ESMA will Durchgriffsrecht im Euro-Clearing

Chef der europäischen Marktaufsicht strebt konsistente Aufsicht an - Drittstaaten-Äquivalenzkriterien werden regelmäßig geprüft

ESMA will Durchgriffsrecht im Euro-Clearing

Die europäische Marktaufsicht will eine “konsistente” Regulierung von Clearinghäusern auch in Drittländern, erklärt ESMA-Chef Steven Maijoor im Gespräch. Zudem könnten künftig die Äquivalenzkriterien für Drittländer regelmäßig neu eingeschätzt werden.Von Dietegen Müller, FrankfurtAnfang 2018 gelten die Finanzmarktrichtlinie Mifid II und die Umsetzungsverordnung Mifir, was für den Finanzmarkt in der Europäischen Union (EU) eine Zäsur darstellt. Nicht überall läuft die Umstellung glatt. Lange gab es im deutschen Markt Verwirrung, ob Wertpapiere, deren Emittenten keinen Identifikationscode, den sogenannten Legal Entity Identifier (LEI), haben, ab 3. Januar 2018 gehandelt werden dürfen. Die europäische Marktaufsicht (ESMA) klärte dies erst vor Weihnachten. So gewährt die Aufsicht unter gewissen Bedingungen eine Übergangsfrist von sechs Monaten, sollte der Identifikationscode noch fehlen (vgl. BZ vom 21. Dezember).Ein weiteres relevantes Thema betrifft die Frage, wie künftig das Clearing von auf Euro lautenden Zinskontrakten beaufsichtigt werden soll. Bisher findet das Euro-Clearing fast gänzlich in London statt. Mit dem Brexit würde Großbritannien zum Drittland, und die EU verlöre die Kontrollrechte darüber, wie etwa Einblicke in die Risikomodelle des zentralen Kontrahenten (CCP), der die Euro-Kontrakte verrechnet. Deswegen will die EU-Kommission das Euro-Clearing unter direkte Aufsicht stellen und nicht bloß über eine aufsichtsrechtliche Anerkennung der “Äquivalenz” der britischen Aufsicht regeln. Die Kommission will mittels einer Reform der Marktinfrastrukturverordnung Emir die Rolle der ESMA in der CCP-Aufsicht stärken. Europas Stabilität im FokusMaijoor macht deutlich, dass die ESMA Wert darauf legt, die Frage der Drittländer-Regelung in der Aufsicht über als systemrelevant eingeschätzte zentrale Gegenparteien (CCP) “konsistent” zu lösen. Er erklärt, im Rahmen der laufenden Überprüfung der europäischen Aufseher durch die EU-Kommission – der ESA Review – überprüfe die EU die Äquivalenzregimes mit Drittländern. Es sei aus Sicht der Systemstabilität “unbefriedigend, keine Durchgriffsrechte auf Marktteilnehmer außerhalb der EU zu haben, die für die europäische Systemstabilität und für europäische Kunden einen hohen Stellenwert” hätten, sagt Maijoor.Mögliche Ansatzpunkte für die Entscheidung, ob im Euro-Clearing direkte Durchgriffsrechte notwendig werden sollten, dürften die Größe des betroffenen Marktvolumens sowie eine Einschätzung, welchen Stellenwert dieses Geschäft für europäische Gegenparteien hat, sein. Angesprochen darauf, ob dies auch für das Dollar-Clearing in New York gelten könnte, sagt Maijoor: “Es geht nicht um das Euro-Dollar-Clearing an sich, sondern generell darum, ob bei der Bedienung von europäischen Kunden bestimmte Schwellenwerte erreicht werden.”Der ESMA-Chef äußert sich nicht dazu, wie genau seine Behörde in diesem Bereich vorgehen will, lässt aber durchblicken, dass es zumindest in der Frage von Drittländer-Äquivalenzregeln auch darauf hinauslaufen könnte, “regelmäßige Einschätzungen der Äquivalenzkriterien” vornehmen zu können, wenn die vorgeschlagenen Reformen der Marktinfrastrukturrichtlinie Emir – in Brüssel als Emir 2.2 bezeichnet – akzeptiert werden.Die Frage der Äquivalenz der Aufsicht von Drittstaaten hat vor Weihnachten an Brisanz gewonnen, weil die EU dem Schweizer Finanzplatz, der außerhalb der EU arbeitet, nur eine zeitlich befristete Äquivalenz-Anerkennung bis Ende 2018 zugestanden hatte, anders als etwa Australien und Hongkong. Die Schweizer Regierung hat entsprechende Gesetzesanpassungen über das Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) und Finanzinstitutsgesetz (Finig) vorangetrieben, doch befinden sich die Vorlagen noch in parlamentarischer Beratung. Nach derzeitiger Erwartung dürften sie 2019 in Kraft treten.Die befristete Anerkennung hat die EU mit mangelnden Fortschritten in Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen begründet. Es geht darum, dass die Schweiz Zugang zum EU-Markt etwa in Finanzdienstleistungen erhält, dafür aber der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Streitfällen entscheiden soll. In Teilen der Schweizer Politik wird dies als inakzeptabler Eingriff in Souveränitätsrechte betrachtet. Auffälligerweise hat sich Großbritannien, das mit der EU in Brexit-Verhandlungen steht, in der Abstimmung über die befristete Äquivalenz-Anerkennung der Stimme enthalten.Was grundsätzlich die Frage des Euro-Clearing anbelangt, soll laut einem Entwurf der EU-Kommission die ESMA einschätzen, welche Clearinghäuser systemrelevantes Geschäft betreiben und welche derart “signifikant systemrelevant” sind, dass die Aufsicht nicht auf Basis von Äquivalenz-Vereinbarungen umgesetzt werden kann, sondern nur, indem das entsprechende Geschäft auf dem Gebiet der EU-27 abgewickelt wird. Die Aufsicht über zentrale Kontrahenten soll ein sogenannter CCP-Exekutivausschuss haben. Während Frankreich tendenziell der ESMA mehr Aufsichtsrechte geben will, neigt Deutschland der Position zu, die CCP-Aufsicht stärker der Europäischen Zentralbank zuzuweisen. Bundesbank fordert EinblickBundesbank-Präsident Jens Weidmann hat in diesem Zusammenhang in Frankfurt kürzlich vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW) erklärt, die Zentralbanken, die Euro herausgeben, sollten “eine stärkere Mitsprache” haben. Die Positionen zwischen Deutschland und Frankreich lägen dabei aber nicht so weit auseinander. Weidmann pochte aber auf “direkte Mitwirkung” mit vollem Einblick in der Aufsicht über systemrelevante Clearinghäuser, nicht zuletzt, weil die Notenbanken im Krisenfall Notfallliquidität zur Verfügung stellen würden. Dass dabei ein sogenanntes Standorterfordernis nötig sein könnte, schloss der Bundesbank-Chef nicht aus.Zur Regulierung des Clearing von Dollar für Gegenparteien aus der EU sagte Weidmann, er glaube, eine gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der Aufsicht reiche aus. Wäre dies nicht der Fall, so Weidmann auf Nachfrage dieser Zeitung, “hätten wir ja gehandelt”.