EZB läutet Vor-Ort-Inspektionen ein
Auf dem Schirm hat die europäische Bankenaufsicht die Risiken der Großbanken in Euroland bereits seit längerem. Nun wird es konkret, mit Vor-Ort-Inspektionen im großen Stil. Banken dürften von der EZB schon bald erfahren, welche Daten sie dafür bereitstellen müssen, wie zu erfahren ist. Von Bernd Neubacher, FrankfurtEuropas Großbanken steht Besuch der Bankenaufsicht ins Haus: Der Single Supervisory Mechanism (SSM) plant demnächst Vor-Ort-Inspektionen im großen Stil, um den Immobilienrisiken der Häuser auf den Grund zu gehen, wie zu hören ist. “Man kann damit rechnen, dass Banken in nächster Zeit erfahren werden, welche Daten und Informationen sie dafür bereitstellen müssen”, heißt es. Andernorts wird prognostiziert, die Europäische Zentralbank (EZB) werde sich die Immobilienengagements der Häuser in ähnlicher Weise vornehmen wie zuvor bereits die Schiffsengagements der Institute.Beim umfassenden Bilanztest vor Einführung der europäischen Bankenaufsicht Ende 2014 waren die Notenbank und vor allem deutsche Institute aneinandergeraten, da die Aufseher Bewertungsansätze der Institute für maritime Engagements vielfach als zu hoch ahndeten. Deren Wertentwicklung seither gibt den Kontrolleuren im Nachhinein gleichwohl Recht; derzeit bemüht man sich hierzulande um die Rettung des leckgeschlagenen Schiffsfinanzierers Nord/LB. Wie Prüfer allerdings monieren, hat die Aufsicht dabei auch auf Bewertungen gedrungen, die konservativer ausfallen als es die Bilanzierungsregeln eigentlich zulassen.So weit muss es diesmal nicht kommen. Die Tragweite des Vorhabens ist beträchtlich genug. Schiffsfinanzierungen stellen eine Spezialdisziplin im Kreditwesen dar, Immobilienfinanzierung hat eigentlich jedes Haus ab einer gewissen Größe in der Bilanz. Allein die Kredite für Wohnimmobilien vereinigen rund 14 % der Bilanzsumme aller Banken in Euroland auf sich und entsprechen rund 40 % seines Bruttoinlandsprodukts. Nach einem sagenhaften Boom von Sachwerten in den vergangenen Jahren, ausgelöst durch die Geldpolitik derselben Notenbank, unter deren Dach die europäische Bankenaufsicht angesiedelt ist, sind Aufseher daher gut beraten, entsprechenden Risiken in Bankbilanzen nachzuspüren. Ohnehin kann die Initiative der EZB niemanden überraschen. Langer AnlaufAls sie im vergangenen Oktober über ihre aufsichtlichen Prioritäten für 2019 informierte, ließ sie bereits wissen, dass sie die Zeichnung von Kreditrisiken mit Blick sowohl auf Gewerbe- als auch auf Wohnimmobilien im Zuge von Vor-Ort-Inspektionen untersuchen werde. Eine Analyse von Immobilienengagements hatte schon für 2018 auf der Agenda der Aufseher gestanden. Bevor sie ihren Worten nun Taten folgen lassen können, waren offenbar aber zunächst Zuständigkeiten mit dem statistischen und geldpolitischen Arm der Notenbank zu klären.Die EZB äußert sich auf Anfrage nicht zu Ablauf und Ausmaß der anstehenden Inspektionen. Viel gehört allerdings nicht dazu, um zu prognostizieren, dass die Übung samt ihren Weiterungen auf eine Dauer von zwei Jahren angelegt ist. In einem Interview mit “Politico” hat SSM-Vizechefin Sabine Lautenschläger vor wenigen Tagen erklärt, mit den Kreditvergabestandards werde sich der SSM in den kommenden beiden Jahren beschäftigen, und mit Blick auf Vor-Ort-Inspektionen hinzugefügt, die Aufsicht entwerfe bereits die Methodik. Die Beschäftigung mit Kreditstandards sei sehr wichtig, “wenn die Sonne so lange geschienen hat, mit so viel Liquidität in einem Umfeld niedriger Zinsen. Dies ist normalerweise das Umfeld, in welchem Banken ihre Kreditvergabestandards lockern, was die Basis für die nächste Krise legt.”In Euroland liegt der durchschnittliche Häuserpreis derzeit um 5 % über dem im zweiten Quartal 2008, wenige Monate vor dem Kollaps von Lehman Brothers, erreichten Niveau. Die Loan-to-Value-Ratio (LTV), die das Verhältnis des Kreditbetrages zum Verkehrs- oder Marktwert einer Immobilie misst, ist 2017 von 77 % auf 78 % gestiegen. Dabei nahm der Anteil von Krediten mit einem LTV über 80 % von 40 % auf 42 % zu. Zugleich hat der Sachwerte-Boom die Renditen am Markt für gewerbliche Immobilien tief unter den historischen Durchschnitt gedrückt (siehe Grafik). Im jüngsten Finanzstabilitätsbericht der EZB ist zu lesen: “Der robuste Schwung der Häuserpreise zieht weiterhin milde Anzeichen einer Überbewertung in der Eurozone als Ganzes nach sich, bei starken Unterschieden zwischen einzelnen Staaten.”