EU-Aufsicht warnt vor Cum-ex-Varianten in Europa
jsc Frankfurt – Die EU-Wertpapieraufsicht warnt vor einer möglicherweise weiten Verbreitung verschiedener steuerinduzierter Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag. Da Geschäfte wie die Cum-ex- und Cum-cum-Konstruktionen sowie verwandte Konzepte in vielen Ländern möglich waren oder im Prinzip noch immer möglich sind, besteht die Gefahr missbräuchlicher Systeme fort, wie aus einem Abschlussbericht der European Securities and Markets Authority (ESMA) hervorgeht.Denn Modelle, die auf eine einmalige oder auch mehrfache Rückerstattung von Steuern zielen und unter Umständen nicht legal sind, sind laut Bericht potenziell weit verbreitet. In mindestens sechs EU-Ländern haben Steuerämter oder Strafverfolgungsbehörden bereits Ermittlungen eingeleitet: Neben Deutschland zählen Österreich, Dänemark, Belgien und Ungarn zu dieser Gruppe. Auch in Luxemburg wird ermittelt, auch wenn sich das Land selbst nicht unmittelbar betroffen sieht, wie die ESMA-Umfrage unter den nationalen Aufsichtsbehörden weiter ergeben hat. Darüber hinaus laufen Ermittlungen in Großbritannien, das aus der EU ausgetreten ist und nicht mehr in den Beritt der ESMA fällt.In sechs Ländern sehen die nationalen Aufseher laut Bericht darüber hinaus zwar bislang keinen Beweis dafür, dass ein Schaden durch ein steuerinduziertes Konstrukt – einem “Witholding Tax Scheme” (WHT Scheme), wie der Sammelbegriff lautet – ein Schaden entstanden ist, doch kategorisch ausschließen wollen die Behörden dies nicht: Dazu zählt erneut Luxemburg, außerdem Polen, Estland, Litauen, Schweden und die Slowakei. Die Liste ist womöglich nicht vollständig, da nicht jede Aufsichtsbehörde ausreichend geantwortet hat. Angeschoben wurde die Untersuchung vor bald zwei Jahren auf Initiative des EU-Parlaments, nachdem Cum-ex-Fälle öffentlich geworden waren.Möglich wurde die fragwürdige Erstattung einer Steuer, weil die Zahlung der Dividende und die Steuerbescheinigung voneinander getrennt waren. Dabei wendet sich die ESMA den besonders umstrittenen Cum-ex-Fällen in Deutschland zu: Dabei wurde eine Aktie um den Dividendenstichtag gehandelt, wobei ein Akteur ein Papier an einen anderen Akteur vor dem Dividendenstichtag (cum) verkauft, aber erst danach ohne Dividende (ex) geliefert hatte. Beide Akteure ließen sich nach damaligem Recht eine Abführung der Steuer bescheinigen und erhielten sie zurück, obwohl diese nur einmal bezahlt worden war. Durch eine Reform 2012 wurde die Verantwortung für die Steuer und die zugehörige Bescheinigung in die Hand der Depotbank gelegt. Allerdings sind in Deutschland auch danach noch cum-ex-ähnliche Konstruktionen aufgetaucht, die Gegenstand von Ermittlungen sind. Die nationalen Gesetzgeber sollten die Dividendenzahlung und die Steuerbescheinigung möglichst miteinander verknüpfen, empfiehlt die ESMA. Die Behörde rät außerdem, die Arbeit von Aufsichts- und Steuerbehörden besser miteinander zu verzahnen.Als Indiz für eine weite Verbreitung verschiedener Konstrukte führt die ESMA die hohe Handelsaktivität um Dividendenstichtage an. Wie hoch der Schaden durch eine ungerechtfertigte Erstattung der Steuer in Europa ist, beziffert der Bericht nicht. Auch zu der Frage, was noch legal und was bereits verboten ist, äußert sich die Aufsicht nicht. – Bericht Seite 4