CLEARING-AUFSICHT

EZB sieht rot

Was für ein Knall: Einstimmig hat der Rat der Europäischen Zentralbank seine Unterstützung für eine Satzungsänderung zurückgenommen, die der Zentralbank neue Aufsichtsbefugnisse über Clearingsysteme für Finanzinstrumente gegeben hätte. Damit wackelt...

EZB sieht rot

Was für ein Knall: Einstimmig hat der Rat der Europäischen Zentralbank seine Unterstützung für eine Satzungsänderung zurückgenommen, die der Zentralbank neue Aufsichtsbefugnisse über Clearingsysteme für Finanzinstrumente gegeben hätte. Damit wackelt auch der zwischen Parlament, Rat und Kommission ausgehandelte Kompromiss über die Reform der Derivateverordnung Emir, auch bekannt als Emir 2.2., die zentrale Änderungen enthält, wie künftig Clearinghäuser beaufsichtigt werden sollen. Solche zentralen Kontrahenten (CCP) treten als Risikoträger und Garanten in Wertpapiergeschäften zwischen zwei Handelsparteien und haben regulatorisch bedingt einen enormen Größenzuwachs erhalten, so dass sie heute als relevant für die Finanzmarktstabilität eingestuft werden.Dass deren Regulierung angepasst werden muss, ist offensichtlich. Hinzu kommt, dass das – immer noch – wichtigste Clearinghaus für Euro-Zinskontrakte in London sitzt und nach einem Brexit nicht mehr unter EU-Recht stehen wird. Eigentlich wollte die EZB mit der Änderung ihrer Satzung ihre Aufsichtskompetenz hier ausweiten. Zu ihrem Leidwesen wurde sie dazu nicht nur nach eigenen Aussagen nicht angehört, sie erhält auch nur begrenzte Kompetenzen. So hat in entscheidenden Punkten zuerst die europäische Marktaufsicht ESMA das Sagen, oder es sind detaillierte Vorgaben gemacht, was die EZB darf und was nicht. Die Zentralbank sieht hier zu Recht ihre Unabhängigkeit verletzt, weshalb sie den drastischen Schritt geht und die Satzungsänderung nicht mehr unterstützt. Somit tritt wohl bald eine reformierte Derivateverordnung in Kraft, die auf der Zentralbankseite keine passgenaue Entsprechung hat – ein regulatorisches Chaos.Freuen werden sich Dritte, hat eine Kompetenzstärkung der EZB außerhalb der EU doch Bedenken geweckt. Die US-Derivateaufsicht CFTC etwa hat bei der Vorstellung Bauchschmerzen, sollte die US-Terminbörse CME von den Europäern als systemrelevant eingestuft werden. Würde nun die EZB auch geld- und stabilitätspolitisch begründet mitreden wollen, wäre ein Eklat programmiert. Dem wollte der im Trilog formulierte Kompromiss vorbeugen. Die EZB sieht nun rot, weil sie sich übergangen fühlt. Für eine Lösung bleibt kaum Zeit – bald stehen Europawahlen an. Bleibt zu hoffen, dass der Konflikt nicht noch vor Gericht landet. Bereits jetzt sind die beteiligten Institutionen davon beschädigt worden. Europas Traum, mehr Gewicht auf den globalen Kapitalmärkten zu erhalten, durchläuft gerade den Realitätscheck.