Wohnimmobilien

ESRB treibt deutsche Aufsicht an

Der Europäische Systemrisikorat macht wegen der Risiken am bundesweiten Wohnimmobilienmarkt weiter Druck. Unter anderem soll Deutschland möglichst rechtsverbindliche Obergrenzen für Beleihungsausläufe festlegen.

ESRB treibt deutsche Aufsicht an

bn Frankfurt

 Der Europäische Systemrisikorat (European Systemic Risk Board/ESRB) treibt die makroprudenziellen Aufseher in Deutschland an. Am Freitag empfahlen die Stabilitätswächter der Bundesrepublik eine ganze Reihe an Maßnahmen zur Bändigung des Booms am Wohnimmobilienmarkt. So sollen möglichst rechtsverbindliche Obergrenzen für den Beleihungswertauslauf von Wohnimmobilienfinanzierungen festgelegt werden. Zudem spricht sich der Risikorat dafür aus, das rechtliche Rahmenwerk in der Bundesrepublik zu erweitern. Die Relation zwischen Verschuldung und Einkommen bzw. zwischen Schuldendienst und Einkommen von Kreditnehmern sollte demnach limitiert werden können. Auch schwebt dem ESRB eine Handhabe der Aufseher vor, Amortisationsanforderungen an Wohneigentumskäufer zu formulieren – Frankreich hat eine solche Re­striktion bereits in Kraft gesetzt.

Zudem empfiehlt der Anfang Dezember abgeschlossene Bericht des ESRB eigenkapitalbasierte Maßnahmen. Diese Forderung ist obsolet, nachdem der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) den antizyklischen Kapitalpuffer reaktiviert sowie auf 0,75 % festgesetzt und einen sektorspezifischen Systemrisikopuffer für Wohnimmobilien angekündigt hat. Mit seiner Empfehlung übte der Risikorat am Freitag ein weiteres Mal Druck auf Deutschlands Finanzaufsicht aus, mit Blick auf Immobilienpreise und Finanzstabilität aktiver zu werden. Im September 2019 hatte Deutschland mit Blick auf die mittelfristigen Risiken seines Immobilienmarktes bereits eine Warnung vom ESRB kassiert, neben Tschechien, Frankreich, Island und Norwegen.

Warnungen schickt der Risikorat eigenen Angaben zufolge, wenn er systemische Risiken in signifikantem Ausmaß identifiziert hat; Empfehlungen hingegen gelten Maßnahmen zur Abhilfe. Die Empfehlungen des ESRB sind rechtlich nicht bindend, jedoch Gegenstand eines „Comply or Explain“-Verfahrens. Ihr Adressat muss dem Europäischen Parlament, Rat, der Kommission sowie dem ESRB darlegen, welche Maßnahmen er ergreift oder wie er seine Inaktivität rechtfertigt.

Bloßgestellt

Im November hatte dann die EZB in ihrem Finanzstabilitätsbericht Deutschland bloßgestellt mit der Veröffentlichung einer Tabelle zu makroprudenziellen Maßnahmen in 16 der 19 Euro-Staaten, welche einzig Deutschland als Land auswies, das bislang nicht auf die geldpolitisch induzierte Hausse von Wohnimmobilienpreisen reagiert hat.

Mitte Januar kündigte die BaFin unter Verweis auf Analysen des Ausschusses für Finanzstabilität und des ESRB die Reaktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers und des sektoralen Puffers für Wohnimmobilienkredite an. Die Kreditwirtschaft opponiert gegen die Auflagen, im Bundestag stoßen sie dagegen auf Zustimmung. Der Anstieg der Häuserpreise finde auf einer zunehmend breiteren Basis sowohl in der Stadt als auch auf dem Land statt, teilte das ESRB am Freitag mit. In der Folge deuteten Schätzungen auf eine „hohe und wachsende Überbewertung der Häuserpreise in Deutschland“ hin. Tags zuvor war bekannt geworden, dass der Immobilienpreisindex des Verbands der Pfandbriefbanken im Schlussquartal 2021 einen Höchstwert erklommen hat.

Die gesetzliche Basis für Beschränkungen des Beleihungswertauslaufes sowie für Amortisationsanforderungen hatte die Bundesregierung schon 2017 geschaffen. Wie indes das ESRB moniert, erschwert ein Mangel an detaillierten Daten zur Kreditvergabe eine umfassende Analyse der Verwundbarkeiten am deutschen Wohnimmobilienmarkt. Die Bundesbank hatte in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht eingeräumt: „Die Datenlage zu Kreditvergabestandards bei der Finanzierung von Wohnimmobilien privater Haushalte ist in Deutschland derzeit noch lückenhaft.“ Zwar ist im vergangenen Jahr eine Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung in Kraft getreten, die dies ändern soll. Nach einer Umsetzungsfrist von 18 Monaten sind die ersten Daten aber erst im kommenden Jahr zu melden.

Deutschland ist neben Österreich das einzige EU-Land, dem das ESRB konkrete Maßnahmen empfiehlt. Warnungen mit Blick auf ihren Wohnimmobilienmarkt erhielten am Freitag Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Liechtenstein und die Slowakei.

Wertberichtigt Seite 6

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