EZB redet Prüfern ins Gewissen

Aufsicht dringt auf Transfer der Bilanztestergebnisse in die Jahresabschlüsse - Banken erhalten Frist

EZB redet Prüfern ins Gewissen

Die neuen Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) ziehen die Zügel straffer. Die von ihr direkt beaufsichtigten Institute sollen erklären, wie sie die Ergebnisse des Bilanztests in den Jahresabschlüssen 2014 umsetzen wollen. Den Prüfern redet die EZB ins Gewissen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtWenige Wochen nach Übernahme der Aufsicht über die wichtigsten Banken im Euroraum schaltet die Europäische Zentralbank (EZB) einen Gang höher. Nach Informationen der Börsen-Zeitung wirken die Aufseher um Danièle Nouy, Chefin des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), derzeit auf die Banken und deren Prüfer ein, damit die Ergebnisse ihres Bilanztests möglichst weitgehend in die Jahresabschlüsse 2014 der Institute einfließen. Um den Prüfern ins Gewissen zu reden, hatte der für mikroprudenzielle Aufsicht zuständige SSM-Generaldirektor Jukka Vesala demnach bereits am 17. Dezember ein Treffen mit Vertretern der vier großen Prüfungsgesellschaften anberaumt. Nachdem er durch die Resultate der großangelegten Belastungsprobe geführt hatte, wurde dargelegt, wie einzelne Aspekte der Ende Oktober beendeten Asset Quality Review (AQR) in den Bilanzen zu berücksichtigen seien, ist zu erfahren. Schmaler GratAn die Prüfer erging demnach letztlich die Aufforderung, die Bewertungen der Banken kritisch in Frage zu stellen. Damit begibt sich die Notenbank auf einen schmalen Grat. Schließlich ist für die Frage, wie welche Risiken zu bilanzieren sind, nicht der SSM zuständig, sondern der Londoner Bilanzrat International Accounting Standards Board (IASB). Befürchtungen, die Notenbank werde die auf die Interessen von Investoren zugeschnittenen Bilanzierungsregeln unterminieren zugunsten einer von ihr präferierten, besonders konservativen “Prudential Valuation”, hatten schon im vergangenen Jahr Banken umgetrieben. Denn im Zuge ihres Bilanztests hatte die künftige Aufsicht teilweise strengere Maßstäbe angelegt, als den internationalen Bilanzierungsregeln zufolge gerechtfertigt ist. Dies hatte etwa in Bezug auf die Behandlung von Schiffsfinanzierungen erhebliche Reibereien mit den Banken und deren nationalen Aufsehern nach sich gezogen. Andererseits ist es nur logisch, wenn die Notenbank bestrebt ist, Erkenntnisse aus dem mit hohem Aufwand betriebenen Bilanztest in die Abschlüsse der Banken zu überführen. 48 Mrd. Euro korrigiertIm Zuge des Tests hatte die EZB bei Europas wichtigsten Banken Buchwerte im Volumen von nicht weniger als 48 Mrd. Euro korrigiert. Bei Prüfern stößt der Vorstoß der Notenbank denn auch durchaus auf Verständnis. Es gehe nicht um die Durchsetzung der Prudential Valuation, ist zu hören. Vielmehr sei dreierlei zu unterscheiden: erstens von den Bilanztestern monierte Positionen, welchen Fehler zugrunde lägen, die auch nach den internationalen Bilanzierungsstandards IFRS zu bereinigen seien, zweitens Einschätzungen und Annahmen, die auslegbar seien, und drittens Befunde im Bilanztest, die nach IFRS eindeutig nicht verarbeitet werden dürften. Mit Interpretationsspielräumen aber fange bereits “die Grauzone” an, und die Übergänge seien nun einmal fließend. Die in regelmäßigem Austausch mit den Prüfern stehenden Aufseher haben denn auch wohlweislich den Versuch vermieden, die Prüfer zu Bilanzierungen entgegen den IFRS-Vorschriften zu verleiten.Die EZB strebe selbstverständlich eine vorsichtige Auslegung der Rechnungslegungsstandards an, die Banken eher nicht, und der Prüfer habe die Interessen auszugleichen, heißt es dazu im Markt. Auch nach IFRS freilich dürfe eine Bank etwa Sicherheiten nicht aggressiv bewerten und müsse Cash-flows berechnen, die auf fairen Erwartungen fußten. Auch könnte manche Bank schon jetzt einen möglichst hohen Anteil zusätzlicher Rückstellungen bilden wollen, etwa um Reserven für noch schlechtere Zeiten zu bilden, wie zu hören ist. Bei Juristen wird bereits die Frage aufgeworfen, inwieweit eventuelle Bilanzierungsänderungen im Abschluss 2014 die Pflicht zu Ad-hoc-Mitteilungen nach sich ziehen werden. In Marktkreisen werden die Effekte indes relativiert. “Signifikante Ergebniseffekte” seien “kaum zu erwarten”, heißt es. Die Ergebnisse des Bilanztests hätten gezeigt, dass Banken die Befunde des Bilanztests per Ende 2013 großenteils schon im Verlauf des vergangenen Jahres verarbeitet hätten. Briefe an BankenFür den Fall, dass die Prüfer den Aufforderungen der EZB nicht folgen, haben sich die Aufseher der Notenbank bereits auf direktem Wege an die von ihr unmittelbar beaufsichtigten Institute gewandt. Bis Ende Januar sollen die Banken der EZB schriftlich darlegen, welche im Bilanztest zutage geförderten Belastungen sie in ihrer Bilanz bereits verarbeitet haben und wie sie weiter verfahren wollen.Für die Institute gibt es letztlich kein Entkommen, was die Vorgaben der Notenbank angeht, wie bei Beobachtern erläutert wird. Denn was Banken und Prüfer in den Abschlüssen 2014 nicht verarbeiteten, dürften die Aufseher in einem nächsten Schritt durch institutsspezifische Kapitalvorgaben im Zuge des bankaufsichtlichen Überprüfungsprozesses kompensieren. Denn über die Bilanzierungsstandards bestimmt zwar der Londoner Bilanzrat IASB, die institutsspezifischen Kapitalpuffer allerdings legen die Aufseher der EZB fest.