Finanzplatz Luxemburg im zyklischen Umbruch
Der Luxemburger Finanzplatz ist seit seiner Entstehung durch die Entwicklungen in der internationalen Finanzindustrie geprägt worden. Die vergangenen 20 Jahre waren für die Finanzindustrie mit enormen Veränderungen und Herausforderungen verbunden. Seit der Aufhebung des Glass-Steagall Act (Trennung von Einlagen- und Handelsgeschäft) im Jahr 1999 haben die internationalen Banken eine grundlegende Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle vollzogen. Diese Neuausrichtung hat mehrere Phasen und Ausprägungen gekannt:- Zwischen 1999 und 2008: Generelle Annäherung der Einlagenbanken und Investmentbanken mit einer beachtlichen Steigerung der Verschuldung und Ausweitung der Verbriefungs- und Strukturierungsaktivitäten, die schlussendlich global zum Auslöser der weltweiten Finanzkrise von 2008 wurden.- Zwischen 2009 und heute: Durch externe Regularien (unter anderem CRD IV, AIFMD, Emir) getriebene Entflechtung der Geschäftsfelder oder zumindest Segregation der Kapitalunterlegung für die einzelnen Geschäftsaktivitäten.Diese Entwicklung auf der Bankenseite wurde seit Ende der achtziger Jahre begleitet durch ein fulminantes Wachstum der Einlagen in Anlageprodukten, unter anderem Publikumsfonds (Ucits), die über den Luxemburger Standort aufgelegt, verwaltet und vertrieben werden.Mit diesen Entwicklungen sind auch die Geschäftsmodelle der Banken und Finanzdienstleister am Luxemburger Finanzplatz entstanden und über die Jahre weiterentwickelt worden. Die Mehrheit der Luxemburger Institute definiert ihr Geschäftsmodell in den Bereichen “Private Banking”, “Commercial Banking” (Kreditgeschäft) und “Asset Servicing” (Fondsgeschäft) für eine internationale Kundschaft. Die Verquickung der einzelnen Geschäftsfelder ermöglicht ein hohes Potenzial an Geschäftssynergien (zum Beispiel Verwahr- und Settlementkosten) sowie eine Wettbewerbsdifferenzierung durch die Spezialisierung, insbesondere im Asset Servicing. Aktuelle HerausforderungenDie Finanzkrise im Jahr 2008 sowie die darauf erfolgte regulatorische Neuausrichtung der Finanzaufsicht haben zu einer maßgeblichen Veränderung des Wettbewerbsumfeldes geführt. Diese Veränderung ist in allen großen Finanzzentren zu beobachten. In Luxemburg vollzieht sich die Anpassung an das neue Umfeld entlang der folgenden vier Trends:1.Konsolidierung: Die Konsolidierung der Finanzbranche und die Zusammenführung immer größerer Finanzkonglomerate äußert sich in Luxemburg durch die Verlagerung (Auslagerung) verschiedener Geschäftsbereiche an spezialisierte Finanzdienstleister sowie die internationale Zusammenführung an spezialisierten Standorten (Centre-of-Excellence-Strategien). Dies führt zu einer Verringerung der Anzahl der Privatbanken und zu einer Steigerung der Anzahl der Geschäftsbanken (Corporate Banking) und Fondsdienstleister. Insgesamt bleibt die Anzahl der Institute stabil und die verwalteten Vermögen erhöhen sich fortlaufend.2.Regulierung Alternativer Anlageprodukte (AIF): Die Finanzkrise hat zu einer neuen Regulierung der sogenannten Alternativen Investmentfonds (AIF) geführt. Diese Regulierung ist eine Chance für den Luxemburger Finanzplatz. Die Wettbewerbsfaktoren, die in den vergangenen Jahrzehnten im Publikumsfonds-Geschäft (Ucits) gesammelt werden konnten, sind nun auch für die AIF von Bedeutung. Dienstleistungen wie Depotbanken, unabhängige Bewertung und die administrative Aufbereitung von Nettoinventarwerten und Berichtswesen sind nun im AIF-Bereich den neuen regulatorischen Vorgaben unterworfen. Dieser positive Trend wird verstärkt durch das anzunehmende zukünftige Wachstum dieser Branche.3.Geschäftsanforderungen und