Lehren aus dem Wirecard-Kollaps

ESMA sieht Schönheitsfehler in BaFin-Reform

Der EU-Wertpapierregulator ESMA hält die BaFin-Reform nach dem Wirecard-Kollaps insgesamt für gelungen, sieht aber gleichwohl noch Mängel.

ESMA sieht Schönheitsfehler in BaFin-Reform

ESMA sieht Schönheitsfehler in BaFin-Reform

Nach Wirecard-Kollaps erkennt EU-Regulator Fortschritte, doch Unabhängigkeit und Interessenkonflikte bleiben Streitthema

jsc Frankfurt

Vier Jahre nach dem Kollaps von Wirecard lobt der EU-Wertpapierregulator ESMA die Reform der Finanzaufsicht BaFin, sieht aber zugleich Mängel: Zwar habe Deutschland die Bilanzkontrolle gestärkt, die Regeln für die Kapitalanlage von Beschäftigten wesentlich nachgeschärft, den Informationsfluss verbessert und ein wirksames Whistleblower-System installiert, wie die European Securities and Markets Authority in einem „Follow-up Report“ festhält.

Berlin beaufsichtigt Bonn

Zugleich gießt der EU-Regulator Wasser in den Wein: Erstens kann eine Einflussnahme des Bundesfinanzministeriums auf die BaFin aus Sicht der ESMA nicht „vollständig ausgeschlossen“ werden. Zwar haben sich BaFin und Ministerium auf eine „operative Unabhängigkeit“ der BaFin verständigt, wie das Dokument „Grundsätze der Zusammenarbeit“ vorgibt. So muss die BaFin in der Regel nicht in Berlin um Erlaubnis bitten, wenn sie Aufsichtsmaßnahmen verhängt.

Das Dokument, das nach dem Wirecard-Kollaps erneuert worden war, regelt aber auch die Befugnisse des Ministeriums: So kann Berlin ad hoc auch zu Einzelunternehmen von der BaFin Angaben einfordern, wenn zum Beispiel eine „breite Auswirkung auf den Finanzmarkt insgesamt“ zu befürchten ist, „ein erheblicher Schaden für Anlegerinnen und Anleger“ droht oder „tatsächliches oder potenzielles öffentliches Interesse“ besteht. Aus Sicht der ESMA ist denkbar, dass die BaFin in bestimmten Fällen Aufsichtsmaßnahmen vorab an das Ministerium weitergibt. Die BaFin betont auf Nachfrage, dass ihre operative Unabhängigkeit respektiert werde.

Kontrolle könnte umfassender sein

Zweitens könnten die Regeln zu Wertpapiergeschäften von BaFin-Mitarbeitern strenger sein. Um etwaige Interessenkonflikte zu vermeiden, dürfen die Beschäftigten nicht mit Finanzinstrumenten von beaufsichtigen Unternehmen handeln. Das gilt in der Aufsicht zudem für Finanzinstrumente mit Bezug zu Banken, Versicherern und anderen Finanzfirmen in der EU. Spekulative Finanzgeschäfte, etwa mithilfe von Derivaten, sind untersagt.

Die ESMA sieht hier „erhebliche und umfangreiche Verbesserungen“. Die Regeln erscheinen demnach als „grundsätzlich angemessen“. Allerdings müssen die Beschäftigten ihre bisherigen Geldanlagen nicht automatisch melden, sondern nur stichprobenartig, auf Verdacht oder bei einem Wechsel der Position, wie die ESMA hervorhebt. Damit besteht laut Bericht keine Gleichheit mit Neueinsteigern, die ihre Geldanlagen von Anfang an offenlegen müssen. Der Gesetzgeber hätte hier nach Lesart der ESMA einen Schritt weiter gehen können. „Die BaFin setzt bei der Kontrolle der privaten Finanzgeschäfte ihrer Mitarbeitenden auf deren Mitwirkung und Korrektheit“, erklärt die deutsche Aufsicht dazu.

Bilanzkontrolle im Lot

Die Neuordnung der Bilanzkontrolle ist nach Einschätzung der ESMA geglückt. Denn das frühere zweistufige Verfahren, in dem zunächst die privatwirtschaftlich getragene Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) die Bilanz eines Unternehmens durchleuchtete und die BaFin nur in Ausnahmen direkt eingriff, hat Deutschland aufgegeben. Das DPR wurde aufgelöst und die Bilanzkontrolle ging allein an die BaFin über, die darüber hinaus weitere Durchgriffsrechte erhielt. Zwar lässt die ESMA offen, ob die Auflösung notwendig war. Sie hatte im November 2020 aber eine schleppende Zusammenarbeit von Prüfstelle und BaFin moniert.

Die BaFin erklärte, sie begrüße den Bericht als Gradmesser bisher umgesetzter Reformen. „Die Verbesserung unserer Prozesse und die Modernisierung der BaFin werden wir kontinuierlich fortsetzen.“

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