IM INTERVIEW: PAOLO PETRIGNANI

"EZB verschärft Maßnahmen zu Recht"

Chef des italienischen Bankenrettungsfonds sieht Bewegung im Handel mit Problemdarlehen - Vorstoß der Bankenaufsicht sinnvoll

"EZB verschärft Maßnahmen zu Recht"

Italiens Bankenrettungsfonds Atlante 2, inzwischen in Italian Recovery Fund umbenannt, hat im laufenden Jahr mit 31 Mrd. Euro mehr als die Hälfte aller zum Verkauf gestellten Problemdarlehen erworben. Nun soll ein weiterer Fonds für in- und ausländische Investoren aufgelegt werden, sagt Fondschef Paolo Petrignani. Der Markt sei in Bewegung geraten.- Herr Petrignani, wird die für 2018 geplante Zivilrechtsreform in Italien dazu beitragen, dass ausstehende Problemdarlehen leichter eingetrieben werden können?Der Markt benötigt Regeln, auch neue Regeln. Die derzeit herrschende politische und wirtschaftliche, fiskalpolitische und legislative Verunsicherung, die schwierige Interpretation bestehender Regeln wirkt sich negativ auf das Marktgeschehen aus. Wir Italiener sind es gewöhnt, damit umzugehen, uns zu arrangieren – die ausländischen Investoren sind es nicht. Sie fordern einen Aufschlag für das erhöhte Risiko und zielen oftmals auf eine Rentabilität von 15 % und mehr. Die europäischen Fondsgesellschaften sind nur wenig am italienischen Markt für ausfallgefährdete Kredite präsent. Es wäre eine große Hilfe, wenn der Markt transparenter würde. Eine Reform des Zivilrechtes ist zweifellos willkommen.- Die EZB fordert, dass neu erfasste Non-Performing Loans (NPL) weitgehend gedeckt werden müssen. Welche Auswirkungen hätte diese Politik auf den Markt für faule Kredite?Die EZB hat völlig recht, die Maßnahmen zu verschärfen, bevor es zur nächsten Krise kommt. Da das Volumen der NPL in Italien doppelt so hoch ist wie im Durchschnitt der EU und das Volumen der NPL in Europa wiederum doppelt so hoch ist wie in den USA, erscheint es mehr als verständlich, dass die EZB den Abbau der NPL beschleunigen will.- Ist der italienische Markt für faule Kredite tatsächlich in Bewegung geraten? Hat sich die Struktur verändert?Seit Anfang 2017 hat sich der Markt für faule Kredite in Italien sehr dynamisch entwickelt. Er hat sich gegenüber dem Vorjahr verzehnfacht.- Wie hoch fällt das Volumen des Marktes künftig aus?Laut Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) macht das Volumen des NPL-Marktes 2017 rund 60 Mrd. Euro gegenüber 5 bis 6 Mrd. Euro im Vorjahr aus. Ich erwarte auch für 2018 und 2019 ein ähnliches Gesamtvolumen wie im laufenden Jahr. Aber es wird wesentlich mehr kleinere Deals geben.- Wie schätzen Sie die Marktfolgen der politischen Unsicherheit vor den Wahlen im Frühjahr ein?Mehr als unter der politischen Instabilität leidet der Markt unter der wirtschaftlichen Verunsicherung.- Welchen Effekt hat der Immobilienmarkt auf Problemkredite?Es herrscht ein enger Zusammenhang. Bereits in diesem Jahr sind die Immobilienpreise leicht gestiegen. Für 2018 erwarte ich eine stärkere Preiszunahme. Insofern werden sich auch die Preise für die besicherten NPL erhöhen.