Markteintrittsbarrieren: Die neuen regulatorischen Vorgaben sowie die Spezialisierung des Geschäfts führen zu einer Steigerung der Anforderungen und somit der Eintrittsbarrieren. Diese Anpassungen vollziehen sich innerhalb der einzelnen Banken unter signifikanten Investitionen und Veränderungen. Traditionelle Geschäftsfelder werden neu ausgerichtet oder geschlossen und neue Geschäftsbereiche eröffnet. Die Fokussierung auf einige wenige Kernkompetenzen ist hier im Hinblick auf die erforderlichen Mittel von strategischer Bedeutung.4.Steuertransparenz: Die Transparenz und der internationale Austausch von steuerrelevanten Daten, welcher mit der Fatca-Gesetzgebung in den USA begonnen hat und nun im Rahmen des “Common Reporting Standard” der OECD weltweit ausgeweitet wird, bedeutet einen grundlegenden Einschnitt in das internationale Finanzwesen. Die Neuausrichtung des Private Banking mit der Fokussierung auf sogenannte High Net Worth Individuals ist bei vielen Instituten ein bereits abgeschlossener strategischer Prozess. Veränderte GeschäftsmodelleDie Finanzindustrie hat global wie auch in Luxemburg strukturelle Veränderungen durchlaufen, was wesentliche Veränderungen der bestehenden Geschäftsmodelle bedingt. Noch anstehende Veränderungen getrieben durch externe Faktoren werden diesen Prozess verstärken. Insbesondere die Auswirkungen von Mifid II (Neufassung der Finanzberatungsdienstleistungen sowie Einschränkung der Provisionsmodelle) und auch die “Base Erosion Profit Shifting”-Initiative der OECD (Vermeidung der Verlagerung von Erträgen ohne Geschäftsbasis) werden hier von Bedeutung sein.Diese Veränderungen äußern sich in strategischen Re- oder Neupositionierungen sowie in der Überprüfung der bestehenden Kosten- und Ertragsstrukturen. Die folgende Aufzählung skizziert die wesentlichen Strategien des Finanzplatzes beziehungsweise der einzelnen Institute.Wesentliche strategische Prioritäten des Finanzplatzes:- Neue Banken aus Asien und Lateinamerika- Ausbau der Digitalisierung und Schaffung eines Wachstumsraums für sogenannte “Fintech”-FirmenWesentliche strategische Prioritäten der Marktteilnehmer:- Erschließung eines regionalen Wachstumsraums über die Grenzen Luxemburgs hinaus- Spezialisierung auf Kernleistungen und Positionierung als Dienstleister für den Konzern- Verzahnung des Asset-Servicing- und Private-Banking-Geschäfts zur Schaffung von Fondslösungen für institutionelle Investoren, Family Offices und Privatanleger- Aufbau neuer Geschäftsbereiche im Kredit- und Finanzierungsgeschäft- Auslagerung von nichtstrategischen Aktivitäten und Verringerung der Fixkosten durch Partnerschaften und Co-Investitionen (zum Beispiel IT-Systeme)- Digitalisierung der Schnittstelle zum KundenIn den vergangenen zwei Jahren hat Luxemburg bereits in diesen Wachstumsfeldern Erfolge verzeichnet. Die Gründung von sechs chinesischen Banken und die Anerkennung als einer der weltweiten “Renminbi”-Handelsplätze sind Zeichen der Attraktivität des Großherzogtums für internationale Bankengruppen. Die Erfolgsfaktoren der Spezialisierung auf das Fondsgeschäft und die Positionierung als “Werkzeugkasten” für Fondslösungen im Publikums- und Alternativfondsbereich ermöglichen auch zukünftig eine Differenzierung vom Wettbewerb und zeigen sich bereits jetzt deutlich in den Marktdaten.Der Finanzplatz Luxemburg befindet sich in einem zyklischen Umbruch und kann dabei weiterhin auf die Vielzahl langjähriger Erfolgsfaktoren und Kernkompetenzen aufbauen. Einem weiteren Wachstum im Ein- und Gleichklang mit den internationalen Kunden des Finanzplatzes steht also nichts im Wege.—Olivier Carré Partner, Regulatory Advisory Services PwC Luxembourg