LEITARTIKEL

Europas nächste Bankenkrise

Vorneweg die guten Nachrichten, schließlich sind die Aussichten trübe genug: Europas Banken sind trotz ihrer Ertragsprobleme gegenwärtig in einem recht robusten Zustand. Die Sorge vor Bank-Runs ist gering, die Sparer haben Vertrauen in die...

Europas nächste Bankenkrise

Vorneweg die guten Nachrichten, schließlich sind die Aussichten trübe genug: Europas Banken sind trotz ihrer Ertragsprobleme gegenwärtig in einem recht robusten Zustand. Die Sorge vor Bank-Runs ist gering, die Sparer haben Vertrauen in die Sicherheit ihrer Einlagen. Zudem haben die Banken ihre Kapitalpuffer stärker ausgeweitet, als sie es mussten, weil sie verstanden haben, dass finanzielle Widerstandsfähigkeit heute ein Wettbewerbsfaktor ist. Insofern ist die Situation, da die Coronakrise die Banken vor besondere Aufgaben stellt, eine ganz andere als 2008.Ebenfalls ermutigend ist, dass die Banken dieses Mal nicht das Problem sind, sondern Teil der Lösung – zumindest noch. Sparkassen und Banken haben zuletzt ihren volkswirtschaftlichen Nutzen unter Beweis gestellt, indem sie durch angepasste Kreditlinien, Stundungen und Durchleitung öffentlicher Hilfen Liquiditätsklemmen in der Wirtschaft verhindert haben. So weit die Momentaufnahme. Und so weit, so gut.Die Frage, die Bankenaufseher und Regulierer umtreibt, aber lautet: Wie lange noch? Spätestens ab Anfang nächsten Jahres wird sich zeigen, ob die Zahl der Insolvenzen – und damit der faulen Kredite – bloß steigen oder aber explodieren wird. Um es vorsichtig zu sagen: Die Zahl der Optimisten ist überschaubar. Zumal der enge Nexus zwischen Staaten und Banken abermals krisenverschärfend wirkt – wenngleich dieses Mal in der Gegenrichtung. In den Zeiten nach Lehman stürzten marode Banken ihre Heimatländer in existenzielle Finanznöte. Derzeit sind es einige Regierungen in Europa, die ihre heimischen Banken drängeln, bei der Kreditvergabe fünf gerade sein zu lassen. Wenn das schiefgeht, sind – trotz aller staatlichen Besicherungen – die Institute angeschmiert, denn die haben ja über den jeweiligen Hilfskredit hinaus vielfältige Engagements mit den Unternehmenskunden. Schon macht das Wort vom “Zombie Lending” die Runde.Die Frage, wie hart die Pandemie die Wirtschaft – und damit auch die Banken – mittelfristig treffen wird, hat das Zeug, die nächste Existenzfrage der Europäischen Union zu werden. Denn erneut deutet sich eine Fragmentierung zwischen Zentrum und Peripherie in Europa an. Schon in diesem Jahr müssen Spanien, Portugal und Italien einen um 4 oder 5 Prozentpunkte stärkeren wirtschaftlichen Rückschlag verkraften als Deutschland, Österreich und die Niederlande. Und selbst wenn die Mobilisierung eines großen EU-Hilfspakets gelingt, mangelt es vor allem im Süden an administrativer Kapazität, um diese Mittel in Reform und Investition – und damit in Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum – umzusetzen. Diejenigen, die das für ein überhebliches Vorurteil des Nordens halten, seien daran erinnert, dass Italien mehrere Milliarden Euro aus den EU-Strukturfonds nicht abzurufen imstande ist. Zudem ist Rom auch nicht willens, den Euro-Rettungsfonds in Anspruch zu nehmen, weil dies mit “Konditionalität” verbunden wäre – dem neuen Kampfbegriff, der mittlerweile ähnlich vergiftet ist wie einst “Troika”.Das Bruttoinlandsprodukt der EU-Länder ist verglichen mit dem Euro-Start spürbar gewachsen, das von Italien kaum. Sollte sich diese Wachstumsschwäche Italiens wegen Corona verschärfen, steuert die EU auf eine schwere Krise zu. Dieses Mal vielleicht nicht wegen in die Höhe schießender Anleihe-Spreads, denn dazu wird es womöglich aufgrund der Billionen-Programme der EZB nicht kommen. Aber wegen des stetig wachsenden Risikos eines Italexit, denn die Gefahr ist groß, dass sich die Stimmung der Menschen in einem wirtschaftlich darbenden Italien noch deutlicher gegen die EU kehren wird als bislang ohnehin schon.Was heißt das alles für die Banken und deren Regulierung, um die nächste Bankenkrise wenn schon nicht zu verhindern, so doch ihrer Zuspitzung gegenzusteuern? Zwei Themen gehören dringend auf die Tagesordnung von Regulierern und Aufsehern. Erstens ist es der Mühen wert, sich die EU-Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie BRRD vorzunehmen und zu sondieren, welche Optionen sie bietet, gegebenenfalls mit entsprechenden Anpassungen. Zweitens ist es wichtig, den Banken zu helfen, ihre Bücher zu entlasten, um neue Darlehen ausreichen zu können. Insofern sollten – als Teil der Kapitalmarktunion – die Regeln für Verbriefungen in der EU zügig nachgebessert werden. Denn eine stärkere Finanzierung über Märkte könnte – und das ist vor allem im Interesse der Banken selbst – dazu beitragen, dass es gelingt, die nächste Bankenkrise in Europa so zu begrenzen, dass sie zu managen ist. ——Von Detlef FechtnerEine stärkere Finanzierung über Märkte könnte helfen, dass es gelingt, die nächste Bankenkrise in Europa so zu begrenzen, dass sie zu managen ist.——