Finanzplatz Frankfurt setzt auf Brexit
Der Finanzplatz Frankfurt wird von dem anstehenden EU-Austritt Großbritanniens profitieren, wie die hiesige Finanzbranche laut einer Umfrage erwartet. Das Sprachrohr Frankfurt Main Finance sieht bereits eine “Jahrhundertchance”. Die Risiken des Brexit spielen in der Umfrage jedoch nur eine Nebenrolle.jsc Frankfurt – Nach dem Brexit-Votum in Großbritannien hat sich in der deutschen Finanzbranche Optimismus breitgemacht: Der Standort Frankfurt werde von dem anstehenden EU-Austritt der Briten profitieren, wie 95 % der hiesigen Führungskräfte in einer Umfrage des Center for Financial Studies (CFS) zu Protokoll geben. Damit ist Frankfurt aus Sicht der deutschen Branche besser positioniert als Paris (69 %), Amsterdam (15 %) und Mailand (3 %).Die Branche erwartet insbesondere Zuwächse im Handel und in der Abwicklung von Wertpapieren, aber auch im Firmenkundengeschäft und im Assetmanagement (siehe Grafik). Auch äußern die Teilnehmer mit 57 % überwiegend die Vermutung, dass die europäische Bankenaufsicht EBA, die den Finanzstandort London verlassen muss, nach Frankfurt kommen wird. Damit bekäme die Stadt neben der EZB und der Versicherungsaufsicht EIPOA einen weiteren europäischen Finanzaufseher zugesprochen.”Wir werden alles daransetzen, diese Jahrhundertchance für Frankfurt zu nutzen”, erklärte Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, der Interessenvertretung des hiesigen Finanzplatzes und Sponsor der Studie. Zwar bleibe London der zentrale Finanzplatz, doch könne Frankfurt eine Brücke in die Eurozone sein. Insgesamt hat das Center for Financial Studies, das am House of Finance an der Goethe-Universität in Frankfurt angesiedelt ist, Führungskräfte aus rund 400 Gesellschaften der Finanzbranche befragt, rund die Hälfte davon aus Banken.Europäische Finanzmetropolen hoffen derzeit verstärkt auf Geschäft aus London, weil Gesellschaften in Großbritannien sonst möglicherweise nicht mehr ihre Finanzprodukte in der Europäischen Union verkaufen oder nur noch eingeschränkt europäische Wertpapiere handeln und abwickeln können. Das Ergebnis der Austrittsverhandlungen ist aber noch offen. Mit knapp 68 % fordert eine Mehrheit der hiesigen Führungskräfte, Großbritannien nach dem Austritt keinen uneingeschränkten Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu gewähren.Zu möglichen negativen Folgen für den hiesigen Finanzstandort – etwa wenn die Konjunktur das Bankgeschäft erschwert oder die Fusion der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange missglückt – haben die Autoren die Führungskräfte jedoch nicht befragt. Auch die Rolle der Finanzplätze Luxemburg und Dublin, zweier wichtiger Konkurrenzstandorte, bleibt in der Präsentation außen vor. Für die gesamte deutsche Wirtschaft erwarten 35 % der Befragten positive Folgen, 15 % sehen negative Auswirkungen. Dienstleister vor BankenAuch unabhängig vom Brexit hat sich die Stimmung in der deutschen Branche gebessert, wie eine weitere Umfrage unter den 400 Unternehmen zeigt: Der quartalsweise erhobene CFS-Index stieg um 1,6 auf 110,3 Punkte und hat sich damit leicht erholt. Die Umfrage stützt sich auf die erwartete und tatsächliche Entwicklung von Umsatz, Ertrag, Investitionen und Mitarbeiterzahl. Der Wert schwankt zwischen 50 und 150 und zeigt eine positive Stimmung an, wenn er über 100 liegt.Allerdings bewerten Finanzinstitute ihre Lage negativer als verschiedene Dienstleister der Branche. Für das zweite Quartal melden die Institute für ihr Geschäft sinkende Erträge und erwarten eine künftig weiter sinkende Mitarbeiterzahl. Die Angaben zu den Umsätzen zeigen moderate Zuwächse an. Lediglich bei den Investitionen liegen die Institute weit im positiven Bereich und in etwa gleichauf mit den Dienstleistern.