Europa hinkt hinterher
Von Udo Rettberg, GenfEuropa hinkt beim Bemühen, OTC-Derivate transparenter und sicherer zu machen, deutlich hinter den USA her. Die Akteure in den europäischen Finanzzentren sind bei der Umsetzung neuer Regelwerke auf halbem Wege stecken geblieben. Dies aus mehreren Gründen: Zum einen taten sich die Aufsichtsbehörden bei der Einschätzung und Analyse der Derivatemärkte seit Ausbruch der Finanzkrise sehr schwer. “Ehrlich gesagt: Viele Aufsichtsbehörden haben nicht wirklich verstanden, wie die von Banken kreierten Produkte funktionieren und welche Risiken darin stecken”, gab der Chef einer Aufsichtsbehörde aus den Beneluxländern im Jahr 2011 offen zu.”Das aber hat sich doch grundlegend geändert, denn das Fachwissen der Kontrollbehörden ist inzwischen gut”, sagte Matthias Graulich von der Eurex auf dem Bürgenstock-Treffen in Genf. Der zweite Grund für die in Europa zu beobachtenden Verzögerungen bei der Regulierung der Derivatemärkte ist in nationalstaatlichem Denken zu sehen. Denn auch in diesem Fall griff die europäische Idee wiederum nicht – wie bereits in der Griechenland-Krise und zuletzt bei den Zuwanderungen. Von vereintem Denken und Handeln kann auch in der Finanzwelt Europas keine Rede sein. Jedes Land will in diesem Fall sein eigenes Regulierungssüppchen kochen. Sicherheit geht vorEuropa setzt nach dem Motto “Sicherheit geht vor” stärker auf den Faktor Kapital. Das Handeln der Aufsichtsbehörden wird durch die Folgen der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 bestimmt. Eine Wiederholung einer solchen Situation soll durch eine bessere Regulierung und höhere Kapitalhinterlegungen auf alle Fälle vermieden werden.Vor allem mit Blick auf die unter Basel III geplante Regulierung der von Banken im Zusammenhang mit dem OTC-Derivatehandel zu erbringenden Kapitalleistungen existieren in Europa unterschiedliche Auffassungen. Die transatlantischen Diskussionen drehen sich um die sogenannte Leverage Ratio. Das ist jener Anteil in Relation zum Gesamtwert einer Transaktion, den Banken im Eigengeschäft oder als Intermediäre für Klienten bei Clearinghäusern als Sicherheit hinterlegen müssen. Die mit einer solchen Transaktion im Kundengeschäft verbundenen geschäftlichen Risiken für Banken hängen maßgeblich von der Kundenbonität ab. Entscheidend ist dabei, ob Klienten in der Lage sind, zu einer bestimmten Zeit bestehende Margin-Leistungen gegenüber Banken zu erbringen. Vor allem in Krisenzeiten ist das von großer Bedeutung.Die in Europa tätigen Clearinghäuser fordern von Banken und Clearing-Brokern bei der Abwicklung von OTC-Derivaten eine im Vergleich zu den USA deutlich höhere Kapitalhinterlegung. Am Finanzplatz London sind die Akteure auch in dieser Hinsicht eher zur Annäherung an die als laxer geltenden US-Vorschriften bereit. “Wer die starke Abhängigkeit der City of London vom Finanzgeschäft kennt, muss dafür mit Blick auf die Gefahren für den dortigen Arbeitsmarkt möglicherweise sogar Verständnis aufbringen”, sagte der Vertreter einer europäischen Derivatebörse, der hier nicht genannt werden will.