EU-Aufsicht tauscht die Kristallkugel aus

Rendite-Szenarien im Priips-Basisinformationsblatt für Finanzprodukte werden reformiert - Befragung der Branche bis Mitte Januar

EU-Aufsicht tauscht die Kristallkugel aus

Das Priips-Informationsblatt für Finanzprodukte erfährt seit seiner Einführung 2018 Kritik. Die Performance-Szenarien hängen demnach zu stark an der bisherigen Kursentwicklung und schwanken stark. Die EU-Aufsicht will die Methodik nun auf neue Füße stellen. jsc Frankfurt – Nach Kritik von Anlegerschützern und aus der Finanzbranche an den Angaben im Basisinformationsblatt für Finanzprodukte schlägt die EU-Aufsicht eine neue Berechnung vor: Die Performance-Szenarien, die mögliche Wertentwicklungen eines Finanzproduktes ausweisen, sowie zum Teil auch die Schätzung indirekter Handelskosten sollen nach dem Vorschlag der Wertpapieraufsicht ESMA, Bankenaufsicht EBA und Versicherungsaufsicht EIOPA neu berechnet werden.Noch bis zum 13. Januar nimmt die ESMA Stellungnahmen zu der Überarbeitung der EU-Verordnung Priips entgegen. Dafür hat sie ein Formular mit 57 Fragen vorbereitet. Die Priips-Verordnung ist seit Anfang 2018 wirksam. Gewöhnliche Investmentfonds bleiben jedoch vorerst verschont, wenn sie während der Übergangsphase das alte Informationsblatt weiterverwenden.Im Kern geht es um die Frage, wie unsichere Größen geschätzt werden können, um verschiedene Finanzprodukte wie Fonds, fondsgebundene Versicherungen und Zertifikate miteinander vergleichbar zu machen. Die Performance-Szenarien skizzieren mögliche künftige Renditen, die anhand der bisherigen Entwicklung eines Finanzproduktes geschätzt werden.Ein Computer konstruiert dabei aus der Kursentwicklung der vergangenen fünf Jahre neue Kursverläufe. Aus der Verteilung der so simulierten Entwicklung wird eine positives, mittleres und pessimistisches Szenario herausgegriffen, ergänzt um ein Stressszenario. Die Szenarien hängen daher stark vom Kursverlauf der jüngeren Vergangenheit ab und ändern sich im Laufe der Zeit sehr stark (siehe Grafik).Nun schlagen die Behörden eine Methode vor, die aus zwei Elementen besteht: Erstens wird der Erwartungswert der Rendite ermittelt, indem ein Referenzsatz – abgeleitet aus den Konditionen für Staatsanleihen – mit einem Risikoaufschlag kombiniert wird. Zweitens ermittelt das Modell eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, die einer schiefen Glockenkurve mit breiten Ausläufern ähnelt und die Eigenschaften von Börsenkursen reflektieren soll. Aus diesen Werkzeugen werden die Performance-Szenarien konstruiert.Nach Einschätzung der Aufseher bietet dieser Ansatz den Vorteil, dass die Szenarien weniger von der jüngsten Marktentwicklung abhängen. Allerdings müssten die Anbieter dafür Daten für die einzelnen Bestandteile eines Finanzproduktes ausweisen und die Systeme umstellen.Ein weiteres Problem der aktuellen Methode: Die Berechnung jährlicher Renditen kann für bestimmte Papiere unrealistische Werte ergeben. So können die Werte für Zertifikate, die je nach Gattung, Basiswert und Parameter unterschiedlich konzipiert sind, unplausibel sein und Mond-Renditen ausweisen. Die Aufseher bringen daher “illustrative”, also beispielhafte Szenarien ins Spiel. Eine weitere Überlegung lautet, die Zahl der ausgewiesenen Szenarien zu reduzieren. Ebenso denken die Aufseher darüber nach, die bisherige Kursentwicklung auszuweisen. Unklare SchätzungZurückhaltender zeigen sich die Aufseher bei der Kalkulation der indirekten Handelskosten, die Teil der Transaktionskosten sind. Kauft oder verkauft etwa ein Fonds Wertpapiere, entstehen dabei nicht nur unmittelbare Kosten für die Ausführung. Weil ein Fondsmanager in großem Umfang Aufträge tätigt, beeinflusst er möglicherweise auch die Kurse zu seinen Ungunsten, je nach Handelshäufigkeit, Marktgegebenheit und Größe des Fonds. Der Effekt schmälert die Rendite, doch er kann nur ungefähr geschätzt werden.Die Aufseher befürworten im Wesentlichen die bisherige Methode: Kursabweichungen, die sich parallel mit der Ausführung einer Transaktion ergeben, werden dabei über längere Zeiträume erfasst. Zufällige Schwankungen gleichen sich auf lange Sicht aus, so dass der tatsächliche Effekt auf die Kurse zutage tritt, so die Überlegung. Trotzdem kann die Schätzung daneben liegen und sogar negative Kosten – also ein Plus für den Anleger – zur Folge haben. Die Aufsicht schlägt vor, das Ergebnis in diesen Fällen so nicht auszuweisen, um die Anleger nicht zu verwirren. Auch solle es ein vereinfachtes Verfahren geben, sofern ein Fonds nur wenige Transaktionen ausführt oder das Portfolio nur im geringen Umfang ändert. Eine Frage der Konsultation lautet daher, welche Schwellenwerte für eine solche Ausnahme angemessen wären.Die Aufseher werfen auch die Frage auf, ob Anbietern mehr Ermessensspielraum zustehen sollte, wie implizite Handelskosten zu schätzen sind. Die bisherige Methode sei aber vorteilhaft, lautet die Einschätzung.