EZB setzt Raiffeisen Bank International und Unicredit unter Druck
Die zwei größten westlichen Banken in Russland schätzen die drohende Maßregelung durch die Europäische Zentralbank (EZB) offenbar unterschiedlich ein. Während die Unicredit in Mailand den Ball flach hält, weil sie angeblich kein explizites Schreiben dazu aus Frankfurt erhalten hat, ging die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) mit einer Ad-hoc-Meldung an die Öffentlichkeit. Beide Institute gelten in Russland wegen ihrer Größe als systemrelevant.
Die RBI erwarte in naher Zukunft eine Aufforderung der EZB, die Geschäftstätigkeit in Russland rascher zu reduzieren, teilte die Bank am 18. April mit. Die RBI kenne den Inhalt des Briefes der EZB, sagte ein Sprecher zur Begründung: Demnach müssen die Kundenkredite bis 2026 deutlich zurückgehen – eine Forderung, die nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters auch auf die Unicredit zukommt –, und zwar um bis zu 65% im Vergleich zum Ende des dritten Quartals 2023. Und die Bank müsse die internationalen Zahlungen aus Russland entsprechend senken.
„Die von der EZB vorgeschlagenen Anforderungen gehen deutlich über die eigenen Pläne der RBI zur weiteren Reduzierung ihrer Geschäftstätigkeit in Russland hinaus und könnten sich negativ auf die Verkaufsoptionen der RBI im Hinblick auf die AO Raiffeisenbank auswirken“, teilte die RBI mit Blick auf die russische Tochter weiter mit.
In Frankfurt auf dem Schirm
Die Ad-hoc-Meldung deutet darauf hin, dass die RBI in Frankfurt auf dem Schirm weiter oben steht als die Unicredit. Das mag einerseits daran liegen, dass die Raiffeisen-Bank in Russland deutlich mehr Geschäft unterhält als die Unicredit. Während die Italiener im vergangenen Jahr dort 664 Mill. Euro Gewinn erzielten, waren es bei der RBI zwar um 35% weniger als noch 2022, aber immer noch über 1,3 Mrd. Euro. Es mag andererseits auch daran liegen, dass die Russland-Gewinne der RBI nach wie vor deutlich mehr als 50% des gesamten Konzerngewinns von 2,37 Mrd. Euro ausmachen, während es bei der Unicredit 8% sind.
Die Aufmerksamkeit der EZB mag freilich auch damit zu tun haben, dass die RBI neben dem an sich sanktionskonformen Russland-Geschäft inzwischen den juristisch hochriskanten Versuch verfolgt, die Russland-Gewinne in einem Tauschgeschäft mit dem unter westlichen Sanktionen stehenden russischen Oligarchen Oleg Deripaska aus dem Land zu transferieren.
Umstrittenes Tauschgeschäft
Das Konstrukt für das Tauschgeschäft sieht vor, dass Deripaska seinen 24,1-prozentigen Anteil am österreichischen Baukonzern Strabag an eine neue Gesellschaft in Moskau übertragen hat und die Raiffeisen in Russland den Anteil dort nun für 1,51 Mrd. Euro erwerben und dann als Sachausschüttung an die RBI in Wien übertragen könnte. Das Tauschgeschäft stockt jedoch, und Sanktionsexperten sehen ein hohes strafrechtliches Risiko wegen Sanktionsumgehung, zumal befürchtet wird, dass am Ende vielleicht gar der kriegsführende russische Staat selbst finanzieller Nutznießer wird.
Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung betont der österreichische Sanktionsexperte Gregor Rathkolb Deripaskas „nachweisliche Nähe zum Kreml“, nachdem Deripaska 2007 in einem Interview festhielt, sich nicht getrennt vom Staat zu sehen und bereit zu sein, seinen Konzern abzugeben, wenn Russland das fordere. Auch ist laut Rathkolb „zu befürchten, dass – so das Beispiel Schule macht – abwanderungswillige europäische Unternehmer, denen ihr Unternehmen zu einem nicht adäquaten Gegenwert in Russland ‚abgepresst‘ wird, gezwungen werden können, in ähnliche Transaktionen einzuwilligen“.