- Warum hat der Fonds Atlante 2 seinen Namen gewechselt?Der Fonds Atlante wurde 2016 gegründet, um den Banken zu helfen, ihre notleidenden Kredite zu veräußern und den NPL-Markt in Bewegung zu bringen. Aber die Krise der beiden Banken aus Venetien hat den Fonds dazu gezwungen, die Kapitalerhöhungen der beiden Banken mit 3,5 Mrd. Euro zu finanzieren. Ohne die Intervention von Atlante, den ersten Fonds also, wären Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca in Konkurs geraten. Der Fonds Atlante 2, inzwischen in Italian Recovery Fund unbenannt, konzentriert sich einzig auf NPL.- Die Banken, die Atlante großenteils finanziert hatten, mussten ihre Beteiligung weitgehend abwerten. Was ist schiefgelaufen?Banken, Versicherungen und Bankstiftungen haben eine Wertberichtigung auf ihre Beteiligung bis zu 80 % vorgenommen. Sie taten dies, als ersichtlich war, dass die beiden Banken aus Venetien ohne Staatshilfe nicht überleben können. Das hat natürlich zu den hohen Abschreibungen geführt. Doch Atlante hat eine Systemkrise verhindert, indem der Fonds sich an den Kapitalerhöhungen der Krisenbanken beteiligte.- Welchen Beitrag hat Atlante 2 im Zeitraum 2016/17 zur Ausgliederung notleidender Kredite geleistet? Wie hoch war der Anteil der übernommenen NPL?Atlante 2, der heutige Italian Recovery Fund, hat bei acht Banken interveniert: bei Monte dei Paschi, Cariferrara, Banca Marche, Banca Etruria, Carichieti, Rimini, San Miniato und Cesena. Der Betrag machte rund 31 Mrd. Euro aus, mehr als die Hälfte des 2017 auf 60 Mrd. Euro geschätzten NPL-Marktwertes.- Wann wird die “Operation Monte dei Paschi” abgeschlossen sein? Und zu welchem Preis?Wir wollen den Deal Ende Juni 2018 mit dem Kauf von insgesamt 26 Mrd. Euro fauler Kredite abschließen. Bis Dezember werden wir in die Mezzanine-Branche investieren, und im Juni werden wir die Junior-Anleihen übernehmen. Wir zahlen für die NPL 21 % des Buchwertes. Bei anderen Banken liegt der Preis zwischen 30 und 40 % des Buchwertes, aber dort sind auch Leasingprodukte und sogenannte minderwertige Finanzierungen relativ jüngeren Datums enthalten. Der Preis für besicherte NPL liegt derzeit zwischen 30 und 35 %, für unbesicherte zwischen 8 und 10 % des Buchwertes.- Gibt es jenseits der Kredite der acht erwähnten Institute weitere Problemdarlehen, die Sie übernehmen wollen?Ja, ich rechne auch für 2018 und 2019 mit einem hohen NPL-Marktvolumen. Nicht nur die kleineren Banken, auch Großbanken wie Unicredit und Intesa Sanpaolo müssen neben Monte dei Paschi di Siena weitere NPL ausgliedern.- Hat Italian Recovery Fund bereits damit begonnen, die ausstehenden Kredite einzutreiben?Ja. Unsere Aufgabe ist das Eintreiben von Krediten. Dazu müssen wir die von uns beauftragten Service-Gesellschaften kontrollieren.- Was für eine Rendite erwarten Sie sich bei diesem Fonds?In Anbetracht der getätigten Investitionen rechnen wir mit 8 bis 10 %.- Wie hoch liegt in Italien der Anteil der besicherten NPL?Rund 50 % aller NPL sind hier besichert.- Wollen Sie einen neuen Fonds auflegen? Soll sich auch dieser auf notleidende Kredite konzentrieren?Ja, wir wollen 2018 einen neuen Fonds lancieren. Auch dieser soll sich auf die Akquisition von NPL konzentrieren. Der Fonds soll von institutionellen in- und ausländischen Investoren gezeichnet und mit mindestens 500 Mill. bis 1 Mrd. Euro ausgestattet werden.—-Das Interview führte Thesy Kness-Bastaroli.