Finanzbranche will bei Brexit mitreden
Von Andreas Hippin, LondonDie City of London hat die jüngsten Daten zu den von der Finanzbranche gezahlten Steuern dazu genutzt, für den Schutz ihrer Interessen in den Brexit-Verhandlungen zu plädieren. Mit den in einem Jahr geleisteten Abgaben der Branche könne man die Hälfte der Kosten für das staatliche Gesundheitssystem NHS oder den Großteil des Bildungshaushalts finanzieren, sagte Catherine McGuinness, Policy Chairman der City of London Corporation.”Es ist zwar noch zu früh, um abzuschätzen, wie die Steuereinnahmen des Landes leiden würden, wenn sich Firmen dazu entschlössen, Geschäft aus Großbritannien wegzuverlagern. Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, die dringenden Bedürfnisse der Branche in den Verhandlungen zu befriedigen.” Seit dem EU-Referendum habe man keinen Zweifel daran gelassen, was man erwarte. Man brauche dringend Klarheit zu Übergangsvereinbarungen, künftige Handelsbeziehungen mit der EU, die beiden Seiten nutzen, und ungehinderten Zugang zu den talentiertesten Arbeitskräften. Alles inklusiveWie aus den seit einem Jahrzehnt von PwC für die City erhobenen Daten hervorgeht, ist der Beitrag der Finanzbranche zum Gesamtsteueraufkommen im Ende März abgelaufenen Finanzjahr auf 72,1 (i.V. 71,4) Mrd. Pfund gestiegen. Das zeigt, dass das britische Votum für den Austritt der EU dem Geschäft der Banken bislang nicht groß geschadet hat. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass in dieser Summe auch die Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigten enthalten sind, die von Finanzdienstleistern einbehalten und an den Fiskus abgeführt werden. Das gilt auch für Versicherungssteuern, Abgeltungsteuern und viele andere von den Firmen einbehaltene Abgaben, die nicht von ihnen selbst, sondern von ihren Kunden entrichtet werden.Nominal mögen die 72,1 Mrd. Pfund ein Rekordwert sein. Real hält der Anstieg um 1 % nicht einmal mit der Teuerungsrate mit. Der Anteil am Gesamtsteueraufkommen ist seit 2007 auf gut ein Zehntel zurückgegangen – von 13,9 % im Jahr 2007 auf zuletzt 11,0 (i.V. 11,5) %. Das hat – neben zahllosen Skandalen um die Manipulation von Referenzzinsen, Wechselkursen und Rohstoffpreisen – den Einfluss der Branche auf die Politik geschmälert. Die ehemaligen “Masters of the Universe” tun sich schwer damit, dass sie sich in Whitehall wie Bauern, Fischer oder Universitätsrektoren in die lange Reihe der Bittsteller einreihen müssen, wenn es um das Thema Brexit geht. Lediglich 3 % der Erwerbstätigen arbeiten in der Finanzbranche. Rund ein Drittel der Jobs befindet sich in London (32,7 %), gefolgt von Schottland (13,6 %) und dem Südosten Englands (12,4 %).Sieht man sich die Zusammensetzung der gezahlten Steuern und Abgaben an, sind die Körperschaftsteuereinnahmen des Schatzamts aus der Branche stark gefallen. Steuerlich abzugsfähige Abschreibungen auf faule Kredite und die Senkung der Körperschaftsteuer von 30 % auf 20 % trugen dazu bei. Die umstrittene Bankenabgabe brachte dem Staat geringere Einnahmen als geplant und konnte nur einen geringen Teil der Steuerausfälle kompensieren. Selbst wenn man die höhere Gewinnbesteuerung berücksichtigt, die der ehemalige Schatzkanzler George Osborne den Banken auferlegte, erreicht die von der Branche gezahlte Körperschaftsteuer nicht das Niveau von 2007/08.