Europas Banken sind Compliance-Weltmeister

Drei Viertel der weltweiten Ausgaben gegen Finanzkriminalität stemmen europäische Institute - Studie von Lexis Nexis

Europas Banken sind Compliance-Weltmeister

Schutz gegen Geldwäsche, Terrorfinanzierung und Sanktionsumgehungen kommt deutsche Banken teuer zu stehen. Dreimal mehr als ein US-Pendant wendet ein mittelgroßes Institut im Durchschnitt für entsprechende Compliance auf. Zufriedener macht das die Mitarbeiter nicht, wie eine Studie zeigt. Von Tobias Fischer, FrankfurtEuropäische Finanzdienstleister geben im weltweiten Vergleich am meisten zur Bekämpfung von Finanzkriminalität aus. Im Schnitt zahlt ein deutsches Institut mit einer Bilanzsumme von mehr als 10 Mrd. Dollar jedes Jahr 46,1 Mill. Dollar für entsprechende Compliance und damit fast doppelt so viel wie im globalen Durchschnitt. Das toppen nur noch Banken in Großbritannien und in den Niederlanden (siehe Tabelle), stellt der US-Datendienstleister Lexis Nexis Risk Solutions im “True Cost of Financial Crime Compliance Global Report” heraus. Dafür wurden insgesamt 898 Entscheidungsträger aus 16 Staaten weltweit befragt, die in Banken, Assetmanagern, Versicherungen und Investmentgesellschaften die Compliance zur Bekämpfung von Finanzkriminalität verantworten.Demnach kostet die betreffenden Institute die Compliance zur Bekämpfung von Finanzkriminalität gut 180 Mrd. Dollar. Für 137 Mrd. Dollar davon kommen die europäischen Gesellschaften auf, das sind 76 %. In Europa schlagen der Studie zufolge vor allem regulierungsbedingte Kosten, etwa durch hohe Sorgfaltspflichten im Zuge der immer weiter verschärften Geldwäscherichtlinien, zu Buche.Eine “zunehmend komplexe Regulierung”, strikte Datenschutzvorgaben und der Verdienst gut ausgebildeter Compliance-Mitarbeiter führten dazu, dass die durchschnittlichen Ausgaben bis zu viermal so hoch seien wie in den USA. Die globalen Durchschnittskosten für ein mittelgroßes oder großes Institut mit Bilanzsumme über 10 Mrd. Dollar belaufen sich auf 24,7 Mill. Dollar, jene für kleinere Häuser auf 4,2 Mill. Dollar, geht aus der Analyse hervor.Im Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) sind sie mit 42,0 Mill. und 7,7 Mill. Dollar deutlich höher. “Insbesondere deutsche und britische Banken befinden sich im Epizentrum von Compliance-Aktivitäten; beide sind als bedeutende Finanzzentren mit ständig zunehmender Regulierung konfrontiert und wenden Kapital für Arbeitskräfte auf, um diese Anforderungen und Arbeitsbelastung zu stemmen”, schreiben die Autoren. Verteilen sich die Ausgaben im globalen Schnitt zu 40 % auf Arbeit, zu 57 % auf Technologie und zu 3 % auf Sonstiges, so ist das Verhältnis in Deutschland umgekehrt: 64 % entfallen auf Personal und 36 % auf Technologie.Gut 111 000 Dollar verdient Lexis Nexis zufolge ein Compliance-Profi mit mindestens zehnjähriger Berufserfahrung im Schnitt bei einer mittelgroßen oder großen Bank im Wirtschaftsraum EMEA. In Deutschland liegt das Festgehalt mit 114 000 Dollar etwas höher. Ein erfahrener italienischer Compliance-Mitarbeiter verdient mit 123 000 Dollar im Jahr noch mehr. Am meisten aber bekommen die Amerikaner mit durchschnittlich 144 400 Dollar. Frustrierte MitarbeiterGleichwohl kommt der gute Verdienst für manchen nur einem Schmerzensgeld gleich, folgt man den Studienverfassern. Demnach zeigen sich zwei Drittel aller befragten Entscheider besorgt angesichts um sich greifender Unzufriedenheit der Mitarbeiter in den Compliance-Abteilungen. Arbeitsfrust schlage sich in der weltweiten Betrachtung etwa in stark schwindender Produktivität nieder. 63 Stunden Arbeitskraft gingen jedes Jahr pro Vollzeit-Compliance-Analyst durch wenig zufriedenstellende Arbeitsprozesse und Belastungen verlustig, so Lexis Nexis. Weil die Compliance-Teams unter Stress stünden, fürchteten die Finanzunternehmen, ihre Fachleute nicht halten zu können. Am höchsten ist der Produktivitätsverlust den Angaben zufolge in Frankreich, wo pro Kopf jährlich 122 Stunden verloren gingen. 66 % der befragten Deutschen gehen von negativen Effekten auf die Produktivität, 51 % auf die Kundengewinnung aus.Dass die Compliance-Kosten 2018 und 2019 jeweils um 7 % gestiegen sind, erklären die Autoren mit zunehmendem Regulierungsdruck, aber auch mit zusätzlichen Herausforderungen, die Zahlungsanbieter außerhalb des Bankensektors für die etablierten Institute mit sich brächten. Diese würden durchweg als Risikofaktoren im Korrespondenzbankensystem betrachtet, worauf die klassischen Akteure mit höheren Ausgaben für technische Lösungen und mehr Mitarbeitern reagierten.Bei europäischen und deutschen Banken, Assetmanagern und Versicherungen belief sich der Kostenanstieg auf 8,5 % in den vergangenen beiden Jahren. Regulatorische Vorgaben wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und die nationalen Umsetzungen der 4. und 5. EU-Geldwäscherichtlinien machen sich hier nach Ansicht der Befragten bemerkbar. Hinzu komme, dass die Einhaltung immer komplexerer Vorschriften Finanzdienstleistern in Europa mehr Zeit als andernorts abverlange, um beispielsweise den Sorgfaltspflichten bei der Überprüfung neuer Geschäftskunden nachzukommen. So sei beispielsweise die durchschnittliche Zeit, die für das Onboarding eines mittelgroßen Unternehmens benötigt wird, von 21 Stunden im Jahr 2017 auf 36 Stunden im Jahr 2019 gestiegen.