Ether ist auf dem Weg zur globalen Währung
Beacon Chain, Sharding, Proof of Stake, ich verstehe kein Wort. Dabei beschreiben diese Begriffe die Revolution, die in der Blockchain-Welt im Gange ist und den Finanzsektor disruptieren dürfte. Mit der für Mitte September terminierten grundlegenden Umstellung der Ethereum-Blockchain werden die Voraussetzungen geschaffen, um dezentralen Geschäftsmodellen im Finanzbereich, dem Decentralized-Finance-Sektor (DeFi), zum Durchbruch zu verhelfen. Für traditionelle Kreditinstitute könnte es mittel- bis langfristig ungemütlich werden, sollten sie diese Entwicklung verschlafen. Und es dürfte sich eine neue globale Währung etablieren, Ether, die native Währung der korrespondierenden Blockchain.
Intermediäre überflüssig
Aber der Reihe nach. Die Ethereum-Blockchain ist im Grunde genommen eine Art Basistechnologie. Ähnlich wie Strom, das Internet oder KI lässt sie sich für ganz unterschiedliche Zwecke verwenden, und hier nehmen DeFi-Geschäftsmodelle eine prominente Stellung ein. In diesem Bereich wird die Ethereum-Blockchain bereits eingesetzt, um dezentral agierende Assetmanager, Kreditvermittler, Handelsplätze, Versicherungen und Zahlungsverkehrsdienstleister aufzubauen. Das Besondere an ihnen: Die Geschäftsmodelle sind nichts anderes als eine Sammlung von Codes, die auf der Blockchain programmiert sind – die Smart Contracts – und sie machen teure Intermediäre überflüssig.
Ganz umsonst sind die Aktivitäten auf dieser Blockchain jedoch nicht, denn für jede Transaktion, die auf dem Netzwerk durchgeführt wird – sei es etwa die Implementierung eines Smart Contracts oder die Nutzung einer DeFi-Dienstleistung –, müssen Bruchteile von Ether eingesetzt werden, um die Betreiber der Blockchain zu entlohnen. Und hier liegt das Problem. Denn die Ethereum-Blockchain drohte zum Opfer des eigenen Erfolgs zu werden. Die Transaktionsgebühren schwanken sehr stark und können bis zu mehrere Hundert Euro betragen. Das liegt an der Nicht-Skalierbarkeit der Ethereum-Blockchain, sodass in Zeiten hoher Nachfrage nach Transaktionen die Gebühren dramatisch ansteigen. Die Validierung der Transaktionen erfolgte bislang außerdem durch das energieintensive Lösen von kryptografischen Rätseln, das sogenannte Mining in Form des Proof-of-Work-Verfahrens. Der Energieverbrauch zum Betreiben der Ethereum-Blockchain entspricht derzeit dem Stromverbrauch von Finnland. Dieser Umstand machte die Ethereum-Blockchain aus Klimaschutzgründen zusätzlich angreifbar.
Nunmehr aber steht ein Kurswechsel bevor. Mitte September wird, wenn alles nach Plan läuft, die Ethereum-Blockchain vom Proof-of-Work-Verfahren auf das Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt. Letzteres ist eine Methode, bei der die Teilnehmer, die die Richtigkeit von Transaktionen feststellen (die Validatoren), eine bestimmte Menge an Ether in einem als Treuhänder fungierenden Smart Contract auf der Blockchain deponieren. Durch ein Zufallsprinzip wird alle zwölf Sekunden einer der Validatoren ausgewählt, um einen neuen Block von Transaktionen zu wählen und zu validieren.
Anreiz für Validatoren
Als Belohnung für diese Aktion erhalten die Validatoren jeweils einen im Protokoll festgelegten Betrag in Ether. Die Auswahl der Transaktionen wird von den anderen Blockchain-Teilnehmern überprüft und wenn sich herausstellt, dass betrügerische Transaktionen genehmigt wurden, werden die von dem Validator deponierten Ether eingefroren. Bei 32 Ether – das ist die Menge an Ether, die deponiert werden muss, das entspricht bei einem Etherkurs von 1500 Euro 48000 Euro – ist dies ein starker Anreiz, die Validierung sorgfältig durchzuführen und auf Betrug zu verzichten.
99 Prozent weniger Energie
Anders als beim Proof-of-Work-Verfahren ist für das Proof-of Stake-Verfahren keine besondere Rechenleistung notwendig, und der Energiebedarf ist minimal. Die Ethereum-Stiftung sagt, dass das Verfahren mehr als 99% an Energie einspart.
Die Umstellung des Verfahrens erfolgt, indem die zu diesem Zweck bereits 2020 aufgebaute Beacon Chain, die auf dem Proof-of-Stake-Verfahren beruht, mit der existierenden Ethereum-Blockchain fusioniert wird. Daher wird das Ereignis auch gerne als „The Merge“ angekündigt.
Diese Umstellung, auf die man seit vielen Jahren hinarbeitet und die immer wieder verschoben wurde, ist bahnbrechend. Denn nur so wird es im nächsten Jahr möglich sein, die Skalierbarkeit der Ethereum-Blockchain zu erhöhen und die Transaktionskosten auf ein Minimum zu senken. Verkürzt gesagt geschieht dies, indem die Validatoren nur kleinere Einheiten der Blockchain überprüfen müssen. Die dafür notwendige Aufteilung der Blockchain nennt sich Sharding. Dadurch wird es möglich sein, die Skalierbarkeit der Ethereum-Blockchain um ein Vielfaches zu erhöhen. Und damit dürfte die Revolution im Finanzsektor an Fahrt aufnehmen. Denn die Skalierbarkeit und die Reduktion der Transaktionskosten wird es ermöglichen, dass sich auf einmal Zehntausende von Geschäftsmodellen rechnen, die bislang von traditionellen Finanzinstituten zu günstigeren Bedingungen angeboten werden konnten.
Die Währung Ether dürfte unter diesen Umständen als Zahlungsmittel global an Bedeutung gewinnen. Ether ist bereits jetzt eine Währung, die als Zahlungsmittel benötigt wird, um bestimmte digitalisierte Dienste auf der Ethereum-Blockchain zu erwerben bzw. um Smart Contracts dort zu implementieren. Auch für die Tokenisierung von Vermögenswerten – also die Aufteilung von Assets in kleine digitale Einheiten, wodurch diese handelbar werden – ist die Ethereum-Blockchain die erste Wahl, und diese Dienstleistung kann ebenfalls nur mit Ether erworben werden. Ether ist daher ein Zahlungsmedium bzw. Geld. Da Ethereum international eingesetzt wird, wird Ether durch den „Merge“ und die weiteren Schritte in Richtung Skalierbarkeit eine wahrhaft globale Währung.