürzlich verstorbenen amerikanischen Sänger und...

Es wird wieder Subprime getanzt

Was assoziieren Sie mit dem Namen Prince? Vermutlich geht es in Ihren grauen Zellen ähnlich zu wie bei Google und Sie denken spontan und zunächst einmal ausschließlich an den kürzlich verstorbenen amerikanischen Sänger und Musiker. Bei längerem Nachdenken über den Namen und weil Fußball derzeit ein allgegenwärtiges Thema ist, denken Sie vielleicht auch noch an Kevin-Prince Boateng, dessen Halbbruder gerade in der deutschen Nationalmannschaft um den Europameistertitel kickt. Aber sagt Ihnen der Name Charles Owen “Chuck” Prince noch etwas? Er war ab 2003 Chief Executive Officer der US-Großbank Citigroup, ab 2006 zusätzlich deren Chairman, in beiden Ämtern Nachfolger von Sandy Weill. Besser als der Name Chuck Prince ist vielen am Finanzmarkt einer seiner Sprüche in Erinnerung geblieben, der die damalige, noch im Juli 2007 vorherrschende Unbekümmertheit – besser: Verantwortungslosigkeit – zum Ausdruck brachte: “When the music stops, in terms of liquidity, things will be complicated. But as long as the music is playing, you got to get up and dance. We’re still dancing.”Bekanntlich hatte Chuck Prince bald ausgetanzt. Im November 2007 musste er wegen milliardenschwerer Abschreibungen auf Kreditderivate und Hypothekenverbriefungen infolge der Immobilien- und Subprimekrise seinen Hut nehmen. Die Citigroup war vom weltgrößten Konzern mit umgerechnet fast 200 Mrd. Euro Börsenwert binnen kurzem zum Sanierungsfall geworden: Mitarbeiterzahl halbiert, Börsenwert auf 16 Mrd. Euro geschrumpft und angewiesen auf staatliche Finanzhilfe. Credit Suisse tanzt voranAber manchen Finanzmarkt-Gigolo zuckt es schon wieder in den Beinen. Mit der ersten mit einem Rating versehenen Subprime-Anleihe seit der Finanzkrise hat sich jetzt Credit Suisse als Vortänzer gezeigt und Lone Star als Investor gelockt. Gewiss, die Größenordnung ist mit 161,7 Mill. Dollar nur ein Trippelschrittchen verglichen mit den einstigen Volumina. Aber die Musik “in terms of liquidity” erschallt wieder und lockt die Tänzer aufs Parkett.Steht also die nächste Finanzkrise vor der Tür? Nicht unmittelbar, denn die Verbriefung von “Non-Prime-Hypotheken” gehört genauso zu funktionierenden Kapitalmärkten wie die Ausgabe von Unternehmensanleihen im Non-Investment Grade. Toxische Wirkung erlangten die Subprime-Papiere in der Finanzkrise ja deshalb, weil man ihnen aufgrund der mehrfachen Umverpackung und kaum verständlicher Beipackzettel die Risiken nicht ansah und irreführende Ratings zu leichtfertiger Überdosierung in den Portfolios verleiteten.Daraus hat man gelernt, nicht nur regulatorisch, wie zumindest die ersten neuen Angebote auf dem Subprime-Markt zeigen. Erstens wird kein Hehl daraus gemacht, dass hier Finanzierungen von Hauskäufern auf den Markt kommen, die unter regulären Bedingungen keinen Immobilienkredit bekommen hätten. So wird darauf hingewiesen, dass immerhin 47 % des Volumens der erwähnten Non-Prime-RMBS (Residential Mortgage Backed Securities) von Schuldnern stammen, die schon einmal zahlungsunfähig geworden sind. Zweitens sind die Einkommensverhältnisse der Schuldner der zugrunde liegenden Kredite vollständig erfasst und von unabhängiger Seite geprüft worden und drittens wird Lone Star einen Eigenanteil am Paket von mindestens 5 % behalten.Und dennoch ist die allmähliche Wiederbelebung des Subprime-Marktes ein Fingerzeig für die krisenhafte Zuspitzung an den Finanzmärkten. Man kann daran einerseits erkennen, wie groß der Anlagenotstand inzwischen ist, in den die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken Investoren getrieben hat. Auf der Suche nach Rendite werden wieder Risiken in Kauf genommen wie in Zeiten vor der Finanzkrise.Das Fehlen von Anlagealternativen hat es Unternehmen andererseits ermöglicht, die Fremdkapitalfinanzierung hochzufahren, die Kapitalkosten zu senken und Akquisitionen zu finanzieren, die sich unter “normalen” Fremdkapitalkosten nicht gerechnet hätten. In den USA erreichen die Schulden der Unternehmen (Nicht-Banken), die 2008 nach Ausbruch der Krise bei 13,5 Bill. Dollar lagen, inzwischen 16,7 Bill. Dollar. Damit sind sie nicht mehr weit von der US-Staatsverschuldung von 19,3 Bill. Dollar entfernt, die immerhin 104 % des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Müssten die Unternehmen auch nur um 1 % höhere Zinskosten verkraften, wären das 167 Mrd. Dollar an zusätzlicher Belastung. Viele Unternehmen würden unter der plötzlichen Zinslast zusammenbrechen, wenn die Notenbanken – und die Fed nimmt ja schon seit langem Anlauf – tatsächlich die Zinsen erhöhen.Kaum weniger Grund zur Sorge gibt das Leben auf Pump im privaten Bereich. Die Verschuldung der privaten US-Haushalte hat im ersten Quartal 2016 mit 12,3 Bill. Dollar beinahe wieder das Rekordniveau vom dritten Quartal 2008 mit damals 12,7 Bill. Dollar erreicht. Während darunter die Hypotheken mit 8,4 Bill. Dollar trotz des seit 2013 wieder anziehenden Marktes noch unter dem Vorkrisenniveau rangieren, sind Autokredite und Studentendarlehen seither kräftig geklettert. Autokredite bereiten SorgenVor allem bei Autofinanzierungen, die im Mai erstmals die 1-Bill.-Dollar-Marke überschritten, könnte ein neues Subprime-Problem entstehen. Denn ein Fünftel der Kredite wird Subprime-Schuldnern zugerechnet, und die Verbriefung dieser Kredite hat mit 27 Mrd. Dollar jüngst ein Zehnjahreshoch markiert.Für sich genommen mögen all die Verschuldungsdaten noch nicht bedrohlich wirken, vor allem wenn das Zinsniveau niedrig bleibt und die Musik “in terms of liquidity” weiter spielt. Je länger aber die Niedrigzinsphase die öffentliche und private Verschuldung treibt und damit Sparen und den Aufbau von Kapitalpuffern für schlechtere Zeiten erschwert, desto größer die Gefahr, dass schon ein Leiserdrehen der Musik die Tänzer stolpern lässt. Was dann passieren kann, ist seit dem Jahr 2007 bestens bekannt.- c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus DöringDer Subprime-Markt kommt wieder in Schwung. Das spiegelt die krisenhafte Zuspitzung an den Finanzmärkten.——-