Europas ETF-Handel gedeiht in Frankfurt

Exchange Traded Funds feiern ihren 20. Geburtstag - Fest etablierte Anlageklasse - Trend zu passiven Investments ist ungebrochen

Europas ETF-Handel gedeiht in Frankfurt

Sie gelten als einfach, transparent und flexibel: Exchange Traded Funds – kurz ETFs – feiern am 11. April ihren 20. Geburtstag. Mit gerade zwei Produkten und einem verwalteten Vermögen von 400 Mill. Euro hat die Deutsche Börse den ETF-Handel damals nach Europa gebracht. Seitdem ist der Frankfurter Xetra-Handel führend in einem stark wachsenden Markt. Der Trend zu passiven Investments ist ungebrochen.Die beiden börsengehandelten Indexfonds des Emittenten Merrill Lynch International ermöglichten Anlegern vor zwei Jahrzehnten erstmals, kostengünstig in die Wertentwicklung der beiden Indizes Euro Stoxx 50 sowie Stoxx Europe 50 zu investieren. Heute haben institutionelle Investoren wie Privatanleger die Wahl zwischen mehr als 1 500 ETFs auf Xetra. Auch das verwaltete Vermögen im ETF-Segment von mittlerweile über 710 Mrd. Euro ist auf Rekordniveau – ETFs haben sich als Anlageklasse fest etabliert. Nicht nur in EuropaUnd zwar nicht nur in Europa: Das Anlageverhalten verändert sich weltweit. Investments in Passivfonds werden immer wichtiger. Eine Morningstar-Studie hat gezeigt, dass das Vermögen passiver Fonds, die in US-Aktien investieren, im August vergangenen Jahres erstmals das der aktiven Fonds übertroffen hat. In den zurückliegenden zehn Jahren hatten aktiv gemanagte US-Aktienfonds Abflüsse in Höhe von 1,3 Bill. Dollar und ihre passiven Pendants fast 1,4 Bill. Dollar an Zuflüssen. In Europa und Deutschland sind aktive Fondsmanager zwar immer noch die dominierenden Akteure, aber auch hier bevorzugen inzwischen immer mehr Anleger passive Investments.Dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird, hat unterschiedliche Gründe. Ein wichtiger Aspekt ist, dass ETFs aufgrund ihrer Flexibilität zunehmend auch als Baustein in Portfolien eingesetzt werden, deren Anlageziel darin besteht, den Gesamtmarkt zu übertreffen – sie sind als passives Kerninvestment also Bestandteil einer aktiven Anlagestrategie.Des Weiteren spielt der Kostenaspekt eine wichtige Rolle, der erhebliche Auswirkungen auf die Rendite eines Investments hat. Einerseits geht es dabei um die Kostenstruktur des Produkts selbst, denn im Zuge des Wettbewerbs innerhalb der Branche haben die Anbieter auch kräftig an der Kostenschraube gedreht. Andererseits ist die Liquidität im Handel von hoher Bedeutung. Liquidität ist eines der zentralen Kriterien, um die Marktqualität im Wertpapierhandel beurteilen zu können. Investoren und Handelsteilnehmer profitieren von liquiden Märkten, indem sie Wertpapiere sofort und zu geringen Kosten handeln können.Dabei ist zu unterscheiden zwischen den expliziten Handelskosten einer Transaktion, die durch die Abwicklung des Auftrags durch Banken und Börsen entstehen – dazu zählen etwa Gebühren und Provisionen, die dem Anleger direkt in Rechnung gestellt werden, – und den impliziten Handelskosten einer Transaktion, die sich aus der Geld-Brief-Spanne und dem zugrundeliegenden Volumen ergeben. Letztere sind nur bedingt nachvollziehbar, denn sie sind von der Lage im Orderbuch abhängig und werden nicht direkt ausgewiesen. Dennoch sind sie für Investoren in der Regel sogar wichtiger: Denn innerhalb eines Handelstags können sie um bis zu 30 % variieren.Dies zeigt das Intraday-Xetra-Liquiditätsmaß (iXLM), das die Deutsche Börse im vergangenen Jahr eingeführt hat und für alle ETFs kostenfrei zur Verfügung stellt. Investoren können hieraus ableiten, in welchem Zeitraum die Handelskosten eines ETF besonders günstig waren, und diese Information in zukünftige Entscheidungen einfließen lassen. Das Intraday XLM wird in Basispunkten angegeben und bietet einen Liquiditätsvergleich für alle rund 1 500 ETFs innerhalb des Handelstags. Im Halbstundentakt wird der günstigste Handelszeitpunkt auf Basis historischer Daten ermittelt. Wertvolle OrientierungshilfeDie Ergebnisse sind für viele Marktteilnehmer eine wertvolle Orientierungshilfe bei der Orderplatzierung: So war bei US-Aktien-ETFs auf Xetra der günstigste Handelszeitpunkt für eine Transaktion in der letzten Stunde des Handelstags – also von 16.30 Uhr bis 17.30 Uhr. Zur ersten halben Stunde nach der Markteröffnung in Frankfurt (9.00 bis 9.30 Uhr) und New York (15.30 bis 16.00 Uhr) waren die Kosten hingegen am höchsten. Der Zeitpunkt der Orderausführung ist aufgrund der Liquiditätsentwicklung also ein wichtiges Kriterium.Liquidität spielt auch bei einem weiteren Argument für das kontinuierliche Wachstum von Passivinvestments eine besondere Rolle. Die Liquidität von Anleihen, die einst als sicher galt, schwindet. Gerade für große Transaktionen setzen Investoren deshalb verstärkt auf ETFs statt auf einzelne Titel. 