EZB warnt vor Verwässerung des Kernkapitals von Banken

SSM-Vizechefin Lautenschläger kritisiert geplante Veränderung der Regeln im Bankenpaket - De Guindos plädiert für Edis

EZB warnt vor Verwässerung des Kernkapitals von Banken

bn/ms Frankfurt – Die europäische Bankenaufsicht warnt vor einer Verwässerung der Qualität des Eigenkapitals von Banken im Zuge der Umsetzung von Basel III in Europa. Die entsprechenden Entwürfe sähen hier und dort “einige Abweichungen” vor, erklärte Sabine Lautenschläger, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie Vizechefin des bei der Notenbank angesiedelten Single Supervisory Mechanism (SSM), auf einer Finanzkonferenz am Freitag. Gerade mit Blick auf die Vorgaben zur zweiten Säule des Baseler Regelwerks, welche den bankaufsichtlichen Überwachungsprozess regelt, zeigte sich Lautenschläger “sehr beunruhigt”. So sei geplant, dass Banken die ihnen aus Säule II erwachsenden Kapitalvorgaben nicht mehr nur mit Hilfe harten Kernkapitals (Common Equity Tier 1/CET1) erfüllen müssten, sondern dazu auch Kapital von niedrigerer Qualität verwenden dürften.Der Hintergrund: Bisher besteht der SSM darauf, dass Banken Kapitalanforderungen aus Säule II (Pillar 2 Requirement/P2R) zu 100 % mit hartem Eigenkapital erfüllen. Die EU-Kommission hat im Zuge der Reform der Eigenkapital- sowie der Bankenabwicklungsrichtlinie durch das sogenannte Bankenpaket nun vorgeschlagen, den Anteil des CET1 auf 56,25 % zu reduzieren. EU-Staaten und -Parlament wollen den zuständigen Behörden allerdings die Option einräumen, einen höheren Anteil zu verlangen.Lautenschläger: “Solche Veränderungen werden Banken und den Markt erneut zu Finanzinnovationen ermutigen. Wir sind da nicht sehr scharf drauf.” Instrumente des Ergänzungskapitals (Additional Tier 1/AT1) hätten nun einmal nicht dieselbe verlustabsorbierende Funktion wie hartes Kernkapital.Zudem würden solche Neuerungen gleiche Wettbewerbsbedingungen für große und kleine Banken verhindern, da kleinere Banken in der Regel keinen Zugang zu Instrumenten des Ergänzungskapitals hätten. Nicht zuletzt würden AT1-Instrumente überdies in den meisten Mitgliedstaaten der EU steuerlich begünstigt, was auf einen weiteren Vorteil für große Institute hinausliefe. All dies würde das Risiko regulatorischer Arbitrage erhöhen, erklärte sie.Für Lautenschläger war der Auftritt auf der 6. Frankfurt Conference on Financial Market Policy des Safe Research Center der Goethe-Universität einer der letzten als SSM-Vizechefin. Im Februar wird ihr Mandat enden. Als scheidende SSM-Vizechefin gab sie die Empfehlung, die Baseler Kapitalregeln so in nationale Gesetze umzusetzen, wie sie gemeint sind. “Mein Eindruck ist, dass sich zehn Jahre nach der Finanzkrise ein wenig Selbstzufriedenheit eingeschlichen hat”, kommentierte sie die von ihr kritisierten Bestrebungen.Ins gleiche Horn blies auf der Veranstaltung Dirk Schoenmaker, Professor für Banken und Finanzen an der Rotterdam School of Management der Erasmus-Universität Rotterdam. “Lasst uns nicht mit Financial Engineering herumspielen”, warnte er. Idealerweise würden Kapitalanforderungen ausschließlich mit Hilfe von Eigenkapital sowie thesaurierter Gewinne erfüllt. Er wolle nicht entscheiden müssen, wann zur Verlustabsorption ausgegebene Pflichtwandelanleihen in Aktien getauscht werden müssten, erklärte er. Dies gleiche dem Drücken eines Nuklear-Knopfes, denn ein solcher Bail-in gebe ein “gewaltiges Signal an den Markt”.Im Rückblick auf die Reregulierung seit Eskalation der Finanzkrise erklärte Lautenschläger, in ihren Augen seien die Vorgaben hinsichtlich Governance und Risikomanagement wichtiger als die Verschärfung der Anforderungen an Liquidität und Kapital. Für die Regeln zur Liquidität und zum Eigenkapital sei nur ein Konsens über quantitative Anforderungen nötig. Dies sei sehr viel einfacher als sich auf qualitative Vorgaben zu einigen. Der Baseler Standard 239 stelle tatsächlich qualitative Regeln für eine effektive Datenaggregation auf, die für die Steuerung einer Bank unerlässlich sei. Zudem sei es psychologisch und ökonomisch sehr viel intelligenter, mit qualitativen Vorgaben dafür zu sorgen, dass Verluste gar nicht erst entstehen, als mit quantitativen Regeln dafür zu sorgen, dass nach Verlusten genug Kapital und Liquidität vorhanden sei, um diese Belastung verkraften zu können. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hielt bei seiner Eröffnungsrede auf der Konferenz noch einmal ein flammendes Plädoyer für eine einheitliche EU-Einlagensicherung (Edis) – die vor allem in Deutschland auf heftigen Widerstand stößt. “Edis würde ein einheitliches Vertrauen in Einlagen in ganz Europa schaffen, was für alle europäischen Volkswirtschaften von Vorteil wäre, da kein einzelnes Bankensystem vor einem möglichen Bankausfall gefeit ist”, sagte de Guindos. Er kritisierte, dass drei Jahre nach dem Kommissionsvorschlag die Fortschritte “sehr begrenzt” seien. Risikoreduzierung und Risikoreduzierung seien “zwei Seiten derselben Medaille”.Neben der Vollendung der Bankenunion mahnte er mehr Tempo bei der EU-Kapitalmarktunion an. Die Fragmentierung der europäischen Kapitalmärkte müsse überwunden werden. In dem Zusammenhang forderte er erneut eine stärkere Kontrolle von Assetmanagern wie Investmentfonds durch die Aufsicht (vgl. BZ vom 13. November). Investmentfonds seien zuletzt größere Kreditrisiken eingegangen und es gebe starke Anzeichen dafür, dass sich auch Gefahren für die Liquidität in dem Sektor aufbauten.