DEBATTE ÜBER DIVIDENDENVERZICHT

Europas Banken bekommen 100 Mrd. Euro Puffer

Morgan Stanley: Dividendenaufschub polstert harte Kernkapitalquote um 140 Basispunkte

Europas Banken bekommen 100 Mrd. Euro Puffer

bn Frankfurt – Die Analysten von Morgan Stanley dämpfen Sorgen um die Kapitaldecke der europäischen Banken in der Coronakrise. Wie sie in einer Analyse vorrechnen, setzt ein europaweiter Verzicht von Banken auf Dividendenzahlungen 2019/ 2020 rund 100 Mrd. Euro an Kapital frei. Der durch einen Ausschüttungsstopp geschaffene Freiraum entspricht nach Schätzungen der US-Bank im Durchschnitt 140 Basispunkten harter Kernkapitalquote. 110 weitere Basispunkte kommen demnach infolge jener Lockerungen hinzu, welche die Europäische Zentralbank (EZB) schon Mitte März avisiert hatte. Sie betrafen den antizyklischen Kapitalpuffer sowie eine vorgezogene Berücksichtigung von Erleichterungen der künftigen EU-Eigenkapitalrichtlinie CRDV. Ungleich verteiltDie stabilisierende Wirkung auf den Bankensektor in Zeiten von Belastungen durch die Covid-19-Pandemie ist freilich nicht gleich verteilt. Das Dividendenmoratorium verbessert logischerweise vor allem die Kapitalisierung jener Banken, die dank einer ohnehin starken Position hohe Ausschüttungen leisten, wie Morgan Stanley festhält. Die beiden deutschen Großbanken Deutsche Bank und Commerzbank, die von vornherein keine Ausschüttung bzw. eine Dividende von nur 15 Cent je Aktie geplant hatten, zählen damit zu denen, die am wenigsten Kapitalstärkung erfahren. Dort wirken sich allerdings die Lockerungen Mitte März aus (siehe Grafik).Generell hält Morgan Stanley den Bankensektor für gut gewappnet, um das von den Analysten unterstellte Basis-Szenario des Covid-19-Schocks zu meistern. Schon vor der Krise, zum Ende vergangenen Jahres, hätten Europas Banken mit ihrer Kapitalquote im Durchschnitt um 310 Basispunkte über ihrer jeweiligen individuellen Vorgabe im Zuge des aufsichtlichen Überprüfungs-und Bewertungsprozesses (Srep) gelegen, die Kapitalempfehlung Pillar 2 Guidance dabei nicht berücksichtigt, argumentieren sie. Samt den regulatorischen Erleichterungen und anderen Puffern schwelle die Kapazität, um Schocks zu absorbieren, nun auf 590 Basispunkte an. Das adverse Szenario im jüngsten Stresstest der European Banking Authority (EBA) hingegen habe die Kapitalquote der Banken um nur 350 Basispunkte vermindert.Europas Aufsichtsbehörden ziehen derzeit alle Register, um innerhalb des geltenden Regulierungsrahmens die Kapitalausstattung der Banken zu verbessern und ihren administrativen Aufwand zu vermindern. Bevor die Europäische Zentralbank (EZB) die Institute vor wenigen Tagen zum Dividendenverzicht aufforderte, hatte sie ihnen Mitte März die Auflösung von Kapital- und Liquiditätspuffern gestattet, ihre Anforderungen an die Zusammensetzung des Kernkapitals gelockert und zudem Entgegenkommen bei der Umsetzung aufsichtlicher Maßnahmen signalisiert. Zudem bliesen EBA und EZB den für das laufende Jahr geplanten Stresstest europäischer Großbanken ab und verschoben ihn auf 2021.Seither haben Aufseher, aber auch der Bilanzrat IASB zudem Spielräume in der Rechnungslegung betont, etwa bei der Bildung von Risikovorsorge nach dem Standard IFRS 9 oder im Umgang mit wackelnden Kreditforderungen. Die Polsterung der Kapitalquoten soll dabei nicht nur dazu dienen, Verluste zu absorbieren, sondern auch, die Versorgung der Realwirtschaft mit Krediten aufrechtzuerhalten.Zu Monatsbeginn hat Deutschlands Finanzaufsicht den antizyklischen Kapitalpuffer der Institute auf null reduziert. Zudem lockert sie Vorgaben zum Kapitalerhaltungspuffer sowie zur Eigenmittelzielkennziffer. Finanzkreisen zufolge erhöht dies den theoretischen Spielraum der Institute, um die Kreditvergabe zu forcieren und Verluste aufzufangen, auf rund 225 Mrd. Euro. 120 Mrd. Euro davon entfallen auf bereits vorhandenes Überschusskapital. “Das deutsche Bankensystem insgesamt ist gut kapitalisiert”, hat Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), jüngst erklärt.