2019 war somit ein besonders erfolgreiches Jahr für Renten-ETFs im Xetra-Handel. Das verwaltete Vermögen stieg um 33 % auf 187 Mrd. Euro an, 56 Produkte kamen neu hinzu.Insgesamt ist das Angebot mit jeweils über 180 neuen Produkten in den vergangenen zwei Jahren enorm gestiegen. Der Fokus hierbei liegt vor allem auf Faktor-Strategien und Nachhaltigkeit, der mit Abstand wohl erfolgreichsten ETF-Kategorie des vergangenen Jahres. So ist das verwaltete Vermögen von nachhaltigen ETFs auf Xetra um 217 % auf 23 Mrd. Euro gestiegen, 62 neue Produkte lassen die Auswahl für Investoren auf fast 150 wachsen. Ein Zehntel aller handelbaren ETFs fokussiert sich demnach auf Nachhaltigkeit. Der Hang zu nachhaltigen Investments scheint unter europäischen Investoren besonders ausgeprägt zu sein – auch wenn die Gesamtbetrachtung immer noch ein niedriges Niveau von 3 % des gesamten verwalteten Vermögens aufweist.Dass sich nachhaltige Investments aber nicht negativ auf die Rendite auswirken müssen, zeigen die ETFs am Beispiel des MSCI World Index: Ein Blick auf die Gebühren zeigt, dass die 15 Produkte mit der nachhaltigen Index-Variante im Schnitt 3 Basispunkte günstiger sind als die 17 Nicht-ESG-ETFs auf diesen Index.Hohes Anlegerinteresse gibt es auch bei neuen Themen- und Branchen-ETFs: Der erste europäische ETF mit Fokus auf die medizinische Cannabis-Industrie, der im Januar mit seinem primären Listing in Frankfurt gestartet ist, hat täglich dreistellige Transaktionszahlen generiert. Das ist einerseits ungewöhnlich für ein neues Produkt, andererseits zeigt es das große Interesse an Themen, die zuvor noch nicht über ETFs investierbar waren. Aber auch andere Themen-ETFs wie zum Beispiel Automation and Robotics – die nach Anzahl der Orders zu den zehn meistgehandelten ETFs des vergangenen Jahres zählten – oder Cybersicherheit erzielten zuletzt hohe Transaktionszahlen.Das größte Interesse bei ETFs liegt jedoch weiterhin bei den klassischen Benchmark-Indizes wie dem Dax, Euro Stoxx 50 und S&P 500. Darüber hinaus spielen Investments in breit diversifizierte europäische und globale Indizes wie etwa der Stoxx Europe 600 oder der MSCI World ganz vorne mit. Sie dienen nach wie vor häufig als Basis-Investment für die langfristige Vermögensanlage und sind ein beliebtes Underlying für ETF-Sparpläne von Privatanlegern.Um den Führungsanspruch im europäischen ETF-Handel zu verdeutlichen und die Handelsbedingungen auf Xetra fortlaufend attraktiver zu gestalten, hat die Deutsche Börse in den vergangenen Jahren kontinuierlich ihr Innovationspotenzial bewiesen. Neben neuen Services wie dem Intraday XLM oder Weiterbildungsangeboten für professionelle wie private Investoren und Finanzberater hat insbesondere die Einführung der neuen Handelstechnologie T7 im Jahr 2017 einen bedeutenden Fortschritt gebracht. Durch den Einsatz von T7 hat sich erneut die Latenz im Handel verringert, zudem hat die Harmonisierung der Technologie an den Börsen Xetra und Eurex zu Synergieeffekten sowie zu einem geringeren Entwicklungs- und Wartungsaufwand für Teilnehmer geführt, die an beiden Märkten aktiv sind. Damit können auch regulatorische Anforderungen und technische Weiterentwicklungen schneller und effizienter in das Handelssystem integriert werden.Ein Beispiel sind die mit Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive) eingeführten regulatorischen Anforderungen zur Ausführung von großvolumigen Orders. Mit Xetra EnLight ist dies seit dem vergangenen Jahr außerhalb des Xetra-Orderbuchs über eine Preisanfragefunktionalität (Request for Quote Workflow, RFQ Workflow) möglich. Das integrierte Clearing ermöglicht zudem das Netting von Transaktionen innerhalb und außerhalb des Orderbuchs. Xetra EnLight ist für alle Exchange Traded Products und Aktien verfügbar.Trotz aller Neuerungen und regulatorischer Einflüsse muss eines weiterhin gelten. Einfach, transparent und flexibel – was für ETFs gilt, soll auch Zeichen für die Attraktivität des Handels am Finanzplatz Frankfurt sein, für Emittenten, professionelle Investoren und Privatanleger. Die Gruppe Deutsche Börse wird auch in den kommenden Jahren ihren Beitrag dazu leisten. Eine Spitzentechnologie über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und die Fähigkeit, Antworten auf die Fragen der Zeit zu haben, werden auch in Zukunft das Fundament bilden. Martin Reck, Managing Director Cash Market bei der Deutsche Börse AG