Putin lässt Banken warten
Gewinne aus Russland zu holen ist also schwierig. Das Geschäft gar zu verkaufen ist aber nahezu unmöglich. 45 ausländische Geldinstitute warten auf die Genehmigung, die von Kremlchef Wladimir Putin selbst erteilt werden muss. Und der ziert sich.
Auch die RBI kommt bei einem möglichen Verkauf, den sie eigenen Worten zufolge schon lange beabsichtigt, offenbar nicht voran. Und das Problem hat auch die Unicredit, dessen CEO Andrea Orcel seit Kriegsausbruch wiederholt gesagt hat, man prüfe alle Optionen, inklusive eines kompletten Rückzugs – allerdings „nicht um jeden Preis“.
Beobachter vermuten, dass Unicredit inklusive ihres Eigenkapitals über Vermögenswerte von um die 5 Mrd. Euro in Russland verfügt. Die Aktivitäten zu verkaufen wäre sanktionsrechtlich nahezu unmöglich. Denn selbst wenn Putin das Okay gibt, kämen als Käufer wohl nur russische Banken infrage, die auf der Sanktionsliste stehen. Einmal abgesehen davon, dass diese dann mehr Kredite an Unternehmen vergeben könnten, die ebenfalls auf der Sanktionsliste stehen.
Da ein Verkauf schwierig ist, bleibt den Banken nur, das Geschäft zu reduzieren. Und das machen sie inzwischen ohnehin sehr deutlich. Von der Unicredit ist bekannt, dass sie im Fall Russland ihr Cross-Border-Geschäft um 90% oder 5,5 Mrd. Euro und das lokale Geschäft um etwa 50% reduziert hat. Das Volumen der Kredite ging gegenüber 2022 von 6,6 auf 3,2 Mrd. Euro zurück. Diese Tendenz des Derisking dürfte sich fortsetzen.
Den Angaben der Unicredit zufolge droht im schlimmsten Fall ein Nettoverlust von 3,1 Mrd. Euro. Die harte Kernkapitalquote (CET1) würde jedoch auch dann um lediglich 37 Basispunkte auf 15,5% sinken. Die RBI wiederum hat das Kreditvolumen in Russland, das zu Kriegsbeginn noch bei 13,7 Mrd. Euro gelegen hatte, bis Ende 2023 auf 6 Mrd. Euro reduziert. Die Anzahl der Kunden stieg indes um 2% auf 3,2 Millionen, die Anzahl der Mitarbeiter um 4% auf 9.942.
Der EZB geht der Rückzug beider Banken sichtlich zu langsam, wie ihr jüngster Vorstoß zeigt, zu dem sich die Unicredit auf Anfrage der Börsen-Zeitung nicht äußert. Allerdings hat die EZB Experten zufolge eigentlich keine Handhabe, es sei denn, es folgt eine rechtlich bindende Anordnung. Druck kommt übrigens nicht nur von der EZB, sondern auch von den USA. Am 6. März publizierte das Land die „Tri-Seal Compliance Note“, mit der auch die europäischen Banken ermahnt werden, sich strikt an die US-Sanktionen und US-Gesetze zur Exportkontrolle zu halten.
Russland-Geschäft treibt Raiffeisen und Unicredit um
EZB erhöht den Druck – Großbanken fahren ihr Geschäft zurück, aber ein Verkauf ist schwierig – Beide Adressen gelten als systemrelevant
Von Gerhard Bläske, Mailand, und Eduard Steiner, Moskau
Die Raiffeisenbank Bank International erwartet in naher Zukunft eine Aufforderung der EZB-Bankenaufsicht, das Geschäft in Russland rascher zu reduzieren, die Unicredit hat kein solches Schreiben erhalten. Beide Banken gelten in Russland wegen ihrer Größe als systemrelevant. Die Hürden für einen Verkauf sind hoch.