Finanzplatz Frankfurt wird nachhaltiger

Auf dem Weg zu einer herausragenden Position des hiesigen Finanzstandortes in puncto Nachhaltigkeit ist jedoch noch einiges zu tun

Finanzplatz Frankfurt wird nachhaltiger

Nachhaltigkeit – das Wort taucht mittlerweile in unzähligen Veranstaltungen, Werbebotschaften sowie Presseberichten auf und ist im Supermarkt wie am Finanzmarkt gleichermaßen präsent. Doch es ist mehr als ein Wort in aller Munde. Der ursprünglich 1713 in einem Buch über die Waldwirtschaft geprägte Begriff erlebt seine Renaissance und wird oftmals schon inflationär gebraucht. Nachhaltiges Agieren wird immer mehr zu einer nachhaltigen Entwicklung weltweit. Denn ernsthafte Sorgen um die Zukunft der Erde mit all ihren Ressourcen sind ins kollektive Bewusstsein gedrungen. Dabei gilt der Klimawandel derzeit als eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die einen radikalen Umbau der Weltwirtschaft erfordern.Auf der UN-Konferenz in Paris Ende 2015 wurde erstmalig von 195 Ländern eine rechtsverbindliche Klimaschutzvereinbarung getroffen zur Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius. Die Europäische Union will Europa bis spätestens 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Mit dem “Green Deal” soll der Transformationsprozess hin zu einem modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaftssystem bewerkstelligt werden. Auch in der Finanzbranche ist Nachhaltigkeit mittlerweile ein zentrales Thema, das unter Anlagegesichtspunkten wichtig ist und damit auch immer stärker die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Finanzstandortes mitbestimmt. Kreativität gefragtWie sieht die Entwicklung am Finanzplatz Deutschland beim wichtigen Trend der nachhaltigen Finanzierung aus? Hierbei spielt zum einen die Dynamik im zentralen Segment der Green Bonds eine Rolle. Zum anderen sollten Finanzinstitute, Politik, Aufsichtsbehörden und Standortmarketing aktiv für eine gute Positionierung des hiesigen Finanzstandortes in puncto Nachhaltigkeit eintreten. So ist von allen Finanzplatzakteuren Kreativität und Innovationskraft gefragt. Auch in unserem Research gehen wir verstärkt auf diese Themen ein.Green Bonds dienen vorwiegend zur Finanzierung von Projekten in den Bereichen erneuerbare Energien, energieeffiziente Immobilien und Transport. Weltweit kommen immer mehr Emittenten hinzu, und das aus immer mehr Ländern. Ausgehend von einem weltweiten Neuemissionsvolumen von 807 Mill. Dollar 2007 folgt dieses Segment einem kräftigen Aufwärtstrend, wie Daten der internationalen Organisation Climate Bonds Initiative (CBI) belegen. 2019 betrug das jährliche Neuemissionsvolumen weltweit fast 258 Mrd. Dollar – ein neuer Rekord. Dies bedeutet einen Anstieg um über 50 % gegenüber dem Vorjahr. Für die kommenden Jahre sind weitere deutliche Zuwächse bei Green Bonds zu erwarten.Im Ranking der weltweit aktivsten Länder im Green-Bond-Markt führen die USA, China und Frankreich. Darauf folgen Deutschland, die Niederlande und supranationale Organisationen. Hierzu zählt die Europäische Investitionsbank (EIB), die als Pionier in diesem Segment 2007 ihre erste Klimaschutzanleihe auflegte. Unter den Regionen führt Europa vor Asien/Pazifik und Nordamerika. Mit seinem hohen Marktanteil und gleichzeitig rasanten Wachstum bei Green Bonds war Europa zuletzt Haupttriebkraft der globalen Entwicklung. Dabei standen Frankreich (mit einem Anteil von 26 %), Deutschland (16 %) und die Niederlande (13 %) zusammen für mehr als die Hälfte des europäischen Marktes für grüne Anleihen 2019. Großbritannien als größter Konkurrent Deutschlands im Finanzplatz-Wettbewerb kam mit einem Neuemissionsvolumen von gut 2 Mrd. Dollar lediglich auf 2 % europäischen Marktanteil. Klarer AufwärtstrendWenngleich das Neuemissionsvolumen in Deutschland über die vergangenen Jahre gewisse Schwankungen aufwies, bewegt es sich im Trend klar aufwärts und erreichte 2019 fast 19 Mrd. Dollar. Seinen innerhalb Europas zweiten Platz verdankt Deutschland vor allem der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): Die staatseigene Entwicklungsbank war 2019 der zweitgrößte Emittent von Green Bonds rund um den Globus (9 Mrd. Dollar, nach der US-Hypothekenbank Fannie Mae mit 23 Mrd. Dollar). Gleichwohl hat sich der Markt für grüne Anleihen in Deutschland während der zurückliegenden Jahre weiterentwickelt. Vielfältiges EngagementÜber die Emission von Green Bonds hinaus zeigt der hiesige Finanzplatz mittlerweile ein vielfältiges Nachhaltigkeitsengagement. Ziel der Bundesregierung ist es, Deutschland als führenden Standort für Sustainable Finance zu etablieren. Die geplante erstmalige Emission einer grünen Bundesanleihe in der zweiten Jahreshälfte 2020 dürfte dabei Signalkraft haben. Von den zahlreichen Initiativen für nachhaltige Finanzen hierzulande sind insbesondere zwei von Bedeutung: auf nationaler Ebene der Sustainable-Finance-Beirat (SFB) und auf regionaler Ebene das Green and Sustainability Cluster Germany.Der SFB agiert seit Mitte 2019 als Beratungsgremium der Bundesregierung, um eine nationale Strategie für das nachhaltige Finanzwesen zu entwickeln und auf diese Weise Deutschland als Finanz- und Wirtschaftsstandort langfristig zu stärken. In Frankfurt als dem Herzstück des deutschen Finanzwesens wurde im Frühjahr 2018 mit dem Green and Sustainability Cluster Germany eine Branchenplattform zur Bündelung der nachhaltigkeitsbezogenen Finanzmarktexpertise geschaffen, die auf Geschäftsführerebene mit dem SFB verbunden und im In- wie Ausland gut vernetzt ist.Auf dem Weg zu einer herausragenden Position in der nachhaltigen Finanzierung ist allerdings noch einiges am deutschen Finanzstandort zu tun. Schließlich gibt es europäische Wettbewerber, die schon weiter sind im nachhaltigen Transformationsprozess: London und Paris als Hauptkonkurrenten haben vor Frankfurt spezielle Initiativgruppen ins Leben gerufen, die durch gezielte Aktivitäten den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit an ihrem Finanzstandort fördern. Gerade Luxemburg und die Niederlande haben sich stark dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben.Auch wurden in mehreren europäischen Staaten bereits in den vergangenen Jahren grüne Staatsanleihen begeben. Daher gilt es die hierzulande angestoßenen Aktivitäten stringent und zügig weiterzuverfolgen. Politisches Engagement und eine Regulierung mit Augenmaß können den Wandel unterstützen. Für den Finanzplatz Deutschland und seine Akteure ist es wichtig, diesen Megatrend mitzugehen und mitzugestalten. Nachhaltigkeit wird zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsfaktor im internationalen Finanzplatzgefüge. Gertrud Traud, Bankdirektorin Chefvolkswirtin und Leitung Research der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen und Ulrike Bischoff, Spezialistin für Finanzplatz-Research der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen