"Event-Absagen sind nur der Anfang"

Ratingagenturen: Rückversicherer verdienen 2020 ihre Kapitalkosten nicht

"Event-Absagen sind nur der Anfang"

ak/lee Köln/Frankfurt – Nach den von Hurrikans, Buschbränden und Erdbeben geprägten Katastrophenjahren 2017 und 2018 müssen sich die Rückversicherer auf ein weiteres schlechtes Jahr einstellen. Mit der Covid-19-Pandemie belastet die Branche gleich zu Beginn des Jahres ein bislang nicht erlebtes zusätzliches Großschadenereignis. Die Ergebnisse werden dadurch nach Einschätzung der Ratingagenturen Standard & Poor’s (S&P) und Fitch signifikant belastet.”Wir erwarten nicht, dass die Rückversicherer weltweit 2020 ihre Kapitalkosten verdienen”, sagte S&P-Analyst Johannes Bender am Donnerstag in einer Telefonkonferenz. Zur gleichen Einschätzung kommt auch der Wettbewerber Fitch in einem aktuellen Kommentar zu den europäischen Rückversicherern. Das würde bedeuten, dass die Branche in drei der vergangenen vier Jahre mit ihren erzielten Renditen hinter ihren Kapitalkosten zurückbleibt. 30 Mrd. Dollar SchädenFür die Top 20 unter den weltweiten Rückversicherern prognostiziert S&P vor diesem Hintergrund im laufenden Jahr eine Schaden-Kosten-Quote zwischen 101 und 105 %. 5 Prozentpunkte davon dürften von Schäden aus der Covid-19-Pandemie herrühren. Die Ratingagentur nimmt versicherte Pandemieschäden von 30 Mrd. Dollar global an. Auf Naturkatastrophen würden in diesem Szenario 8 bis 10 Prozentpunkte entfallen. Das wäre etwas mehr als 2019, aber deutlich weniger als 2017, als in der Schaden-Kosten-Quote von 109 % rund 17 Prozentpunkte auf Stürme, Erdbeben und Buschbrände zurückzuführen waren.Wie Robert Mazzuoli von Fitch Ratings hervorhebt, hinterlässt die Pandemie bereits im ersten Quartal ihre Spuren in den Kennziffern. Wie tief diese ausfallen, hänge erkennbar vom jeweiligen Exposure im Veranstaltungsbereich ab. Große Messen mussten abgesagt, die Olympischen Spiele in Tokio verschoben werden. Munich Re traf es demnach mit pandemiebedingten Schäden von 800 Mill. Euro am stärksten, während der französische Rückversicherer Scor im Veranstaltungsbereich nahezu keine Verpflichtungen eingegangen sei und daher im ersten Quartal keine pandemiebedingten Schäden verbuchte (siehe Tabelle). Weitere Belastungen erwartetDas unterschiedliche Geschäftsvolumen bei Veranstaltungsversicherungen spiegelt sich erwartungsgemäß auch deutlich in den Schaden-Kosten-Quoten des ersten Quartals wider. Während Scor deutlich und Hannover Rück noch knapp kostendeckend arbeiteten, signalisieren Quoten von mehr als 100 % bei Munich Re und Swiss Re, dass die Kosten über den Einnahmen liegen.Doch Event-Absagen sind erst der Anfang, wie Fitch-Analyst Mazzuoli warnt: “Die Ergebnisse des ersten Quartals reflektieren nicht die gesamte Auswirkung der Pandemie auf die Branche.” Alle Rückversicherer hätten bereits darauf hingewiesen, dass in den kommenden Monaten weitere Belastungen aus der Pandemie folgen werden. “Ansprüche in einigen Geschäftsbereichen wie Kredit- und Kautionsversicherungen weisen in der Regel eine zeitliche Verzögerung auf und erreichen möglicherweise erst im ersten Halbjahr 2021 ihren Höhepunkt”, heißt es in der Fitch-Studie zur europäischen Branche.Im laufenden Jahr lastete zusätzlich die erhöhte Volatilität an den Kapitalmärkten auf der Branche, weil sie die Solvabilitätsquoten der Rückversicherer belastet. Dass diese im ersten Quartal trotz der Marktverwerfungen im März bei allen vier großen europäischen Rückversicherern deutlich über der als kritisch angesehenen Marke von 200 % verharrten, wertet Mazzuoli als Indiz dafür, dass die Branche widerstandsfähig genug ist, um auch große externe Schocks auszuhalten.Diese Widerstandskraft wird die Branche in den kommenden Monaten unter Umständen auch nötig haben. So betonte S&P-Analyst Bender, dass die Tatsache, dass die Pandemie den Rückversicherungsmarkt noch vor der Hurrikansaison trifft, für zusätzliche Volatilität sorge. Außerdem existieren Prognosen von verschiedenen US-Organisationen wie der Colorado State University oder der National Oceanic and Atmospheric Administration, die darauf hindeuten, dass die Hurrikans über dem Atlantik in diesem Jahr überdurchschnittlich stark ausfallen könnten.Gute Nachrichten für die Branche seien die steigenden Preise, heißt es bei den Ratingagenturen unisono. In den Erneuerungsrunden zum Jahreswechsel und im April habe sich der Markt verhärtet. “Das dürfte sich fortsetzen”, mutmaßte Bender. Je nach individuellem Risikoappetit setzt dies Anreize, um lukratives Neugeschäft zu schreiben, heißt es bei Fitch. Mazzuoli zufolge ist es daher wahrscheinlich, dass der eine oder andere Rückversicherer zwecks Refinanzierung bald nachrangige Schuldverschreibungen emittiert.